Die politische Unabhängigkeit der Schweizerischen Nationalbank (SNB) ist ein bewährtes Erfolgsrezept unseres Landes. Gerade in wirtschaftlich turbulenten Zeiten soll sich die SNB auf den Erhalt der Kaufkraft des Frankens fokussieren. Nur so schafft die Geldpolitik die Grundlage für wirtschaftlichen Erfolg und gesellschaftliche Stabilität.
Doch lässt sich die SNB wirklich von der Politik fernhalten? Die internationale Politik nimmt auf diese Abgrenzung in Konfliktzeiten wenig Rücksicht. Im Gegenteil, rasch können Wechselkurse und Devisenreserven zu einem aussenpolitischen Thema werden. Und dies nicht ohne Grund: Wenn die SNB am Devisenmarkt interveniert, stärkt dies andere Währungen. Und wie sie ihre Devisen investiert, kann die Politik in anderen Ländern sehr wohl interessieren.
Während die Schweiz eine Politisierung der SNB im Inland vermeiden kann, lässt sich eine Geopolitisierung der Geldpolitik kaum verhindern. Wie soll die Schweiz damit umgehen? Diese Frage hat das Potenzial, zum grossen aussenpolitischen Thema der nächsten Jahre zu werden. Entscheidend wird sein, ob es der Schweiz gelingt, ihre Stärke aktiv zu ihren Gunsten zu nutzen.
Adriel Jost ist Ex-SNB-Mitarbeiter, Fellow am Institut für Schweizer Wirtschaftspolitik (IWP) in Luzern und Präsident des Thinktanks Liberethica.
Die Ausgangslage ist dabei nicht neu: Der US-Dollar steuert auf das Ende seiner globalen Hegemonie zu. Die jüngste, selbstzerstörerische Zollepisode ist nur ein weiterer Schritt in diese Richtung. Gleichzeitig zeichnet sich aber keine neue Weltreservewährung ab. Alle grossen Währungsräume – sei es Euro, Yen, Pfund oder der chinesische Renminbi – kämpfen mit ähnlichen Problemen. Als einzige grössere, stabilitätsorientierte und nicht von Rohstoffen abhängige Volkswirtschaft verbleibt die Schweiz.
Wie lässt sich dies geostrategisch nützen? Mit dem Franken kann die Schweiz der Welt etwas bieten, was diese in Krisenzeiten nicht hat, aber dringend braucht: eine Währung, deren Kaufkraft stabil ist. Dies erleichtert der Schweiz nicht nur die Finanzierungsmöglichkeiten während einer Krise. In Zeiten verzweifelter Suche nach stabilen Werten wächst auch das globale Interesse daran, dass die Schweiz ein sicherer Hafen bleibt.
Es steht der Schweiz dabei ein schwieriger Balanceakt bevor: Ihre Stabilität sorgt für Nachfrage und eine Aufwertung des Frankens – gleichzeitig beeinflusst der Wechselkurs weiterhin die Exportwirtschaft und damit einen wichtigen Pfeiler der wirtschaftlichen Stärke der Schweiz.
Eine Franken-Aussenpolitik in Konfliktzeiten könnte folgendermassen aussehen: Die Schweiz lädt die Welt aktiv ein, Franken zu kaufen. Um kurzfristige massive Aufwertungen des Frankens zu verhindern, interveniert die SNB am Devisenmarkt. Statt die Devisen jedoch in Staatsanleihen überschuldeter Länder zu investieren, bildet sie strategische Goldreserven. Diese Bestände untermauern die Stabilität der Schweiz und können im Notfall für diverse Zwecke eingesetzt werden.
Um die SNB als Institution in weiteren Eskalationsstufen aus der (aussen)politischen Schusslinie zu nehmen, könnte die Tresorerie des Bundes die Deviseninterventionen übernehmen und sich dafür bei der SNB verschulden. So liesse sich gezielt aus aussenpolitischen Motiven handeln, etwa durch den Kauf bestimmter Staatsanleihen, die dann als diplomatisches Verhandlungskapital dienten.
Dies entspricht nicht der reinen Lehre. Doch eine Geopolitisierung der Schweizer Geldpolitik wird sich nicht vermeiden lassen. Der stabile Franken ist dabei das aussenpolitische Asset der Schweiz. Es ist an der Zeit, darüber nachzudenken, wie wir es in Notfällen nutzbar machen können.