Nachhaltigkeit und Luxus werden oft nicht miteinander assoziiert. Im WWF-Rating der Uhren- und Schmuckbranche landen nur wenige Schweizer Luxuskonzerne knapp im grünen Bereich. Das will das junge Unternehmen ID Genève ändern. «Unser Ziel war es, nicht einfach eine weitere Uhrenmarke zu gründen, sondern eine neue Identität für Luxus zu schaffen», meint Nicolas Freudiger, Mitbegründer des Genfer Unternehmens. «Unsere Kunden und Kundinnen sollten keinen Kompromiss eingehen müssen, wenn sie sich für Nachhaltigkeit und Zirkularität entscheiden.»

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Zusammen mit Singal Depéry und Cédric Mulhauser konzipierte er die Idee einer komplett nachhaltigen Luxusuhr. «Wir fragten uns, wie wir ein Objekt kreieren können, das für den ökologischen Wandel steht», führt Freudiger weiter aus. Als ehemaliger Manager Digital- und E-Commerce bei Coca-Cola weiss er, was für eine Funktion eine Uhr am Handgelenk haben kann. «Wir möchten, dass sich die Branche von einem Ego-System zu einem Eco-System hin bewegt, und als Inspiration dafür dienen.»

Im Dezember 2020 lancierte ID Genève nach einem erfolgreichen Crowdfunding ihre erste Kollektion. Die «Circular One» entspricht zu 100 Prozent dem Konzept der Kreislaufwirtschaft – sprich: einem System mit recycelten Materialien, einer transparenten Produktionskette und niedrigen Emissionen. Die Kosten für die Herstellung der Uhr belaufen sich auf 1’115 Franken.

Circular 1 von ID Genève in blau
Quelle: ZVG

Steckbrief: Circular One

Gehäuse: Aus 100 Prozent recycelten Edelstahlabfällen, sogenanntem Juragold

Werk: Wieder aufgewertete ETA-2824-Uhrwerke

Armband: 80 Prozent Traubenreste, 20 Prozent PU

Verpackung: Pilz (innerhalb 45 Tagen heimkompostierbar)

Preis: 3’500 Franken

Die Uhr an sich ist zu 98 Prozent in der Schweiz hergestellt – einzig für das Armband greifen die Macher auf ausländische Ressourcen zurück. Das italienische Startup Vegea hat nämlich einen Weg gefunden, aus Traubenabfällen der Weinproduktion ein Lederimitat herzustellen. Für die Festigung muss Vegea jedoch auf einen 20-Prozent-Anteil Plastik setzen. Deshalb ist die zweite Kollektion, «Circual S», standardmässig mit dem weltweit ersten industriell kompostierbaren Armband des Londoner Startups Biophilica ausgestattet. «Wir arbeiten mit vielen Eco-innovativen Startups zusammen», erklärt Freudiger, «denn unser Produkt soll ein Aushängeschild dafür sein, dass es auch nachhaltig geht.» Die Kosten für die gesamten Herstellung der Circular S belaufen sich auf 1317 Franken.

Das neue Gold aus dem Jura

Damit die Uhr eine möglichst lange Langlebigkeit aufweist, hat sich Designer Singal Depéry einen modularen Aufbau überlegt. Jede Komponente ist einfach zu ersetzen. ID Genève bezieht den rezyklierten Edelstahl für das Gehäuse von der jurassischen Firma Panatere. «Es ist das neue Gold», meint Freudiger. Panatere sammelt lokale Edelstahlabfälle der Uhren- und Medizinaltechnikproduktionen und schmilzt diese für die Wiederverwendung ein. Für die Kollektion Circular S erfolgt der Schmelzvorgang sogar in einem komplett durch Solarenergie betriebenen Schmelzofen. Das führt zu einem 165-mal kleineren CO2-Fussabdruck als die branchenübliche Stahlgewinnung. Um diese Sonnenenergie auf der Uhr zu vermerken, hat die Lünette der Circular S einen Sonnenschliff.

Circular S von ID Genève
Quelle: ZVG

Steckbrief: Circular S

Gehäuse: Juragold, geschmolzen in einem Solarofen

Werk: Wieder aufgewertete ETA 2824-Uhrwerke

Armband: 100 Prozent kompostierbares pflanzliches Material

Verpackung: Heimkompostierbare Notpla-Seealgen-Box

Preis: 3'940 Franken

Für beide Kollektionen braucht ID Genève recycelte zertifizierte Uhrwerke. Der Uhrmacher Cédric Mulhauser nimmt diese sorgfältig auseinander, säubert sie und wertet sie vor dem Einsetzen wieder auf. Dieser Vorgang nennt sich «skelletieren». So werden keine neuen Ressourcen aufgewendet, und durch die 60h-Gangreserve fällt die toxische Batterie weg.

Von Pilzen und Algen

Kam die Circular One auf einem heimkompostierbaren Pilzkissen geliefert, so wird die Circular S in der weltweit ersten Uhrenbox aus Algen kommen. Dafür spannt ID Genève mit dem etablierten Verpackungshersteller Notpla zusammen. «Wir tüfteln in unserem ID Lab immer wieder an neuen Ideen», so Freudiger. Die Algenverpackung sei zwar in der Produktion teurer, aber der Impact sei viel geringer: «Uns ist es viel wichtiger, auf Unternehmen wie Notpla, Panatere und Biophilica aufmerksam zu machen», denn es seien die kleinen Player, die das Spiel verändern können.

Preisgekrönte Nachhaltigkeit

Seit dem Launch im Dezember 2020 jagt ein Erfolg den anderen: So gewann das Unternehmen den Circular Economy Award 2020, den Luxury Innovation Award 2021 – und der WWF stellte ID Genève als «Best Practice» vor. Das spiegelt sich auch in der Nachfrage, welche Freudiger als zufriedenstellend beschreibt. Bis heute hat das junge Unternehmen über 300 Uhren verkauft. Jetzt planen Freudiger und sein Team, die ersten Geschäftsflächen zu eröffnen, denn bis anhin gab es die Uhr nur online oder an einer der Zero-Waste-Pop-up-Aktionen zu kaufen. Die erste ID-Genève-Vitrine steht ab dem 1. November im Geschäft «Kevin in the Woods» in der Zürcher Europaallee. 

Des Weiteren, meint Freudiger, sei im Moment keine IPO geplant, «wir fokussieren lieber auf Investoren und Ambassadoren, die auch unsere Werte vertreten». Gegenüber der «New York Times» hat Freudiger im Jahr 2021 das Ziel erwähnt, innerhalb von drei Jahren Leonardo Di Caprio als Ambassador gewonnen zu haben. Auf die Nachfrage, wie nahe sie diesem Ziel unterdessen seien, musste Freudiger nur schmunzeln und meinte, dass es zurzeit leider noch keine konkreten Pläne gäbe.

Olivia Ruffiner
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