Die Vorhänge sind zugezogen, die Aussentische mit Planen abgedeckt, die Grünpflanzen welken bereits: Die Bar Esquire, lange Jahre der Hotspot von Vaduz und Treffpunkt der lokalen High Society, ist für immer geschlossen. Der Konkurs der Szenebar ist ein Kollateralschaden aus einem Finanzskandal, der gerade Liechtenstein erschüttert. Ihr Pächter, der 53-jährige Treuhänder Mario Staggl, sitzt in Untersuchungshaft.

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«Es besteht der dringende Verdacht der Verbrechen der Untreue, der Veruntreuung und des schweren Betruges», bestätigt der Leitende Staatsanwalt Robert Wallner entsprechende BILANZ-Recherchen. Den Schaden schätzt er auf 15 Millionen Franken.

Schaden von 20 bis 25 Millionen

Dokumente, die BILANZ vorliegen, deuten hingegen auf 20 bis 25 Millionen. Rund 60 Anleger sind betroffen. Hauptgeschädigte sind ein kanadischer Minenbesitzer mit rund zehn Millionen Franken, ausserdem ein israelischer Bauunternehmer und ein britischer Geschäftsmann.

Staggl führt zwei Treuhandgesellschaften, den Salamander Trust in Zürich und den New Haven Trust in Schaan (inzwischen ebenfalls in Konkurs). Die Treuhandkonti registrierte er bei der Neuen Bank in Vaduz, mit 5,46 Milliarden Franken Assets under Management die viertgrösste Bank des Landes.

Private Rechnungen von Treuhandkonti bezahlt

Über Jahre hinweg, so der Vorwurf, soll Staggl das Treuhandvermögen für seinen privaten Lebensstil zweckentfremdet haben – anfangs soll er ihm anvertraute Gelder auf sein eigenes Konto überwiesen haben, später seine privaten Rechnungen direkt von den Treuhandkonti bezahlt haben: etwa 262 000 Franken an die Amag für einen neuen Bentley, das Schulgeld für die Kinder, Catering für Partys oder die Unterhaltskosten für seine Immobilien in Dubai, Portugal und Montafon.

Jedes Jahr am 23. Dezember soll Staggl zwischen 50 000 und 110 000 Franken abgehoben haben, vermutlich für Weihnachtsgeschenke. Den Kunden schickte er statt Kontoauszügen nur selbst erstellte Excel-Tabellen.

Kontoauszug des Hauptgeschädigten: Knapp drei Millionen Franken Miese auf einem Konto, auf dem eigentlich noch sieben Millionen liegen sollten.

Ein Stapel Blankoformulare hinterlassen

Dass die Neue Bank derartige Transaktionen von einem Trust mit dem Zweck der langfristigen Vermögensbildung ausführte, erstaunt. «Dass ein vermögender Kontoinhaber durchaus manchmal ein Auto kauft, ist nicht unbedingt ungewöhnlich», sagt Pietro Leone, Geschäftsleitungsmitglied der Neuen Bank. «Bis heute, einschliesslich der nunmehrigen Entwicklungen, ist der Bank keine Kritik an ihrem Kontrollsystem bekannt.»

Doch es kommt noch dicker: Die notwendige Zweitunterschrift für die Transaktionen leistete Mario Staggls Kompagnon Klaus Biedermann. Selbst nach dessen Tod im April 2016 tauchte seine Unterschrift noch auf den Bankanweisungen auf – vermutlich hatte er Staggl einen Stapel Blankoformulare hinterlassen.

Der Neuen Bank fielen die postumen Signaturen nicht auf: «Unterschriftsberechtigungen werden von der Bank sofort gelöscht, wenn sie vom Tod der entsprechenden Person erfährt. Voraussetzung ist natürlich, dass sie davon erfährt», so Leone. Nun hat die Bank ein Geldwäschereiverfahren am Hals.

Es drohen zehn Jahre Haft

Besonders brisant: Staggls Mutter Gertrud Frick soll Minderheitsaktionärin der Neuen Bank sein. Der frühere Aussenminister des Landes, Ernst Walch, ist VR der Bank und amtet gleichzeitig als Verteidiger von Staggl. Und der Anwalt der Bank, der frühere Regierungschef Mario Frick, ist Verwaltungsrat in Staggls Familienstiftung. Dorthin hat der Treuhänder seine Immobilen vor dem Zugriff der Justiz in Sicherheit gebracht.

«Wir dachten, Liechtenstein sei einer der sichersten Orte der Welt», sagt Ian Burns, Protektor des geschädigten Aspasia Trusts. «Leider ist das Gegenteil der Fall.»

Staggl drohen nun zehn Jahre Haft. «Der Beschuldigte ist kooperativ und weitgehend geständig», so Wallner. Staggl erregte bereits einmal die Aufmerksamkeit: Vor zehn Jahren war er zusammen mit UBS-Banker Bradley Birkenfeld der Beihilfe zur Steuerhinterziehung angeklagt. Seither gilt er für die US-Justiz als flüchtig. Dennoch erteilte ihm die Liechtensteiner Finanzmarktaufsicht das «Fit and proper»-Attest, das für eine Tätigkeit als Treuhänder nötig ist.