Die Banken treiben viel Unfug mit strukturierten Produkten. Beispiel gefällig? Nachdem uns die Medien schon wochenlang mit Schlagzeilen über die Vogelgrippe bombardiert hatten, lancierten UBS und Julius Bär im Oktober je ein Zertifikat mit zehn «Vogelgrippe-Aktien». In ihrem Prospekt illustriert Bär auf einer Grafik mittels Backtesting, wie erfolgreich das Zertifikat in der Vergangenheit gewesen wäre. Mir zeigt das höchstens, dass das Produkt reichlich spät kommt. Schon seit zwei Jahren ist die Seuche ein Thema.

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Ein weiteres Beispiel: Mitte Juli, als sich bei Schweizer Firmen die Übernahmegerüchte jagten, lancierte die OZ den Swiss Consolidation Basket, bestehend aus zehn eher willkürlich zusammengewürfelten Übernahmekandidaten wie etwa Kaba oder Micronas. Derzeit notiert der Kurs des Produkts auf dem gleichen Niveau wie bei der Lancierung. Gar über vier Prozent tiefer als bei der Emission im Februar liegt der Kurs der Valentinstags-Anleihe von ABN Amro. Der Gag dieses Produkts liegt darin, dass die Lancierung am Valentinstag stattfand.

Die genannten Beispiele haben eines gemeinsam: Sie vermitteln den Eindruck, Geldanlegen sei ein Spiel und die Börse ein Wettbüro. Die strukturierten Produkte erhalten auf diese Weise den Ruf von Zockerinstrumenten. Das müsste nicht sein. Zertifikate können nämlich als überaus sinnvolle Ergänzung zu Aktien, Fonds oder Obligationen eingesetzt werden. Voraussetzung indes ist eine klare, logische Ausrichtung des Produkts, die nicht von irgendwelchen News-Schlagzeilen oder Marketingideen diktiert ist. Etwa ein Aktienkorb mit Kantonalbanktiteln oder ein Zertifikat, das die Börsenindizes der skandinavischen Länder nachbildet. Auch im Rohstoffbereich gibt es eine Menge überzeugender Produkte. So haben wir in diesen Spalten bereits vor einiger Zeit auf die zahlreichen Ölzertifikate von ABN Amro hingewiesen, die seither eine tolle Performance erzielt haben.

In letzter Zeit beobachte ich in meinem Heimrevier, der Bahnhofstrasse, vermehrt Neugierige, welche die Kurse der Banken-Leuchtschrift nicht nur anschauen, sondern sich Notizen machen. Sich wohl Kurse notieren, vielleicht sogar eine Limite überlegen. Ich getraue mich nicht zu fragen, beobachte nur. Schliesslich darf jeder notieren, was er will. Sei es ab Leuchtschrift oder ab dem Netz. Die Börse ist noch nicht Stammtischgespräch. Und das ist gut so. An den virtuellen Stammtischen der Hobbytrader dagegen herrscht wieder Hochkonjunktur. 1214 Prozent Rendite mit Uranraketen verspricht mir ein Rohstoff-Börsenbrief.

Dagegen ist der 12-Monate-Erfolg des Swiss Market Index von mehr als 30 Prozent schon fast bescheiden. Und trotzdem wecken solche Renditen weitere Gelüste der Anleger, schliesslich sind noch immer Milliarden von Franken faktisch ohne Zins auf Anlagekonten der Banken geparkt. Je länger der sonnige Börsenherbst dauert, desto intensiver denken auch bisher Unentschlossene wieder ans Anlegen. Viel wichtiger sind aber diejenigen, die investieren müssen. Weil sie gemessen, neudeutsch gebenchmarkt werden, Tag für Tag oder mindestens Quartal für Quartal. Sie müssen performen und dürfen etwa als Pensionskasse zugleich nicht mehr allzu grosse Risiken eingehen. Dabei ist allein das allerwichtigste Barometer, der SMI, schon ein Klumpenrisiko namens Pharma. Faktisch sind Novartis und Roche die Treiber hinter dem Phänomen SMI. Sie sind knapp 310 Milliarden Franken wert. Das ist mehr als ein Drittel aller 27 SMI-Werte zusammen. Novartis ist auch noch Grossaktionär beim Konkurrenten, was den Pharma-Klumpen nochmals kompliziert. Aber das erklärt auch den Höhenflug des SMI, und mit jeder weiteren Avance der Pharmawerte steigt wiederum ihr Anteil am SMI.

