Es gibt einen Ausdruck, den man im Zusammenhang mit Europas Krise immer wieder hört. Übersetzt aus dem Englischen, «tritt man die Büchse die Strasse hinunter». Der Ausdruck bedeutet so viel wie: ein Problem aufschieben.

Was bedeutet das konkret für Griechenland? Das heisst zunächst nichts anderes, als dass man einen progressiv grösseren Anteil der griechischen Schulden vom Privatsektor auf den öffentlichen Sektor der Mitgliedstaaten der Europäischen Union (EU) überträgt. Das erste griechische Hilfspaket hatte einen Umfang von 110 Milliarden Euro, ungefähr einem Drittel der Staatsschulden. Der zweite Kredit, der jetzt verhandelt wird, hat eine Grössenordnung von 60 Milliarden Euro. Dazu hält die Europäische Zentralbank (EZB) geschätzte 40 Milliarden Euro. Bis zum Jahr 2013 wären dann knapp zwei Drittel aller griechischen Staatsschulden in den Händen staatlicher Akteure.

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Mittlerweile geht kaum noch ein unabhängiger Ökonom davon aus, dass Griechenland seine Schulden langfristig bedienen wird. Irgendwann wird das Land um eine Umschuldung nicht herumkommen. Aus binnenwirtschaftlicher Sicht ist der ideale Zeitpunkt dann, wenn das Primärdefizit – der Fehlbetrag ohne Zinszahlungen – ausgeglichen ist. Das wird voraussichtlich frühestens im Jahr 2013 der Fall sein.

Dann gibt es drei Möglichkeiten, wie die Mitgliedstaaten auf eine Umschuldung reagieren können. Man könnte die Verluste monetisieren, was die EZB allerdings nicht zulassen wird. Man könnte die Verluste durch haushaltspolitische Transfers bezahlen. Das werden die Mitgliedstaaten nicht wollen. Und als dritte Lösung bietet sich die Schaffung eines Eurobonds an. Das wäre billiger und politisch einfacher. Der europäische Rettungsschirm ESM würde Eurobonds in der Höhe der nominalen Verluste emittieren, die dann von den Mitgliedstaaten in den darauffolgenden Jahren gemeinsam bedient würden. Man kann sich noch weitere technische Konstruktionen vorstellen. Aber am Ende laufen sie auf dasselbe hinaus: Man sozialisiert die griechischen (und irischen und portugiesischen) Schulden. Der Euroraum würde damit zwar nicht zu einer Transferunion, aber doch zu einer Fiskalunion.

Und wenn man einmal so weit geht und den Eurobond einführt, dann wird man sich unweigerlich die Frage nach dem moralischen Risiko stellen. Denn wer verhindert, dass nationale Regierungen auf Kosten der Gemeinschaften neue Schulden machen? Man wird also ihre Macht formell beschränken wollen. Die Erfahrung zeigt, dass das nicht über komplizierte Regelwerke geht.

Die Krisenpolitik wird uns also direkt in eine Fiskalunion und in eine politische Union führen. Es wird eine kleine Fiskalunion sein, relativ kleiner als die Fiskalunion der Schweiz. Der Weg dorthin ist sicher nicht optimal. Es wäre zu wünschen gewesen, dass man den Eurobond aus einer Position der Stärke lanciert hätte anstatt zur Verhinderung eines Staatsbankrotts.

Der Weg mag mühsam sein, das Ziel einer Fiskalunion ist richtig. Ohne sie ist eine Währungsunion nicht von Bestand.

Wolfgang Münchau betreibt in Brüssel den Internetdienst Eurointelligence.com und schreibt als Kolumnist für die «Financial Times».