Das Kapital aus der Pensionskassen kommt, oder man erbt viel: Die Summen, die man dabei erhält, können von einigen tausend bis zu mehreren hunderttausend oder noch mehr Franken reichen. Das Geld will möglichst sinnvoll verwendet und rentabel angelegt werden.

Der Zeitpunkt dafür ist gegeben, da man sich schon früher für das Pensionskassenkapital entschieden hat oder unvermittelt zum Erben wird. Zudem kann man sich dem Umfeld nicht entziehen: Seien es Folgen von mit Waffen geführten Kriegen, seien es Handelskonflikte, seien es sonstige Pläne einer US-Regierung, die nur schwer voraussehbar und nachvollziehbar sind.

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Wie also kann man eine frisch erhaltene grosse Summe - Pensionskassenkapital oder Erbe - in unsicheren Zeiten sinnvoll anlegen? Und gibt es Konzepte, die über die üblichen Empfehlungen - zum Beispiel Diversifikation der Vermögensanlage - hinausgehen?

«Ja, die gibt es», sagt Aylin Gürer, Finanzplanerin bei Tareno, einem Basler Vermögensverwalter. Ihr zufolge wird das Kapital auf drei Töpfe verteilt, einen Liquiditätstopf, einen Reservetopf und einen Anlagetopf.

In den Liquiditätstopf fliessen alle regelmässigen Einnahmen wie Erwerbseinkommen, Renten - etwa die AHV - und Mieteinnahmen. «Aus diesem Topf werden die laufenden Ausgaben bestritten», erklärt Gürer.

Der Reservetopf ist der Puffer beziehungsweise Sicherheitstopf. Er kommt zum Zug, wenn die Liquidität nicht ausreicht oder man sich in einer ungünstigen Marktphase befindet. Der Puffer sei so aufgebaut, dass über das Geld sofort oder kurzfristig verfügt werden könne, sagt die Finanzplanerin. Dazu eignen sich Sparkonten, Call-Konten (kurzfristig kündbare Konten ohne feste Laufzeiten) sowie kurz- bis mittelfristige Festgelder eingesetzt - «je nachdem, was angesichts des Zinsniveaus Sinn macht».

«Sparen Sie sich das Geld und investieren Sie es stattdessen selbst»

Der Anlagetopf soll Erträge erwirtschaften. Er dient dem langfristigen Vermögenserhalt respektive Vermögensaufbau.

Die drei Töpfe greifen ineinander. Erträge aus dem Anlagetopf speisen die Reserve, und die Reserve kann flüssige Mittel freimachen. Mit den liquiden Mitteln wird dann das Budget für den Lebensunterhalt und die persönlichen Ziele bestritten. Diese seien zentral, sagt Gürer. «Alle drei Töpfe orientieren sich daran.»

Ein Beispiel: Man entscheidet sich für eine Mischform aus Kapital und Rente der Pensionskasse und erhält zudem die AHV. Diese sowie die Pensionskassenrente werden als flüssige Mittel eingesetzt, etwa für laufende Rechnungen, Kleider, Miete, Hobbys und Reisen. Damit ist der Lebensunterhalt gedeckt. Das Kapital aus der zweiten Säule wird teils als Reserve, teils für Anlagen verwendet.

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Für den Umgang mit dem Geld im Anlagetopf bietet sich eine Unterscheidung an: Ist die Summe kleiner oder grösser als 500’000 Franken? Bis 500’000 Franken würde Gürer keinen klassischen/ traditionellen Vermögensverwalter beauftragen. Man könne das Geld selber verwalten und in einen gut diversifizierten ETF stecken. Dieser Ansatz spart Kosten - sprich: die Vermögensverwaltungsgebühren, die in der Regel für kleinere Vermögen über 1 Prozent liegen und den Gewinn schmälern. «Sparen Sie sich das Geld und investieren Sie es stattdessen selbst. Der Zinseszinseffekt erledigt den Rest für Sie», rät Gürer den Anlegern, die weniger als eine halbe Millionen Franken verfügbar haben.

Wer mehr als diese Summe anlegt, könnte ein Vermögensverwaltungsmandat zumindest prüfen, da ab diesem Betrag der Aufwand für ein diversifiziertes Portfolio wächst. Ein Augenmerk solle aber auf den Gesamtkosten gelegt werden: «Diese sind Produktkosten und werden jährlich direkt von Ihrer Performance abgezogen, sind also für Sie direkt nicht sichtbar.» Nur konkretes Nachfragen schaffe volle Transparenz, so die Finanzplanerin.

