Herr Weisskopf, wie ist die Stimmung am Weinmarkt? 

Es ist sehr ruhig. Es findet kaum ein Austausch statt, weder Verkäufe noch Käufe. Auf den Weinmärkten lastet die geopolitische Unsicherheit durch die Kriege, die lahmende Konjunktur und nicht zuletzt die Immobilienkrise in China. Die Weinnachfrage wird stark von China bestimmt, und dort hat sich die Lage durch die Evergrande-Pleite noch einmal zugespitzt. Zudem sind die US-Konsumenten verunsichert und kaufen weniger. Die russischen Kunden sind verschwunden.

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Also fallen die Preise? 

Die Korrektur haben wir 2023 wohl schon gesehen. Die Preise gingen um 10 bis 20 Prozent zurück. 2024 rechne ich bei den Preisen mit einer Stagnation. Beschliessen die Zentralbanken, die Zinsen überraschend schnell zu senken, könnten wir sogar eine Wiederbelebung des Marktes und der Preise sehen.

Also jetzt den Weinkeller füllen? 

Bei einem langen Anlagehorizont ist jetzt sicher kein schlechter Einstiegszeitpunkt.

Welche Weine machen als Anlage derzeit Sinn? 

Es sind nach wie vor die grossen Namen, sozusagen die Value-Werte. Da sind die Klassiker wie die fünf Grands Crus aus Bordeaux. Aber auch US-Weine aus dem Napa Valley oder Champagner sind interessant. Burgunder sind derzeit sehr teuer. Das Piemont ist eine faszinierende Region: Die Weine variieren von Parzelle zu Parzelle, was die Region jedoch auch komplex macht.

Wie gut sind die Käufer informiert? 

Immer besser. Vor allem in Asien wollen immer mehr Menschen Wein verstehen. In China sind Weinkurse ein Renner. Je informierter die Käufer, desto grösser das Interesse für komplexere Regionen. Mit den Kenntnissen ändert sich auch der Geschmack. Zunehmend sind elegante, leichtere Weine gefragt.

Macht es auch Sinn, in Schweizer Weine zu investieren? 

Auf jeden Fall. Daniel Gantenbein, Thomas Studach, Martin Donatsch, die Domaine de la Rochette sind in der Oberliga angekommen. Neue Jahrgänge sind schnell ausverkauft.

Ist es aus Anlegersicht nicht extrem riskant, eine Flasche zu kaufen, die korkt? 

Grundsätzlich schon, aber wenn ich nicht am Ende der Kette stehe und den Wein als Anlage sehe, statt ihn aufzumachen, ist es eigentlich unwichtig. Das viel grössere Problem sind Fälschungen. In China kursieren teilweise mehr Flaschen eines Weins, als jemals produziert wurden. Bei Auktionen gibt es Prämien, wenn die Herkunft sicher ist, etwa wenn die Weine noch in Originalkisten lagern oder direkt vom Produzenten oder angesehenen Restaurants stammen. NFTs und Blockchain werden in Zukunft wichtiger.

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Erich Gerbl
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