Die Finanzmärkte sind heutzutage so eng miteinander verwoben, dass ein Problem in einem beliebigen Teilsegment Turbulenzen an ganz anderen Orten auslösen kann. Das zeigte sich zuletzt bei der US-Hypothekenkrise. Anleger fragen sich mehr denn je, welche Aktien wirklich robust sind und die Chance bieten, überdurchschnittliche Erträge bei eingrenzbarem Risiko zu liefern.

Das wollten auch die Unternehmensberater der Boston Consulting Group (BCG) wissen. Mehr noch: Um herauszufinden, welche Charakteristika eines Unternehmens ein Papier besonders erfolgreich machen, durchleuchteten sie die Bilanzdaten und Kennzahlen der rund 5500 grössten Aktien der Welt. So fand ein internationales BCG-Team unter der Leitung von Daniel Stelter heraus, welche Aktien den höchsten Ertrag liefern und in welchen Branchen die Unternehmen eher über- oder eher unterbewertet sind.

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Mit jährlichen Wertsteigerungen von über 90 Prozent steht der französische Rohstoffkonzern Vallourec an der Spitze der erfolgreichsten Aktien. Im Branchendurchschnitt betrug der Ertragszuwachs für Aktionäre seit 2002 pro Jahr 23 Prozent. Sieben der zehn globalen Topaktien stammten aus dem Rohstoffsektor – selbst wenn man sich nur die «Supertanker» mit über 50 Milliarden Dollar Börsenwert anschaut, sind noch drei Vertreter der Rohstoffbranche unter den besten zehn.

Es zeigt sich aber auch: Die globale Machtverschiebung in der Weltwirtschaft lässt sich von den Kurszetteln ablesen. Viele der Topwerte stammen aus Asien. Die vier Wachstumsländer Brasilien, Russland, Indien und China (BRIC) stellen einen im Vergleich zu ihrer Marktkapitalisierung überproportionalen Anteil unter den Shooting Stars. Die Schweizer Aktien haben dagegen Mühe, ganz vorne mitzuhalten. Nur gerade Kühne + Nagel reichte es unter den Logistikern zu einem Spitzenplatz, und bei den Pharmawerten schaffte es das Schwergewicht Roche dank einem jährlichen Ertrag von durchschnittlich 14,6 Prozent auf Rang neun. Banken und Versicherungen lassen sich mit der Methode kaum vergleichen und fehlen deshalb in der Übersicht. Zudem wurden nur Firmen genauer analysiert, die mindestens drei Milliarden Dollar auf die Börsenwaage bringen. In der Schweiz wurden 15 Firmen genau betrachtet und die Kriterien für den Erfolg aufgeschlüsselt.

Schon in der Vorjahresstudie glänzte Kühne + Nagel mit einer durchschnittlichen jährlichen Wertschöpfung zuhanden der Aktionäre von über 33 Prozent – nun ging es mit dem Logistikspezialisten noch zügiger voran. Die Schwyzer stehen im jüngsten Fünfjahresvergleich mit durchschnittlich über 42 Prozent Aktienrendite einsam an der Spitze der Schweizer Top-Performer. Klar profitieren nicht alle Firmen in gleicher Weise vom florierenden Welthandel. So stammt bei Kühne + Nagel fast die Hälfte des Wertzuwachses aus dem Umsatzwachstum (von 5,7 Milliarden Dollar 2002 auf 12,2 Milliarden 2006), mehr als 17 Prozent der Wertschöpfung sind aus der reinen Höherbewertung der Gewinnkennzahlen ableitbar (siehe «Top 5 nach Branchen», Spalte «Änderung der Gewinnbewertung» auf Seite 178). Die Kurs-Gewinn-Verhältnisse sind deutlich gestiegen. Oder anders gesagt: Der vergangene Erfolg schraubt die Erwartungen der Anleger immer höher.

