Wie ticken Schweizer Berufseinsteiger? Was sind ihre wichtigsten Forderungen an Arbeitgeber? Die Studie «Universum Professional Research 2016» gibt Einblick in die Erwartungen von Studenten und jungen Berufstätigen. Insgesamt wurden 12 000 junge Menschen bis 33 Jahre befragt. Das Ergebnis: Schweizer Berufseinsteiger bleiben sehr anspruchsvoll. Von ihrem Arbeitgeber erwarten sie optimale Work-Life-Balance, passende Weiterentwicklungsmöglichkeiten und ein gutes Salär.

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«Wir wollen keine Firma gründen»

Der Gründergeist, mit dem sich die Schweiz im Ausland gerne schmückt, ist bei Berufseinsteigern immer weniger ausgeprägt. Vor allem unter Studenten sind die Zahlen erschreckend: 97 Prozent schliessen es für sich aus, dass sie jemals eine eigene Firma gründen. Im Laufe der Karriere steigt diese Zahl zwar etwas an. Aber selbst nach zehn Jahren Berufserfahrung ist der Start eines eigenen Geschäfts für 90 Prozent der Befragten ausgeschlossen. Für die verbleibenden 10 Prozent ist die Firmengründung aufgrund der bereits aufgegleisten Karriere oft zu risikoreich. Für jene, die eine Firmengründung in Betracht ziehen, ist die Hauptmotivation zudem nicht, mit ihrem Produkt die Welt zu erobern oder sich durch Überstunden eine goldene Nase zu verdienen. Ein Hauptantrieb für eine Gründung ist für sie, dass sie sich die Arbeitszeiten selber einteilen und die Arbeitsbedingungen optimal gestalten können.  Noch viel Bedarf also für die Startup-Förderungs- und Accelerator-Initiativen, die in letzter Zeit in der Schweiz aus dem Boden schiessen, um die Schweiz im Wettrennen um die erfolgreichsten Jungunternehmen wettbewerbsfähig zu halten.

«Work-Life-Balance geht über alles»

Work-Life Balance ist der alles entscheidende Faktor für Schweizer Berufseinsteiger. In diesem Jahr ist die Zahl jener, die Work-Life-Balance als Karriereziel Nummer eins definieren, um 4 Prozentpunkte auf 61 Prozent angestiegen. Auch für Studenten ist dieser Faktor bereits entscheidend, obwohl sie noch kaum Arbeitserfahrung haben. 56 Prozent nennen dies als wichtigstes Ziel im Berufsleben. Je länger das Berufsleben andauert, desto stärker gewinnt dieses Ziel zudem an Priorität. Die richtige Balance zwischen Berufs- und Privatleben ist für viele Bewerber zudem die vorausgesetzte Grundbedingung. Ohne eine Zusicherung derselben bewerben sie sich erst gar nicht bei einer Firma. Unter Work-Life-Balance verstehen die Befragten aber nicht nur ein Gleichgewicht zwischen Privatem und Beruflichem. Die berufliche Sphäre muss nicht nur technische Rahmenbedingungen wie flexible Arbeitszeiten anbieten, es müssen auch «Soft-Faktoren» gewährleistet sein: Dazu zählt ein positives Arbeitsklima, ein respektvoller Umgang zwischen Vorgesetzten und Mitarbeitern und Sensibilität für Gleichstellungsfragen.

Interessant ist, dass die Vereinbarkeit von Privatleben und Beruf für die Geschlechter unterschiedliche Prioritäten hat: Für Frauen ist die betriebliche Unterstützung des Privatlebens, etwa durch Kinderbetreuung ungefähr gleich wichtig (14 Prozent) wie ausreichende Freizeit (13 Prozent). Für Männer kommt ausreichende Freizeit (17 Prozent) jedoch deutlich vor der betrieblichen Unterstützung des Privatlebens (8 Prozent). Der Kampf für bessere Bedingungen für die Vereinbarkeit von Familie und Beruf ist also immer noch Frauensache.

«Das Ausland interessiert uns nicht»

Schweizer Berufseinsteiger finden das Ausland weiterhin nicht attraktiv. Während bei den Studenten noch knapp 20 Prozent eine international orientierte Karriere im Auge haben, bricht dieser Wert mit jedem weiteren Berufsjahr ein. Nach eins bis drei Berufsjahren wollen 90 Prozent nicht mehr ins Ausland. Nach vier bis neun Jahren schliessen 94 Prozent aus, ins Ausland zu gehen. Nach zehn Berufsjahren steigt der Wert der Auslandswilligen minimal an.
Nach Expertenmeinung ist diese immer schwächer ausgeprägte Mobilität nicht nur ein Ergebnis von Hausbau und Kinderkriegen, sondern auch von gleichberechtigten Beziehungen, in denen beide Partner eine Karriere verfolgen. Bei einem Umzug in ein anderes Land müsste eine Seite zurückstecken, was dem Wunsch nach Selbstverwirklichung widerspricht. Das hat den Nebeneffekt, dass viele junge Berufstätige das Land aus beruflichen Gründen nicht mehr verlassen wollen.

Innerhalb der Schweiz ist die Willigkeit des Wechsels zwischen verschiedenen Arbeitgebern hingegen klar vorhanden. 26 Prozent der Befragten gaben an, dass sie sich momentan bei einer anderen Firma bewerben. 15 Prozent erklärten, dass sie ihren Job innerhalb der letzten zwölf Monate bereits gewechselt haben. 10 Prozent interessieren sich für eine andere Stelle innerhalb des gleichen Konzerns. Weiterempfehlen würden viele Berufseinsteiger ihren jetzigen Arbeitgeber nicht. So sind es beispielsweise nur 30 Prozent der Informatiker oder 24 Prozent der Ingenieure, die den aktuellen Arbeitgeber sehr wahrscheinlich einem Kollegen oder einer Kollegin weiterempfehlen würden.

«Geld allein motiviert uns nicht»

Je älter Berufseinsteiger werden, desto wichtiger wird ihnen ein attraktives Grundgehalt. Zu diesem Wunsch kommt aber ein ganzer Strauss weiterer Ansprüche hinzu, die für die Motivation entscheidend sind. Diese Faktoren sind für Arbeitgeber teilweise sehr schwer zu steuern oder zu gewährleisten. So fordern 23 Prozent der Befragten, dass ihr Wunscharbeitgeber einen «inspirierenden Zweck» verfolgen muss, mit dem sie sich identifizieren könnten. 42 Prozent erwarten «Innovation» von ihrer Firma, für 32 Prozent müssen die Führungskräfte selbst «insprierend» sein.

Einzelne Berufsgruppen, beispielsweise Informatiker, sind mit Geld alleine überhaupt nicht mehr aktivierbar. Der Faktor Innovation hat hier eine viel grössere Bedeutung als das attraktive Grundsalär, das wahrscheinlich ohnehin vorausgesetzt wird. Informatiker sind überhaupt die wohl anspruchsvollste Berufsgruppe. Homeoffice ist für sie (41 Prozent) deutlich wichtiger als für Ingenieure (31 Prozent). Zudem sind Informatiker Spitzenreiter beim Wunsch nach ausreichend Freizeit. Während Freundlichkeit, Respekt und ein positives Arbeitsklima für eine grosse Zahl der Berufseinsteiger wichtige Faktoren sind, spielt die «Unterstützung der Gleichberechtigung der Geschlechter» für 97 Prozent der Befragten keine Rolle. Auch die Verpflichtung auf «Vielfalt und Inklusion» ist für die Befragten nicht matchentscheidend.

Stefan Mair
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