BILANZ: Anton Affentranger, Sie haben Ihr erstes Geld
als Handlanger beim Bau Ihrer neuen Kantonsschule in Beromünster verdient. Wissen Sie noch, wie viel das damals war?

Anton Affentranger: Das müssen rund fünf Franken pro Stunde gewesen sein. Ich war noch Schüler und habe damals Eisen verlegt – im Akkord, da hat man mehr verdient.

Ist Geld für Sie ein Antrieb?

Nein, überhaupt nicht. Ich kann es mir heute leisten, dies zu sagen.

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Ist das Gehalt dann für Sie ein Schmerzensgeld?

Nein. Gewisse Sachen kann man gar nicht bezahlen – etwa die Zeit, die man verliert. Das Leben ist begrenzt, man kann es auch mit Geld nicht verlängern. Aber wer Leistung bringt, muss dafür bezahlt werden, ohne dass man in Exzesse verfällt.

Zum Doppelmandat bei Implenia sind Sie gekommen, weil Sie sich von Ihrem CEO Werner Karlen nach nur 65 Tagen im Amt wieder getrennt haben. Das ist ungewöhnlich.

Das ist so. Aber wir haben uns geeinigt, dass wir uns trennen – und zwar im Guten, zum Wohle aller beteiligten Parteien.

Warum?

Wir haben eine Abmachung mit Herrn Karlen, uns darüber nicht zu äussern. Diese respektieren wir.

In Ihrer Karriere ist es schon mehrmals zu Machtkämpfen gekommen …

Nein. Machtkämpfe sind und waren nicht mein Stil. Der Wechsel bei Implenia hat nichts mit einem Machtkampf zu tun.

Es bleibt allerdings eine Tatsache, dass es in Ihrer Karriere Konstellationen gegeben hat, die chemisch nicht funktioniert haben.

Das mag bei Roche der Fall gewesen sein. Aber Implenia ist ein anderer Fall.

Sind Sie ein impulsiver Mensch?

Ich bin einfach jemand, der klare Meinungen hat. Und wenn man ein Problem erkennt, dann hat man es zu lösen. Miteinander und so schnell wie möglich. Wenn man ein Problem verdrängt, wird es dadurch nicht besser – siehe UBS.

Nebenher sind Sie noch CEO Ihrer Beteiligungsgesellschaft AA, Vizepräsident bei Mikron, Präsident der Transmission Technology Holding, Verwaltungsrat bei der Ammann Group, Präsident einer Stiftung zur diplomatischen Ausbildung in Genf. Wie wollen Sie das zeitlich alles unter einen Hut bringen?

Ich habe den grössten Teil meiner sonstigen Tätigkeiten bereits reduziert, vor allem bei meinem eigenen Unternehmen. Es ist mein Glück, dass ich die Freiheit habe, das eine hinauf- und das andere hinunterzufahren. Und ich bin mir bewusst, dass das Doppelmandat längerfristig nicht haltbar ist. Aber jetzt geht es erst einmal darum, Ruhe und Sicherheit in die Organisation zu bringen.

Vorletztes Jahr haben Sie geschwärmt: «Russland wird Implenias zweiter Heimmarkt.» 2012 wollten Sie die Hälfte des Betriebsgewinns im Ausland erzielen. Jetzt ist Ihre Auslandstrategie gescheitert.

Warum gescheitert? Das Joint Venture Russian Land steht vor der Auflösung, auf den Baustellen ruht die Arbeit.Die Strategie ist überhaupt nicht gescheitert. Durch die Finanzkrise ist der russische Markt komplett eingebrochen. Dadurch lassen sich unsere Pläne im Moment nicht realisieren. Es wird etwas länger dauern, vielleicht sehr viel länger. Aber was jetzt passiert ist, hat uns in unserer Strategie gerade bestätigt.

Nanu?

Wir haben uns bewusst einen Partner in Russland gesucht, der die Risiken übernimmt, und haben nur unser Know-how eingebracht, nicht aber unsere Finanzkraft. Das hat sich ausbezahlt, weil wir nicht in den Hammer gelaufen sind. Unser Joint Venture in Russland hat 2008 ein Break-even-Resultat erwirtschaftet.