Das gilt speziell auch für die Zweit- und Drittplatzierten im längerfristigen Vergleich: Sowohl Syngenta wie auch Givaudan profitierten von der Höherbewertung der Börse, während die Umsatzsteigerungen nur unwesentlich zum Erfolg beitrugen. «Im weltweiten Vergleich zeigt sich klar, dass Umsatzwachstum der wichtigste Einflussfaktor für den langfristigen Erfolg bleibt. Das gilt natürlich auch für die Schweiz. Die Margen lassen sich in hoch entwickelten Märkten nicht mehr drastisch steigern, und die Multiples kann man als Firma nur bedingt beeinflussen, da sie auf die Zukunftserwartungen des Kapitalmarktes zurückzuführen sind», sagt Peter Damisch, Berater bei BCG Schweiz. In der zurzeit lukrativsten Branche, den Rohstoffen, ist unser Land nicht mit börsenkotierten Firmen vertreten. Aber auch in der Paradedisziplin, Pharma, ist es für die hiesigen Grosskonzerne schwierig, punkto Performance ganz vorne mitzuhalten. Roche kommt unter den Pharmafirmen immerhin noch auf Rang neun, während Konkurrentin Novartis in den vergangenen fünf Jahren die Anleger mit einem jährlichen Zuwachs von fünf Prozent unruhig stellte. Im internationalen Branchenvergleich ergibt dies bloss Platz 28 unter 48 globalen Pharmaunternehmen. Noch schlechter schnitten die Schweizer Chemie-Blue-Chips ab. Ciba und Clariant bilden das Schlusslicht der Branche und der Spezialauswertung für SMI-Titel (siehe Tabelle auf Seite 180). Bei Clariant brachte einzig der Schuldenabbau eine «positive Teilperformance», doch am Ende der Periode bleibt für Investoren ein herber Verlust von durchschnittlich mehr als sieben Prozent pro Jahr seit 2002.

Daraus lassen sich laut Peter Damisch jedoch keine direkten Schlüsse über die Zukunft ableiten, denn die Karten am Aktienmarkt werden immer wieder neu gemischt: «Die Entwicklung des Aktienkurses ist nur das Ergebnis von Veränderungen der Fundamentaldaten und der Zukunftserwartungen. Deshalb kommt es darauf an, den Kapitalmarkt mit vielversprechenden Investitionsvorhaben zu überraschen. Dies kann auch Unternehmen gelingen, die in den vergangenen Jahren eher kritisch betrachtet wurden.»

Im Durchschnitt waren mit den von BCG untersuchten Aktien pro Jahr acht Prozent Rendite drin. Es zeigt sich aber auch, wie stark die Leistungen und Erträge von Unternehmen zu Unternehmen schwanken: Im oberen Viertel der Aktien lagen seit 2002 die jährlichen Renditen auf über 20 Prozent. «Doch die besten Unternehmen schafften es, ihre Aktionäre mit jährlich 60 Prozent zu verwöhnen», berichtet BCG-Berater Frank Plaschke. Angesichts solcher Traumrenditen ist es kein Wunder, dass Aktionärsgruppen ungeduldig werden, wenn ein Unternehmen Jahr für Jahr Magerkost serviert. Hedge Funds zeigen wenig Verständnis für unterdurchschnittliche Erträge.

Das Fazit für ein Jahr mit Blick auf die international besten Aktien: «28 Prozent des Aktionärsertrags kommen vom Umsatzwachstum, 17 Prozent vom Margenzuwachs. Zusammen mit Dividenden, Aktienrückkäufen und Entschuldung lassen sich 61 Prozent der Erträge mit Unternehmensentscheidungen erklären. Die restlichen 39 Prozent stammen aus einer höheren Bewertung der Zahlen an der Börse», analysiert Frank Plaschke. Je länger der Betrachtungszeitraum ist, desto geringer ist der Einfluss von Spekulation und Hoffnung auf die Bewertung: Über zehn Jahre macht dieser weiche Faktor nur noch 18 Prozent der Kursentwicklung aus.

