Der Berufsalltag ist für Thomas Freitag seit seinem Einstieg ins Erwerbsleben eine Gratwanderung zwischen betriebswirtschaftlichen und weichen Faktoren. Die Weichen dazu hat der Gründer des Coaching- und Beratungsunternehmens MindMove bereits während seines Studiums an der Universität Zürich gestellt: Im Hauptfach war er für Betriebswirtschaftslehre eingeschrieben, im Nebenfach studierte er Arbeitspsychologie.

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Als ob das nicht genug gewesen wäre, arbeitete er von Freitag bis Sonntag bei der Swissair als Flight-Attendant. «Ich verfüge über einen enormen Selbstantrieb», meint Freitag auf die Frage, wie er dies alles unter einen Hut gebracht habe, lapidar. Möglich sei dies aber auch nur gewesen, weil er sehr effizient gearbeitet habe. «Durch diese verschiedenen Aktivitäten habe ich mir nämlich quasi im Selbststudium das Fach Arbeitstechnik vermittelt.»

Freitag kam übrigens völlig per Zufall dazu, bei der Swissair zu arbeiten. «Ich absolvierte die Rekrutenschule in Kloten und hatte die Flieger täglich im Blickfeld. Zudem hatte ich lange Zeit vor, Journalist zu werden, und da war die Fliegerei eine willkommene Horizonterweiterung», erklärt er die Wahl des anstrengenden Studentenjobs.

Ganz so reibungslos, wie es im ersten Moment erscheinen mag, verlief die Studienzeit auch für Thomas Freitag nicht. Da er neben einem hohen Grad an Selbstmotivation gemäss eigenen Aussagen auch über einen hohen Grad an Perfektionismus verfügt, verstrickte er sich bei der Zwischenprüfung an der Uni – und fiel durch. «Darauf begann ich, mein Gedächtnis mit autogenem Training und Mind-Mapping besser zu nutzen.» Mit Erfolg: Einerseits bestand er die Prüfung, und andererseits begann er, interessierte Mitstudierende übers Thema Selbstmanagement zu unterrichten.

Die Idee des «Breakfast-Coaching», heute eine seiner Unternehmenssäulen, war geboren. In diesem sechswöchigen Coachingprogramm wird die Arbeitstechnik der Teilnehmenden unter Begleitung eines persönlichen Coach verbessert. «Die externe Begleitung schafft den Druck, sich täglich mit dem Thema zu befassen, und verstärkt so den Lerntransfer. Das Erlernte lässt sich täglich ‹on the job› umsetzen», beschreibt Freitag den Unterschied zu herkömmlichen Arbeitstechniktrainings.

«Die Coachees legten einen täglichen Zeitrahmen fest, während dessen sie an der Tagesplanung arbeiten und während dessen das Telefoncoaching stattfindet. Weiter erhalten die Coachees per E-Mail Arbeitsunterlagen und Tipps des Tages.» Nicht nur die Teilnehmenden haben einen Nutzen von diesem Konzept, sondern auch der Arbeitgeber profitiert – weil der Mitarbeitende dem Arbeitsplatz nicht trainingsbedingt fernbleibt und weil das Training ohne Logistikaufwand vonstatten geht.

Doch blenden wir noch einmal zurück. Nach dem Hauptstudium schloss Thomas Freitag das Lizenziat in Wirtschaftswissenschaften ab und stieg danach als Projektleiter in die Stabstelle für Human Resources, Marketing und Logistik bei der Schweizerischen Bankgesellschaft (SBG) in die Arbeitswelt ein. «Ein vielfältiger Job. Ich arbeitete in unterschiedlichen Change-Projekten mit, doch ich merkte sehr rasch, dass ich als Mitarbeiter nicht in das Bankenumfeld passte.»

Kurz bevor sich der Bankverein mit der SBG zusammenschloss, verliess er die Grossbank und wechselte als Berater zu Andersen Consulting. Dort begleitete er nicht nur seine Kunden bei ihren Veränderungsprozessen, sondern erlebte einen solchen auch am eigenen Leib, als sich Andersen Consulting vom skandalträchtigen Wirtschaftsprüfungsunternehmen Arthur Andersen abspaltete und zu Accenture mutierte. Zudem änderte Accenture die strategische Ausrichtung. Dadurch verloren die Change-Management-Berater firmenintern an Bedeutung. Thomas Freitag spürte nach sechs Jahren in der Beratung, dass eine Standortbestimmung angesagt war. Er machte Gebrauch vom Programm «Flex Leave», das Accenture ins Leben gerufen hatte, um die Personalkosten in diesen schwierigen Zeiten flexibler handhaben zu können.

«‹Flex Leave› bot mir sechs Monate Sabbatical mit Wiedereinstiegsgarantie.» Diese Zeit nutzte Freitag, um seinen sportlichen Ehrgeiz zusammen mit vier Arbeitskollegen am Swiss Power Gigathlon zu befriedigen, auf einem Weingut im Piemont mitzuhelfen, seine Plattensammlung, die bei ihm als ehemaligem DJ immense Dimensionen erreicht hatte, neu zu ordnen und sich zu überlegen, was er denn beruflich in Zukunft eigentlich wollte.