So oder so: Der Einstiegszeitpunkt ist nicht relevant, ob er heute oder morgen ist. Aylin Gürer unterstreicht: «Wichtig ist nur, dass man die Strategie des Haltens durchzieht und nicht aktiv beginnt, Positionen zu kaufen und zu verkaufen. Sie müssen an das Konzept glauben und es durchziehen.»

Unsicherheit ist nicht gleich Risiko

Wegweisend ist zudem die Unterscheidung zwischen Unsicherheit und Risiko. Unsicherheit bedeutet, dass die Zukunft anders aussehen kann, als man es gegenwärtig erwartet. Typischerweise ist ungewiss und dem persönlichen Einfluss entzogen, was, wann und wie geschieht. Beispielsweise geht man von einem eher milden Sommer aus. Doch dann gibt es Unwetter und Überschwemmungen, und die Schäden belasten die Ergebnisse der Versicherungsunternehmen.

Risiko bedeutet hingegen, dass negative Resultate in Kauf genommen werden, die vermeidbar sind. Ein extremes Beispiel: Man kauft Aktien eines Unternehmens, das hoch verschuldet ist und spekuliert auf eine Kehrtwende, die Experten für ausgeschlossen halten und tatsächlich auch nicht kommt. Der Aktienkurs fällt, die Verluste dieses Investments steigen.

Wichtig für die Geldanlage ist die persönliche Risikotoleranz und damit die Frage: Wie hoch ist der potenzielle Verlust, den man gerade noch ertragen kann? Diese Grenze sollte nicht überschritten werden. Wird sie es doch, steigt der Druck, dass man zu tiefen Preisen verkauft und unerwartet weit im Minus landet.

Die soeben getroffene Unterscheidung ermögliche es, «Unsicherheit annehmen und Risiken kontrollieren zu können», schreibt die Deutsche Bank in einem 2024 veröffentlichten Papier, das den strategischen Umgang mit Unsicherheit generell thematisiert. Da Unsicherheit unvermeidlich sei und langfristig nicht nur Probleme hervorrufen, sondern auch Opportunitäten eröffnen könne, «wollen wir laufend im Spiel bleiben, ungeachtet kurzfristiger Erfolge und Rückschläge».

Dabei soll Risiko über lange Zeiträume hinweg in systematischer, konsistenter Weise gesteuert werden. Ein Weg dazu seien bestimmte Absicherungsinstrumente. Die DB-Autoren nennen Put-Optionen und laufende Anpassungen der Vermögensallokation als Beispiele.

Das sind andere und anspruchsvollere Wege als die von Finanzplanerin Aylin Gürer für Anlagesummen bis 500'000 Franken vorgeschlagenen. Ob sie für alle Investoren ratsam sind? Für solche, welche die Absicherungswerkzeuge durchblicken, kann die Antwort Ja lauten.

Naive Prognosen nicht schlechter als Expertenprognosen

Gestützt auf statistische Auswertungen sagte Finanzprofessor Erwin Heri an einem Vortrag im Januar: «Der reine Zufall kann alles, was die Finanzmärkte an Performance zu bieten haben, problemlos auch generieren.» Insbesondere das Suchen nach Mustern, die angeblich besonders hohe Renditen bringen, kann in die Irre führen. Ob Januareffekt oder «Sell in May» - laut Heri gibt es sie statistisch gesehen nicht.

Weiter hat Heri die Zwölf-Monats-Prognosen für den deutschen Leitindex Dax über einen Zeitraum von 15 Jahren untersucht. Experten sagten die Aktienmarktentwicklung genauso gut oder schlecht voraus wie ein naiver Marktteilnehmer - naiv heisst: Man geht von einer 7-prozentigen Rendite pro Jahr aus; das ist ein Erfahrungswert, der in Heris Untersuchung auf die Zukunft angewendet wurde.

In den Märkten gebe es viele Geschichten, aber kaum Möglichkeiten für erfolgreiche Prognosen, folgert Heri. Man kann wiederum sagen: Auch ein schlichter und nüchtern verfolgter Ansatz zahlt sich auf lange Sicht aus. Die persönliche Risikotoleranz ist dabei eine Leitplanke. Zweifel aufgrund von Turbulenzen oder oft genannter, aber nur scheinbar erfolgsbringender Narrative, sind es in der Regel nicht.