Wenn er gewählt wird, wird die Börse zusammenbrechen». Das prophezeite Donald Trump in einer Fernsehdebatte vor 60 Millionen Zuschauer in den USA im Wahlkampf mit seinem Herausforderer Joe Biden. Und auch sonst werde bei einer Wahl von Biden irgendwie das Chaos ausbrechen, liess Trump immer wieder unterschwellig durchblicken.

Die Realität an den Börsen zeigt nun das Gegenteil. Seit dem Wahltag ist der breit gefasst US-Börsenindex S&P 500 um 7,7 Prozent gestiegen. Blickt man jeweils auf die drei Wochen nach den US-Präsidentschaftswahltagen seit dem Jahr 1928 zurück, dann hat Joe Biden mit seiner «Outperformance» sogar den zweitbesten Börsen-Zugewinn seit dem Urnengang.

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Nur Ronald Reagan hatte 1980 eine leicht bessere Bilanz. Eine Tabelle von Bloomberg zeigt auch, dass Biden an der US-Börse auch einen dreimal besseren Zugewinn verzeichnet als Donald Trump nach seiner Wahl vor vier Jahren.

Performance des S&P 500 in den drei Wochen nach dem US-Wahltag seit 1928

Performance des S&P 500 in den drei Wochen nach dem US-Wahltag seit 1928.

Quelle: Bloomberg

Biden profitierte von Zufällen

Natürlich sind die drei Wochen an der Börse nur eine Momentaufnahme. Und Joe Biden profitierte natürlich von einigen Zufällen. Vier Handelstage nach dem Wahltag veröffentlichten das deutsche Unternehmen Biontech und der US-Pharmakonzern Pfizer die Meldung des ersten wirksamen Impfstoffes gegen das Coronavirus. 

Die als Durchbruch in der Pandemie gefeierte Meldung versetzte die Börsen in Ekstase, die von weiteren Impfstoffmeldungen durch Moderna und AstraZeneca gestützt wurde. Der US-Leitindex Dow Jones überstieg am letzten Dienstag zum ersten Mal in seiner fast 125-jährigen Geschichte die Marke von 30'000 Punkten. Viele Börsenplätze weltweit steuern nun gar auf die beste Monatsperformance überhaupt hin.

«Diese Kombination aus politischer Erleichterung und positiven Überraschungen im Gesundheitswesen hat den Markt wirklich überrascht.»

Wayne Wicker, Vantagepoint Investment Advisers

Freude über Janet Yellens Ernennung

Die positive Reaktion der Märkte hat aber auch andere Gründe. Die Investoren sind erleichtert, dass ein politisches Chaos in Washington nach der Wahl ausgeblieben ist - was die Anleger auch mit Bidens überlegtem und ruhigem Handeln in den Tagen nach dem 4. November begründen.

«Diese Kombination aus politischer Erleichterung und positiven Überraschungen im Gesundheitswesen hat den Markt wirklich überrascht», sagt Wayne Wicker, Chief Investment Officer bei Vantagepoint Investment Advisers, zu Bloomberg. «Als die Leute in den Monat November kamen, waren sie ziemlich besorgt wegen der Präsidentschaftswahlen. Ich glaube nicht, dass irgendjemand einen solchen Blockbuster-Monat geplant hatte.»

Andererseits hat Biden Personalentscheide für seine künftige Regierung getroffen, die den Investoren gefallen. So zum Beispiel die Ernennung der ehemaligen Fed-Chefin Janet Yellen zur neuen US-Finanzministerin. «Die Märkte schauen sich Bidens Aktionen an, und bis jetzt mögen sie sie», sagt er Yousef Abbasi, globaler Marktstratege bei StoneX, bei Bloomberg.

Wichtiger ist die Geldpolitik

Trump hatte den Aktienmarkt immer zu seinem Leistungsausweis erkoren, und in dieser Hinsicht schnitt er auch alles andere als schlecht ab. Während seiner vierjährigen Präsidentschaft legte der S&P 500 um 57 Prozent zu, was der sechstbesten Performance für einen Präsidenten während einer ersten Amtszeit entspricht.

Skeptiker weisen allerdings gerne darauf hin, dass die Verbindung zwischen US-Präsidenten und Aktienperformance gering ist. Grund: Die Märkte steigen üblicherweise über die Jahre, von Abstürzen erholen sie sich jeweils relativ schnell. Auch Trumps Vorgänger Barack Obama hatte eine Börsenperformance, die nicht viel schlechter war als diejenige vom Trump.

Mit Blick auf die Börse konnten sowohl Trump wie Obama während ihrer Präsidentschaft von der ultralockeren Geldpolitik der Notenbanken profitieren, namentlich der US Federal Reserve. Es ist absehbar, dass auch Joe Biden weiterhin Rückenwind von den Tiefzinsen erhält.

(Mit Material der Agentur Bloomberg)

Dieser Artikel erschien zuerst bei Cash.ch unter dem Titel: «Börsen-Crash» nach Biden-Wahl? Das Gegenteil ist der Fall.

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Daniel Hügli
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