Einmal im Jahr zündet Patricia «Patty» Seifert das Rechaud an für ein Schweizer Fondue mit ihren Freunden in der kalifornischen Bay Area. «Den Gruyère und den Vacherin bringe ich von meinen Besuchen daheim mit», verrät sie mit amerikanisch eingefärbtem Zürcher Akzent. Vakuumverschweisst – wegen der strengen US-Zollkontrollen. «Beständigkeit ist wichtig», wird Patty Seifert an anderer Stelle sagen und dabei eher an die Verfolgung eigener Karriereziele denken als an biografische Kontinuität: 1964 wird sie in San Francisco in eine reiselustige Familie geboren. Vater Frederick Seifert, der spätere Chef der Badischen Kommunalen Landesbank und der Forfaitierung der SBV Finanz AG, ist Banker, Mutter Rea Köchin. Die Schwester kommt in Südamerika zur Welt, der Bruder in Detroit. Als Patty vier Jahre alt ist, zieht die Familie zurück in die Schweiz. Nach Abschluss der Schule absolviert sie eine Banklehre bei American Express, «das war allerdings nicht das, was ich mir vorgestellt hatte». Sie studiert an der ETH Zürich Geophysik, spezialisiert sich auf Geothermik, alternative Energien aus dem Schoss der Erde. Unter anderem arbeitet sie an einem Pilotprojekt an einer Brücke der Nationalstrasse A8 entlang dem Thunersee bei Därligen mit, wo im Sommer dem durch die Sonne aufgewärmten Belag Wärmeenergie entzogen und in einem Felsspeicher eingelagert wird, um im Winter die Fahrbahn eisfrei zu halten. «Das funktioniert heute noch.» 1993 wieder Kofferpacken, Umzug nach Berkeley. Die Doktorarbeit ist glänzend, doch die Stellen ausserhalb der Universität vor allem im provinziellen Houston, Texas, angesiedelt. «Dorthin wollte ich nicht. Deshalb habe ich einen Job bei einer Unternehmensberatung gesucht, auch weil ich Erfahrung im Business sammeln wollte.» Sie heuert bei McKinsey an, zieht nach München, dann wieder zurück nach San Francisco. Anfang 2001 dann der Wechsel zu SchlumbergerSema in Santa Clara, der IT-Dienstleistungstochter des Ölfördergiganten Schlumberger. Hier ist Patty Seifert als Projektleiterin für den Bereich Wireless AMR Application verantwortlich, drahtlose Fernzählerablesung. Seit der Liberalisierung des Energiemarktes ist modernes Energiedatenmanagement ein rasant wachsender Milliardenmarkt. SchlumbergerSema rüstet über acht Millionen Wohngebäude und Gewerbeeinheiten mit Elektrizitäts-, Gas-, Kalt- und Warmwasserzählern aus, deren Verbräuche komplett ferngemessen werden. Das intelligente Haus ist auch so eine Vision aus den Kindertagen der New Economy: das vergessene Bügeleisen, das bei Überhitzung Alarm schlägt, das geplatzte Wasserrohr, das dem Hausbesitzer SOS aufs Natel funkt. Patty Seifert sorgt dafür, dass solche Zukunftsentwürfe heute Wirklichkeit werden. In einem Pilotprojekt in San Francisco schliesst sie die Parkuhren eines ganzen Stadtteils an ein drahtloses Network an: Per Ferndiagnose wird jetzt erfasst, wenn sich Langfinger an den Zählern zu schaffen machen. Und in Zukunft? In der Bay Area will sie erst einmal bleiben. Bergwandern und Ski fahren kann sie in der benachbarten Sierra Nevada fast so gut wie im Wallis. Mit dem weltberühmten Lawrence Livermore National Laboratory ist sie derzeit im Gespräch. Es arbeitet im Auftrag des U.S. Energy Department an einem spannenden Projekt zur Erfassung aller nuklearen und chemischen Abfälle. «Das ist ein Zukunftsmarkt, da gibt es in den nächsten Jahren jede Menge zu tun.» Zur Person: PATRICIA SEIFERT Unternehmen: SchlumbergerSema, Santa Clara, Kalifornien Beruf: Senior Products Manager Aus-/Weiterbildung: Studium Geophysik (ETH Zürich), Promotion (Berkeley) Grösster Erfolg: Kommerzielle Einführung von Zukunftstechnologie (AMR) für den Utility-Sektor
ERFOLGSFAKTOREN Flexibilität. Statt vorgezeichnete Karrierepfade zu beschreiten, sucht die Schweiz-Amerikanerin ständig neue Herausforderungen, auch gegen Widerstände. «Als ich nach meiner Promotion in Geophysik bei einer Consultingfirma anheuern wollte, um Erfahrungen im Businessbereich zu sammeln, sagte mir ein Unternehmensberater in der Schweiz: ‹Sind Sie für einen Karrierewechsel nicht ein wenig zu alt?› Ich war damals gerade 33!» Ergebnisorientierung. In einem Feld, das geprägt ist von intensiver Grundlagenforschung, besticht Patricia Seifert durch die Fähigkeit «to get things done». «Ich habe immer nahe an der Praxis gearbeitet. Das hilft mir bei der Umsetzung der im Labor erarbeiteten Lösungsansätze.» Ein Novum auf dem Gebiet der Geophysik, das derzeit noch zu neunzig Prozent von Männern beherrscht wird: eine Frau, die sich auch noch mit Geschäftsplänen auskennt.
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