Das ist tröstlich, doch für die Anleger zählt bekanntlich nur die Zukunft. Derzeit stellen sich Investoren weltweit auf zwei mögliche Szenarien ein: Entweder gelingt es den staatlichen Notenbanken, die Finanzmärkte mit Zinssenkungen zu beruhigen und die Aktienkurse in Schwung zu bringen. Oder das Misstrauen in der Finanzbranche sitzt tiefer, und die jüngste Erholung entpuppt sich als Strohfeuer, ehe die Probleme mit neuer Wucht wieder auf die Tagesordnung kommen.

Vorsichtige Anleger ziehen diese zweite Möglichkeit verstärkt ins Kalkül. BCG-Berater Daniel Stelter: «Eine gute Chance, heil durch die Finanzkrise zu kommen, haben Aktien von Unternehmen mit einem hohen Cash-Bestand in Relation zum Gesamtvermögen.» Die Barreserven sind je nach Branche unterschiedlich hoch. Auf einem ordentlichen Liquiditätsberg sitzen die Topunternehmen in den Sparten Pharma (16 Prozent des Vermögens in bar), Technologie (11) und Maschinenbau (10). Am dünnsten sind die liquiden Reserven bei Energieversorgern (5), Medien (6), Logistik (6), Reiseunternehmen (7) und in der Chemie (7).

Neben den Cash-Beständen gibt es eine Reihe weiterer wichtiger Kriterien für die Aktienauswahl. Ein ganz zentrales lautet: Ist die Aktie noch relativ billig zu haben oder bereits zu weit gelaufen? Einen Anhaltspunkt dafür liefert die BCG-Studie, indem sie den Marktwert der Unternehmen mit ihrem Fundamentalwert vergleicht (siehe «Die Rechnung» auf Seite 178).

Wer sich als Anleger die Tabellen mit den erfolgreichsten Aktien der Welt anschaut, der sollte darauf achten, dass Aktien mit niedrigen Erwartungsprämien das beste Nachholpotenzial haben. Eine niedrige Erwartungsprämie bedeutet, dass der Marktwert nicht weit über dem Fundamentalwert des Unternehmens liegt, die Börse also im Kurs noch nicht zu viele Vorschusslorbeeren verteilt hat. Wenn die Erwartungsprämie gar negativ ist, also der Marktwert des Unternehmens hinter seinem Fundamentalwert zurückbleibt, dann ist das in der letzten Spalte der Tabellen grün dargestellt. Diese Aktien sind auf jeden Fall einen näheren Blick wert.
Nach den guten Börsenjahren ist allerdings der Anteil der grün markierten Zahlen recht gering – im Hinblick auf die robuste Weltkonjunktur gestanden die Investoren den erfolgreichen Unternehmen einen Vertrauensvorschuss für künftig noch schnelleres Wachstum zu. Wer sich auf der Suche nach guten Aktien daher auch die Unternehmen mit rot dargestellten, positiven Erwartungsprämien anschaut, sollte auf folgende Punkte achten: Erstens ist eine niedrige rote Erwartungsprämie meist besser als eine hohe. Wenn der Marktwert eines Unternehmens bereits mehr als 50 Prozent über seinem Fundamentalwert liegt, bleibt in der Regel wenig Spielraum für noch weiter gehende fulminante Kursgewinne.

Und zweitens ist es bei den Aktien mit niedrigen Zahlen in den rot dargestellten Erwartungsprämien von Vorteil, auf die Quellen der bisherigen Aktionärserträge zu schauen. Denn nach den Analysen der BCG-Berater ist das Wachstum eines Unternehmens – über viele Jahre gerechnet – die verlässlichste Quelle für Aktionärszufriedenheit. Daher sollten Anleger Unternehmen bevorzugen, bei denen die Aktionärsgewinne grösstenteils aus dem Umsatzwachstum stammen. Eine nicht überschäumende Bewertung in Kombination mit einem starken Umsatzwachstum: Das ist das Profil künftiger Gewinneraktien.