BILANZ: Sind all die Sparbemühungen und Zusatzangebote nicht minim, gemessen an den immensen Gesundheitskosten?

Otto Bitterli: Das System müsste in der Tat grundlegend reformiert werden. Wir überfordern uns mit der gegenwärtigen Mikroregulierung selber. Dieser Milliardenmarkt ist völlig überreguliert.

Welche Rolle spielen die Zusatzversicherungen mit ihrem geringen Anteil an den Gesundheitskosten überhaupt noch?

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In der Schweiz generieren die Zusatzversicherungen ein Volumen von über 4,5 Milliarden, also ein Fünftel des Prämienvolumens der Krankenversicherer. Dieses Geschäft ist für uns eine wichtige, langfristig stabile Ertragsstütze.

Wird dieser Markt durch den Ausbau der Grundversicherung an Bedeutung verlieren?

Das Gegenteil ist der Fall. Der Druck auf die Leistungen in der Grundversicherung wird angesichts der Kostensteigerung höher. Die Zusatzversicherung dürfte deshalb an Bedeutung gewinnen.

Wie können sich die Konsumenten im Dschungel der rund 1000 Zusatzversicherungsprodukte überhaupt orientieren?

Die Frage stellt sich in jedem Markt mit einem breiten Angebot. Es werden aber gute Orientierungshilfen geboten. Die Vielfalt ist gut, besser als die einst kartellbedingte Einheit und Angebotsnormierung in der Grundversicherung.

Werden Krankenkassen und Lebensversicherer näher zusammenrücken?

Ich kann mir gut vorstellen, dass Krankenkassen ihr Angebot bei Risikoversicherungen ausbauen werden. Allerdings nicht Sanitas, da wir bereits solche Kooperationen mit der Privatassekuranz haben. Wir werden aber vor allem auf der Leistungsseite vermehrt zusammenarbeiten und bei Langzeitschäden verstärkt kooperieren müssen.

Die Durchmischung besteht bereits bei der Aufsicht durch das Bundesamt für Gesundheit (BAG) und die Finanzmarktaufsicht Finma. Stört Sie das?

Die risikoorientierte Betrachtung dieses Geschäftes durch die Finma ist für uns richtig und wichtig. Auf der andern Seite haben wir mit dem BAG eine politisch gesteuerte Aufsicht. In diesem Amt sind zu viele Aufgaben vereint, die Interessenkonflikte bergen und zu politischer Übersteuerung führen. Für uns wäre eine Vereinheitlichung der Aufsicht bei der Finma bedeutend sinnvoller.

Wo sind die Grenzen der Risikoselektion von Kunden?

Wir brauchen in der Zusatzversicherung eine gute Beurteilung der medizinischen Risiken, um nicht ein «brennendes Haus» zu versichern. Allerdings stossen wir bei der vorgeburtlichen Situation und bei genetisch vorbestandenen Krankheiten an Grenzen und sind auf eine ehrliche Antragsdeklaration des Kunden angewiesen.