Zuletzt sass Obama nur noch im Weissen Haus - und wartete und zitterte. Die vergangenen Tage dürften für ihn die nervenaufreibendsten seiner Amtszeit gewesen sein. Seinen Terminplan hatte er sich radikal ausdünnen lassen: Nichts anderes zählte mehr, wie gebannt schaute er auf die Wiener Atomverhandlungen mit dem Iran.

Obama weiss nur zu gut: Klappt der Deal, wird er zu seinem grössten Triumph - ein dickes Lob in den Geschichtsbüchern wäre ihm gewiss. Scheitert er doch noch, etwa am Widerstand der Republikaner im Kongress, wäre es seine grösste Schlappe.

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Letztlich geht es um Krieg und Frieden

Obama und seine Gegner wissen auch: Letztlich geht es um Krieg und Frieden. Seit Jahren geht im Weissen Haus das Gespenster-Szenario um, dass Israel unter dem Hardliner Benjamin Netanjahu einen Militärschlag gegen die iranischen Atomanlagen startet - und das Weisse Haus womöglich erst Stunden zuvor unterrichtet.

Die USA, so das Kalkül im Weissen Haus, wären dann gezwungen, militärischen Beistand zu leisten - Planspiele des Pentagons gehen laut Medienberichten von mehreren Hundert toten US-Soldaten aus.

Angst vor dominierender Regionalmacht

Die andere Angst, die vor allem unter Gegnern des Deals verbreitet ist: Der Iran streift durch das Abkommen seinen Paria-Status ab, nutzt die nach dem Embargo-Ende sprudelnden Milliarden-Einnahmen für Waffenkäufe - und wird so zur dominierenden Regionalmacht, was zugleich grösste Gefahr für Israel bedeutet. Den USA wiederum wären nach dieser Lesart nach dem Deal die Hände gebunden, ihre Bereitschaft zum militärischen Eingreifen würde radikal abnehmen.

Grundtenor der Abkommens-Gegner: Dem Iran kann man nicht trauen, vom Nuklearprogramm wird Teheran nicht ablassen, auch nicht von der Sympathie für islamistische Extremisten. Ein Vertrag mit einem solchen Regime sei eher Augenwischerei.

«Ein Deal würde nicht nur Irans Nuklearprogramm legitimieren, sondern der Region zudem signalisieren, dass die USA den Iran als eine Macht betrachten, mit der man rechnen muss», meinte der Nahost-Experte Ray Takeyh vom Washingtoner Think-Tank Council on Foreign Relations noch vor wenigen Tagen.

Details sind entscheidend

Entscheidend für den Widerstand in Washington dürften nicht zuletzt die Details des Vertrags sein. Ist die Vereinbarung wirklich wasserdicht, kann der Iran nicht hintenrum doch noch zur Bombe kommen?

Immerhin: Noch auf der Zielgeraden der Verhandlungen hatte sich ein halbes Dutzend ehemaliger Obama-Berater öffentlich zu Wort gemeldet und vor zu viel Nachgiebigkeit gewarnt. «Das Abkommen wird den Iran nicht an einer Entwicklung von Kernwaffen hindern. Es wird keine Zerstörung der iranischen Infrastruktur zur Anreicherung von Uran verlangen.» Das war starker Tobak.

Die Gegner des Abkommens haben sich längst formiert - und es waren nicht nur Republikaner, die die Verhandlungen mit der «Achse des Bösen» skeptisch bis hin zu tiefster Abneigung verfolgten. Keine andere aussenpolitische Entwicklung entfachte in Washington derartige Emotionen wie der Atom-Deal.

Veto wäre Schönheitsfehler

Rund 60 Tage hat der Kongress nun Zeit und Gelegenheit, den Deal gutzuheissen oder zu kippen. Zwar kann Obama den Widerspruch des Kongresses mit seinem Veto abbügeln, und es ist nicht sonderlich wahrscheinlich, dass der Kongress dieses Veto anschliessend mit einer Zwei-Drittel-Mehrheit ausser Kraft setzen kann.

Aber es wäre bereits ein schwerer Schönheitsfehler, wenn Obama tatsächlich zum Veto greifen müsste, um seine wichtigste aussenpolitische Errungenschaft durchs Parlament zu kriegen - das wäre wie ein hässlicher Fleck in den Geschichtsbüchern.

Deal als Initialzündung

Doch im Hintergrund deuten sich schon ganz andere Möglichkeiten an. Optimisten hoffen, dass der Deal sozusagen zur Initialzündung wird und im Iran zu einer Öffnung führt. Zudem dürfte der von Sanktionen befreite Iran auch zur wirtschaftlichen Verlockung werden - US-Unternehmen wollen das Geschäft sicherlich nicht den Europäern überlassen.

Und verwegene Zeitgenossen spekulierten bereits unlängst, angesichts der Bedrohung durch die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) könnten sich Teheran und Washington auf die eine oder andere Art die Hand reichen.

Schmach von 1979 ist gegenwärtig

Doch das liegt noch in weiter Ferne. Viel zu gegenwärtig ist in den USA noch immer die Demütigung durch die Geiselnahme in Teheran 1979. Über 50 Amerikaner gerieten damals in die Hand iranischer Studenten, die ihre Geiseln mit verbundenen Augen den Kameras der Welt vorführten - über ein Jahr dauerte die Schmach.

Auch die Auswirkungen des Deals mit Teheran sind schwer abzusehen. Der Nahost-Experte Kenneth M. Pollack vom Washingtoner Brookings-Institut warnt vor überzogenen Erwartungen - und Befürchtungen.

Für den obersten iranischen Führer Ajatollah Ali Chamenei komme es zunächst einmal ausschliesslich drauf an, dass die Sanktionen aufgehoben werden: «Nicht mehr und nicht weniger. Es scheint unwahrscheinlich, dass er eine breitere Annäherung an die Vereinigten Staaten unterstützt, was auch immer Aussenminister Sarif und möglicherweise Präsident Ruhani wollen mögen.»

(sda/ccr)