Herr Hirt, der Sommer an den Börsen war ruhig. Was bringt der Herbst?

Mit den Investoren kehren die Sorgen an die Märkte zurück. Das Risiko eines Herbststurms ist gross. Die Stimmung ist in den letzten Tagen umgeschlagen. Statt «buy the dip» sieht es jetzt eher nach «sell the rally» aus. Da die Performance seit Jahresbeginn so erfreulich war, fragen sich viele Investoren, ob sie nicht zumindest einen Teil der schönen Gewinne mitnehmen sollten.

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Woher kommt der Stimmungswandel?

Die Angst vor der Rezession geht ja schon lange um. Doch nun wird der Abschwung zu einem immer realistischeren Szenario. Bei uns deuten acht von zehn Modellen auf eine Rezession hin. Starten könnte sie in den USA bereits im vierten Quartal oder dann im ersten Quartal 2024.

Aber derzeit sieht es doch noch gar nicht so düster aus?

Im verarbeitenden Gewerbe gibt es in den USA bereits eine Rezession. Die wird aber noch vom Dienstleistungssektor etwas kompensiert. Aber auch das wird ein Ende finden. Wir befinden uns in der Ruhephase vor dem Sturm. Ein Auslöser für die Turbulenzen könnte der Immobiliensektor sein, hier gibt es in vielen Ländern grosse Fragezeichen.

Wie in China. Wie wichtig ist die Volksrepublik für die Märkte?

China trägt zur Unsicherheit bei. Der Immobiliensektor steckt schon mitten in der Krise. Beunruhigend ist auch, dass China keine Zahlen zur Jugendarbeitslosigkeit mehr publiziert.

Reissen die Notenbanken die Märkte nicht wieder heraus und senken die Zinsen?

Die Frage ist, ob sie das können. Bleibt die Inflation auf einem höheren Niveau, sind ihr die Hände gebunden. Dann gibt es den «double whammy», hohe Zinsen und eine einbrechende Konjunktur.

Wie stellen sich Investoren in so einem Umfeld auf?

Investoren, die stark in Aktien positioniert sind, sollten sich für die kommenden drei bis sechs Monate absichern oder ihre Aktienquote auf ein neutrales Niveau reduzieren. US-Treasuries sind mit Renditen von über vier Prozent interessant. Vorsichtig wäre ich wegen der Rezessionsrisiken bei Unternehmensanleihen. Einen Teil des Vermögens in Cash zu halten, ist sicher nicht verkehrt.

Nehmen wir an, die Rezession kommt und lastet auf den Kursen. Wann ist der richtige Zeitpunkt für den Wiedereinstieg?

Sobald sich die Rezession auf ihrem Höhepunkt befindet. Dann werden die Dinge langsam besser, und die Analysten heben ihre Erwartungen an. Die entscheidende Frage ist nicht, wie schwer die Rezession wird, sondern wie lange sie dauert.

 

Erich Gerbl
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