In den Hammer gelaufen ist dafür der Mehrheitsaktionär Ihres Joint-Venture-Partners, der Oligarch Chalwa Tschigirinski.

Das ist nicht unser Problem. Er hatte natürlich auch den grösseren Upside.

Jetzt, da Ihr Partner in Schwierigkeiten ist: Wie viel
Hoffnung haben Sie noch, beim Bau der Olympiaanlagen im russischen Sotschi zum Zuge zu kommen?

Die Projekte in Sotschi haben nichts mit unserem Partner zu tun. Wir haben dort die Planungsarbeit gemacht, deshalb rechnen wir uns nach wie vor gute Chancen aus, auch in der Ausführung der Projekte zum Zug zu kommen. Notabene haben wir bei den Planungsarbeiten keinen Kugelschreiber bewegt, solange wir kein Geld sahen. Deshalb haben wir dort auch keinen Rappen verloren.

Die russische Regierung hat das Budget für Sotschi wegen der Finanzkrise um zwei Drittel gekürzt. Wie lukrativ ist das Olympiaprojekt überhaupt noch?

Wir nehmen nur rentable Aufträge an. Wir müssen ja nicht um jeden Preis. Wenn es klappt, ist es gut, wenn nicht, ist es auch keine Katastrophe, weil wir vor Ort keine Equipen und keine Infrastrukturen haben.

Wird Sotschi überhaupt rechtzeitig zu den Olympischen Spielen fertig?

Es wird eine interessante Herausforderung werden. Eigentlich hätten sie schon lange mit dem Bauen beginnen müssen.

Implenia ist nicht der einzige Schweizer Konzern, dessen Hoffnungen in Russland sich nicht erfüllt haben, weitere Beispiele sind Sulzer oder OC Oerlikon. Überschätzen wir dort die Möglichkeiten, oder geht das
alles nur auf das Konto Finanzkrise?

Ich kenne niemanden, der die Finanzkrise hat kommen sehen. Und ich bin überzeugt, dass sich Russland von den Fundamentaldaten her noch stark entwickeln wird. Es dauert einfach länger. Aber die Ölreserven sind da, und Russland ist uns auch kulturell relativ nahe. Deshalb ziehen wir uns auch nicht von dort zurück.

Seit über zwei Jahren wird Implenia vom britischen Hedge Fund Laxey belagert. Warum wehren Sie sich so verbissen? Haben Sie eine grundsätzliche Abneigung gegen Hedge Funds?

Was heisst verbissen? Ich erfülle ganz einfach den Auftrag unserer Aktionäre. Grundsätzlich habe ich überhaupt nichts gegen Hedge Funds. Aber ich habe klar eine Abneigung gegen Leute, die – wie Laxey – eine Beteiligung unter Umgehung des Gesetzes aufbauen und dabei die Gesellschaft und die Aktionäre schädigen. Solche Leute wollen wir nicht in unserem Aktionariat.

Inzwischen hält Laxey knapp 50 Prozent an Implenia. Ihre Strategie des Aushungerns ist gescheitert.

Wir lassen uns nicht von der Aggressivität eines auf dem Steuerparadies Isle of Man domizilierten Hedge Fund beeindrucken. Nach zwei Jahren ist Implenia noch immer eine unabhängige Firma, sie bringt Rekordergebnisse, hat volle Auftragsbücher, zahlt gute Dividenden. Aber natürlich hätte ich lieber keine zwei Jahre verschwendet für Rechtsstreitigkeiten.

Auf die Dauer können Sie nicht gewinnen gegen einen Aktionär, dem die Hälfte des Unternehmens gehört.

Ich habe kein Problem damit, wenn der Mächtigere gewinnt. Aber ich habe ein Problem damit, wenn er dazu das Gesetz gebrochen hat. Das können wir doch nicht einfach ignorieren. Wo kämen wir denn da hin?

Bei Sulzer war es nicht viel anders.

Da müssen Sie mit Sulzer reden. Ich finde es sehr schade, was dort passiert ist.

