Der fünfzigjährige Apa Sherpa erreichte vor einigen Tagen zum 21. Mal den Gipfel des Mount Everest. Sein Rekord dürfte für einige Zeit halten. Der aussichtsreichste Konkurrent, Chhewang Nima Sherpa, stand bloss 19-mal auf dem Dach der Welt und wurde im letzten Herbst am Baruntse von einer abbrechenden Wächte für immer verschüttet.

Mehr Hektik herrscht beim Solosprint durch die Eigernordwand, der Formel-1-Rennstrecke des Rekordalpinismus. Ueli Stecks Fabelzeit von 2 Stunden und 47 Minuten schien für Jahrzehnte gemacht. Nun wurde diese fast en passant vom ziemlich unbekannten Urner Dani Arnold um 19 Minuten unterboten. Ueli war, als er das erfuhr, gerade in Rekordzeit durch die Südwand des Shisha Pangma gehetzt. Er zeigte sich nicht amüsiert.

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Das Testosteron treibt uns, auf möglichst grossen Misthaufen die Flügel zu schlagen, das Zauberwort heisst Rekord. Selbst wenn der Terror der Lenden langsam abflauen sollte, treiben Restmengen des Hormons uns an oder über unsere Grenzen. So wollte ein ehemaliger Aussenminister von Nepal der älteste Mann auf dem Everest sein. Der 82-Jährige schaffte es bis knapp über das Basislager und starb dann an einem Sekundenherztod. Da solches Streben ausschliesslich selbstschädigend wirkt, ist dagegen nichts einzuwenden. Dümmere oder schlimmere Folgen hat die unwillkommene Attacke auf die biologischen Ziele der Testosteronaggression. Marcel Rüedi, der unvergessene «Achttausenderkönig», sagte: «Wenn es unten hart wird, wird es oben weich.» Womit der Metzger aus Winterthur wohl schon die Missgeschicke von Jörg Kachelmann und Dominique Strauss-Kahn vorausahnte.

Schlimme Auswirkungen männlicher Aggression zeitigen die Rekorde der U-Boot-Kapitäne betreffend die Anzahl versenkter Bruttoregistertonnen oder die Rekorde von «Fliegerassen» bezüglich der abgeschossenen gegnerischen Flugzeuge. Mancherorts und auch in Museen werden diese Schlächtereien noch immer verherrlicht. Am schlimmsten sind und berühren die Anzahl ermordeter Tutsi, Juden, Armenier, Kongolesen und anderer. Dagegen nimmt sich das Anhäufen grösster Vermögen harmlos aus. Auch der Rekord eines Königs des Inselstaates Tonga – wie Captain Cook 1777 berichtete, entjungferte er 30 000 Untertaninnen – ist unbedenklich, er arbeitete von Amtes wegen und im Auftrag des Volkes.

Wer rekordverdächtig ist, strebt nach weiteren Höhepunkten. So wollte Roman Abramowitsch den Kilimandscharo besteigen, allein auf 4000 Metern musste er bergkrank evakuiert werden. Gemäss der Zeitschrift «Mare» liess er dafür seine Yacht «Eclipse» auf 162,5 Meter verlängern. Sie ist damit 50 Zentimeter länger als die «Dubai» des Herrschers von Dubai und die grösste Yacht der Welt. Nun wird Abramowitsch wohl bange sein, gewisse Potentaten liessen sich noch längere Teile bauen. Da nehmen sich die Torheiten der Bergsteiger geradezu harmlos aus.

Nachtrag: Diese Kolumne handelt ausschliesslich von Männern, auf das Minenfeld allfälliger weiblicher Aggression würde ich mich nie wagen.

Prof. Dr. med. Oswald Oelz war bis Ende Juli 2006 Chefarzt für Innere Medizin am Triemli-Spital Zürich.
Der Bergsteiger und Buchautor liess sich mit 63 Jahren pensionieren.