Lange schon waren Wachstumsexperten nicht mehr so uneins über die langfristigen Chancen der Weltwirtschaft. Befürchten Skeptiker eine schmerzhafte Stagnationsphase mit steigenden Schulden und ausufernden Sozialkosten, setzen Optimisten ihre Hoffnungen auf die digitale Revolution.

Dabei werden globale Vernetzung und ihre Auswirkungen bereits verglichen mit historischen Erfindungen wie dem Buchdruck, dem Spinnrad oder der Glühbirne. Der Chefökonom der britischen Zentralbank hat nun in einer eindrucksvollen Rede erläutert, welche Chancen und Risiken der technologische Wandel für Wirtschaft und Gesellschaft bedeuten können. Und hat dabei auf ein besonderes Phänomen aufmerksam gemacht.

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Mitten in einer Informationsrevolution

Die Welt befinde sich zweifellos mitten in einer Informationsrevolution, in der fast 99 Prozent aller Daten, die je erhoben wurden, in diesem Jahrhundert gesammelt wurden, sagte Andrew Haldane vor Studenten der East Anglia Universität von Norwich. Dies habe «reale Gewinne» gebracht, möglicherweise jedoch auch «kognitive Kosten» verursacht. Zu diesen potenziellen Kosten könnten etwa kürzere Aufmerksamkeitsspannen gehören, so Haldane.

Der 48-Jährige zitierte dabei den Informationstheorethiker Herbert Simon, wonach eine informationsreiche Gesellschaft gut eine aufmerksamkeitsarme sein könne. Einige gesellschaftliche Trends deckten sich mit diesen Überlegungen, so Haldane. «Die Dauer von Arbeitsverhältnissen und Beziehungen ist am Sinken.»

Twitter ein Indiz für kürzere Aufmerksamkeitsspannen

Etwa sei die durchschnittliche Anstellungszeit eines Fussballtrainers in der obersten britischen Fussballliga seit 1994 jedes Jahr um durchschnittlich einen Monat gesunken. Hält dieser Trend an, ist ein Trainer bis 2020 im Schnitt weniger als eine Saison angestellt, so Haldane. Und was für den Fussball gelte, gilt laut dem Wirtschaftsexperten auch für den Finanzsektor.

So sei die durchschnittliche Haltedauer von Wertpapieren seit 1950 um das Zehnfache gesunken. «Das steigende Aufkommen von Aufmerksamkeitsdefizitstörungen und die steigende Prominenz von Twitter könnten weitere Belege für sich verkürzende Aufmerksamkeitsspannen sein», sagte er.

Bei Twitter dürfen Nachrichten nicht länger als 140 Zeichen sein. Gleichzeitig sehen sich Nutzer einer hohen Informationsflut ausgesetzt.

Ungeduldige Kinder verdienen später weniger

Dies jedoch könne den Trend zu kurzfristigeren Entscheidungen verstärken und die für das reflexive und ungeduldige Denken verantwortlichen Gehirnregionen könnten an Einfluss gewinnen. Damit würde auch die Ungeduld in der Gesellschaft womöglich zunehmen, warnte Haldane. «Das könnte mittelfristig Wachstum kosten.»

So hätten psychologische Studien etwa gezeigt, dass die Ungeduld von Kindern die schulische Aufmerksamkeit und damit die künftigen Einkommensaussichten signifikant senkten. Andere Untersuchungen hätten gezeigt, dass Ungeduld zu weniger Kreativität bei Menschen führe.