Wie wollen Sie Laxey jemals wieder loswerden?

Es gibt den juristischen Weg. Bisher haben wir alle Zwischenetappen gewonnen. Jetzt liegt der Fall beim Bundesgericht. Ich kann mir nicht vorstellen, dass die Entscheide ausgerechnet hier gekippt werden. Aber es geht vielleicht noch ein halbes Jahr oder ein ganzes. Wir haben Laxey auch mehrmals unsere Hilfe angeboten, das Paket woanders zu platzieren. Dreimal hatten wir ein entsprechendes Angebot, eines für 41 Franken pro Aktie, eines für 29, eines dazwischen. Laxey hat immer Nein gesagt, sie wollten mehr. Ich hoffe, dass bei ihnen irgendwann die Vernunft einkehrt.

Das Ganze ist doch längt ein persönlicher Konflikt zwischen Ihnen und Laxeys Investment Director Roger Bühler, und keiner will das Gesicht verlieren.

Diese Sache ist viel ernster als ein persönlicher Konflikt! Es geht doch darum, ob wir es zulassen, dass jemand, der die Gesetze gebrochen und dabei die Aktionäre und die Gesellschaft geschädigt hat, die Kontrolle über unsere Unternehmung haben soll. Ich versuche nur, den Auftrag unserer Aktionäre zu erfüllen. Aber ich habe mich schon manchmal gefragt, ob ich nicht der Don Quijote bin.

In welchem Ausmass profitiert Implenia von den staatlichen Konjunkturprogrammen?

Im Moment noch nicht. Mit Sicherheit werden wir mittelfristig profitieren, denn die öffentliche Hand macht bei uns rund 60 Prozent unseres Umsatzes aus. Aber im Moment sind unsere Bücher auch sonst recht voll. Die Auftragslage ist gut.

Das heisst, die Bauwirtschaft braucht eigentlich gar keine Unterstützung?

Die Schweiz hat derzeit ein Liquiditätsproblem, das mir grosse Angst macht. Ich bin nicht sicher, ob all die Gelder, die der Bund und die Nationalbank ins System gepumpt haben, am richtigen Ort angekommen sind. Die öffentliche Hand zahlt sehr spät, in der Regel nach 90 Tagen. Wenn wir unsere Lieferanten so spät bezahlen würden, hätten wir Demonstrationen vor dem Hauptsitz. Würde die öffentliche Hand schneller zahlen, wäre mehr Liquidität im System und der Schweizer Wirtschaft damit viel mehr gedient.

Besteht beim Konjunkturförderungsprogramm nicht die Gefahr, dass Investitionen nur vorgezogen werden und das grosse Loch dann in ein, zwei Jahren folgt?

Vielleicht. Ich glaube auch nicht, dass punktuelle Investitionen dem Land viel bringen. Wir müssten im Lande den Mut haben, grössere Projekte anzupacken, die längerfristig etwas bringen.

Konkret?

So etwas wie die Neat oder das Projekt Swissmetro, das vor 20 Jahren diskutiert wurde. Heute denke ich an Alternativenergien, eine Energievision Schweiz etwa. Solche Projekte wären mir als Steuerzahler lieber und würden dem Land auch mehr helfen als eine Verbreiterung der Autobahn auf sechs Spuren. Auch wenn Implenia von Letzterem kurzfristig mehr profitieren würde.

Anton Affentranger (52) ist VR-Präsident von Implenia, dem grössten Schweizer Baukonzern (2,3 Milliarden Franken Umsatz). Anfang April übernahm er zusätzlich den Posten des CEO, nachdem der dafür engagierte Werner Karlen das Unternehmen nach nur 65 Tagen wieder verlassen hatte. Zu den Gründen wollte sich Affentranger auch nach mehrmaligem Nachfragen nicht äussern. Zuvor arbeitete Affentranger lange bei der SBG, bei Lombard Odier und kurz als Finanzchef von Roche. Der in Argentinien geborene Sohn eines Käsers ist verheiratet mit einer Schweizer Ballerina, die er in New York kennen lernte, und begeisterter Marathonläufer.