Für Privatanleger gibt es keine Benchmark, sie müssen keine Rendite erwirtschaften. Für sie gilt meiner persönlichen Meinung nach nur eine Frage: Würde ich eine Aktie (oder jedes andere Investment) heute zum heutigen Preis wieder kaufen? Kein früherer Einstandspreis soll eine Rolle spielen, keine historische Jahresperformance zählt. Nur der aktuelle Preis legt die Basis für den Entscheid über Käufe und Verkäufe. Das tönt simpel, aber in der Realität sehe ich in den meisten Fällen, dass diesem Grundsatz nicht nachgelebt wird.

Das scheint derzeit speziell auch beim Gold so. Der Blick zurück zeigt eine steile Bergfahrt des Goldpreises, und prompt steigt die Zahl der Schlagzeilen, mit phänomenalen Gewinnaussichten für das Edelmetall. Beim Gold zählt fast nie der jeweilige Preis, es ist die Angst, die entscheidet. Die Angst vor der Geldschwemme. Dafür verzichtet man gänzlich auf einen festen Ertrag und hofft auf weitere ängstliche und industrielle Goldnachfrager. Zudem ist Weihnachten traditionell Goldzeit. Der eine oder andere wird seine mit Bonusversprechen versüssten Goldfinger in Edelmetall-Geschenke umwandeln. Kurzfristig wird der Goldboom ziemlich sicher weitergehen. Schliesslich läuft gerade in Kanada die unfreundliche Attacke von Barrick Gold auf Konkurrent Placer Dome. Mit der gut neun Milliarden Dollar teuren Übernahme soll der grösste Mineur der Welt entstehen. Beim immer noch begrenzten Rohstoff wird also vorerst kräftig weiterspekuliert. Langfristig erfreut ein goldiges Geschenk mit echtem Wert und emotionellem Nutzen aber wohl mindestens ebenso sehr.

Bei Gold, da weiss man wenigstens, was man hat. Bei Börsendebütanten dagegen kauft man immer die Katze im halbdurchsichtigen Sack. Sie werden schnell aufgepäppelt, haben eine kurze Lebenserfahrung, aber grossen Drang zu den Taschen der neuen Publikumsaktionäre. Das Instant-Muster fürs schnelle Geld zieht jetzt wohl auch die deutsche Metro durch. Der Handelskonzern konnte seine Günstig-Heimwerkerkette Praktiker nicht verkaufen, nun soll es die Börse richten. Ich habe an dieser Stelle schon einmal vor einem möglichen Engagement bei Praktiker gewarnt. Seither erscheint klar, dass Metro wieder mal Geld benötigt. Eine Gewinnwarnung Anfang November schockte die Investoren, die bereits Wochen zuvor zweistellige Kursrückschläge hatten hinnehmen müssen. Zuvor hatte Metro-Chef Otto Beisheim auch schon die Praktiker-Immobilien im Wert von rund 450 Millionen Euro in eine separate Gesellschaft auslagern lassen. Das ist nichts Illegales. Aber es hinterlässt zumindest einen fahlen Beigeschmack. Die realen, nicht verschiebbaren Werte bleiben bei Metro, der margenschwache Handelskanal soll mit frischem Publikumsgeld gefüllt werden. Wie hier ebenfalls schon beschrieben, war Praktiker bereits einmal von der Muttergesellschaft Metro an die Börse gebracht und anschliessend wieder «privatisiert» worden. Wie praktisch, wenn man das Spiel mit etwas Ostfantasie im Billig-Do-it-yourself-Service wiederholen könnte. Zumal vom erwarteten Emissionserlös von etwas über 600 Millionen Euro lediglich ein Viertel bei Praktiker verbleibt; der Grossteil, nämlich nicht weniger als 460 Millionen Euro, fliesst direkt in die Metro-Kassen. Werden die Anleger bei derart durchsichtigen Aktionen wirklich mitziehen?

Ihr Frank Goldfinger

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