«Die klassische Beratung passt nicht zu mir, weil ich nicht der Konzeptpapier-Verkäufer bin, der seinen Kunden Schwächen und Probleme aufzeigt und danach wieder verschwindet. Meine Leidenschaft gehört dem Umsetzen.» Viel lieber gehe er zum Kunden, frage diesen, wohin er wolle oder wie beispielsweise seine neue Kultur aussehen solle. Arbeiten im futurischen Perfekt, nennt das Freitag. «Neben der Frage ‹Wo wollen Sie hin?› stelle ich immer auch die Frage: ‹Gab es schon Momente, in denen es so war, wie sie es sich nun vorstellen?›»

Noch vor Ablauf des halbjährigen Sabbaticals fasste Thomas Freitag den Entschluss, sich selbstständig zu machen, um endlich seine eigenen Ideen umsetzen zu können. «Ich machte einen Businessplan, bezog im Januar 2003 mein eigenes Büro und absolvierte eine Coaching-Ausbildung bei Peter Szabo.» Während dieser Zeit seien für ihn neben dem Self-Management die Selbstreflexion und das Thema Authentizität im Vordergrund gestanden. «Denn nur wenn ich authentisch bin, kann ich meine Kunden nachhaltig unterstützen.»

Thomas Freitag ist sich bewusst, dass der Coaching-Markt komplett übersättigt ist. «Und vor allem besteht die Gefahr, dass man in diesem Bereich Kraut und Rüben anbietet, will heissen: zu wenig fokussiert.» Das habe er in seinem ersten Geschäftsjahr auch an sich selbst festgestellt. Daher versucht er nun, den einzelnen Kunden Paketlösungen anzubieten, diese dafür massgeschneidert. «Das grosse Geldverdienen steht für mich nicht im Vordergrund, denn von Coaching alleine können nur wenige leben», betont Freitag. «Ich finanzierte sowohl das Gründungskapital meiner Firma als auch meine ersten Saläre und andere Investitionen aus meinem Ersparten, denn ich startete ohne Kundenstamm.»

Als schlimmsten Fehler, den jemand machen kann auf dem Weg in die Selbstständigkeit, bezeichnet Freitag das Fokussieren auf nur einen grossen, rentablen Kunden. «Viel wichtiger, als möglichst viel Geld zu scheffeln, ist es, sich Zeit für die Akquisition und für neue Ideen zu nehmen, dann folgen die Rechnungen automatisch …»

Ein weiterer Erfolgsfaktor besteht für den 39-Jährigen darin, sich Druck wegzunehmen und sich Freiräume zu schaffen. Daher ist Sport noch immer ein sehr wichtiges Thema in seinem Leben. «Während des Trainings generiere ich Ideen und hole mir neue Inspiration.» Zudem habe er genügend Selbstständige erlebt, die nach einem Jahr völlig ausgepowert gewesen seien, weil sie aus diffusen Ängsten heraus einfach alle Aufträge angenommen und sich somit nicht nur völlig verausgabt, sondern vor allem auch total verzettelt haben. «Nur wer geduldig aufbaut, hat nachhaltige Chancen auf dem Markt», ist Freitag überzeugt.

Seine Strategie ist es, neben Beratungsdienstleistungen auch Online-Produkte anzubieten. Neben dem Breakfast- Coaching bietet Thomas Freitag die Begleitung von Veränderungen bei Einzelpersonen sowie in Unternehmen an. Mittelfristig möchte er 50 Prozent seines Umsatzes mit Coaching-Mandaten und 50 Prozent mit dem Unterstützen von Firmen bei Change-Projekten machen. «Ich möchte zu einer Dienstleistungsplattform für Führungskräfte in mittelgrossen Unternehmen werden.» Angestellte zu haben, kann sich der Jungunternehmer durchaus vorstellen, doch im Vordergrund steht dieses Ziel nicht. «Ich habe mir ein Netzwerk aufgebaut, aus dem ich bei Bedarf Leute hinzuziehe. Dieser Ansatz kommt auch beim Kunden gut an, denn er geniesst volle Transparenz, was Kosten und Dienstleistung anbelangt.»

Wieso ist Thomas Freitag eigentlich davon überzeugt, in der richtigen Berufsschublade gelandet zu sein? «Meine Coaching-Kunden schätzen meine langjährige Berufserfahrung. Ausserdem verlangt der Markt mehr und mehr auch betriebswirtschaftliches Verständnis der Berater für weiche Faktoren», argumentiert Freitag. Darum ist er überzeugt, dass ihn seine Gratwanderung zwischen harten und weichen Faktoren noch weit führen kann.

MindMove

Gegründet: Februar 2003
Umsatz: keine Angaben
Anzahl Mitarbeitende: 1
Geschäftsleitung: Thomas Freitag
Finanzierung: Eigenfinanzierung
Geschäftsidee: innovative Coachingprodukte und Beratung im Bereich
Organisationsentwicklung
Firmenphilosophie: «What you focus on expands.»
Führungsgrundsätze: Freude an der Arbeit ist die wichtigste Voraussetzung für den Geschäftserfolg.

Junior Chamber

BILANZ präsentiert in jeder Ausgabe ein Beispiel von jungem Unternehmertum – in Zusammenarbeit mit der Junior Chamber Switzerland (JCS). Die Chamber ist das grösste Netzwerk von jungen Führungskräften und Unternehmern in der Schweiz. Weitere Infos und Angaben zu JCS-Veranstaltungen auf www.juniorchamber.ch