Es ist nicht ganz einfach, den Palazzo Bonvicini zu finden, obwohl er im Herzen von Venedig, im Viertel Santa Croce unweit der Rialtobrücke, liegt. Ein schmaler Weg führt von der Bootsstation San Stae über eine kleine Brücke zur Calle dell’Agnella und zu einem Portal mit grüner Holztür.

Wie monumental das viergeschossige Gebäude ist, das an einer Seite von einem schmalen Kanal gesäumt wird, erkennt man erst, wenn man es betritt. Der Lift fährt in den dritten Stock, eine Tür öffnet sich: «Benvenuto, cara», strahlt Didier Guillon. Den Palazzo in Venedig fand der französisch-schweizerische Unternehmer, Sammler, Mäzen und Künstler, als er Räume für seine Fondation Valmont suchte. Er hatte sie 2015 gegründet, um die Sammlung zu präsentieren und zeitgenössische Künstler mit Ausstellungen zu fördern.

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«Ich suchte lange nach einem Gebäude. In Venedig entdeckte ich eines Tages den Palazzo Bonvicini, einen Renaissance-Palast aus dem 16. Jahrhundert mit herrlichen originalen Fresken, Stuckaturen und Terrazzoböden.» Guillon mietete zunächst die erste und die zweite Etage als Sitz der Stiftung. 2019 kaufte er den Palazzo, denn inzwischen wusste er, dass er hier leben wollte: «Venedig ist einzigartig in allem – Licht, Architektur, Küche, Kunst. Es gibt keine Autos, man nimmt ein Boot oder geht wie ich zu Fuss, fast neun Kilometer jeden Tag.»

Das Gebäude, in dem die aus Brescia stammende Familie Bonvicini im 17. und 18. Jahrhundert residierte, Teil des Aristokratenclubs der «Case Nuovissime», musste umfassend renoviert und restauriert werden. Guillon engagierte die Baufirma Setten Genesio und Fulvio Caputo, den Direktor der venezianischen Architektur- und Ingenieurfirma C  and  C. Mit der Restaurierung der beiden unteren Etagen beauftragte er das Unternehmen Passarella Restauri. Die dritte und die vierte Etage, seinen künftigen Lebensmittelpunkt mit einem Atelier für die eigene künstlerische Arbeit, liess er komplett erneuern.

Bereits im Treppenhaus der Fondation Valmont (Bild links) trifft man auf Kunst: Die Skulptur in der Mitte schuf der ugandische Künstler Acaye Kerunen. Die Filz-­Collage rechts ist von Jody Paulsen, an der Stirnseite hängt ein  Werk von Yvaral, Sohn von Victor Vasarely.

Bereits im Treppenhaus der Fondation Valmont trifft man auf Kunst: Die Skulptur in der Mitte schuf der ugandische Künstler Acaye Kerunen. Die Filz-Collage rechts ist von Jody Paulsen, an der Stirnseite hängt ein Werk von Yvaral, Sohn von Victor Vasarely.

Quelle: Marco Cappelletti

«Ich wollte nichts Barockes, davon gab es in meiner Kindheit zu viel. Sondern durchlässige Räume, minimalistische Möbel und leichte, lichte Farben.» 300 Quadratmeter gross ist seine private Résidence Bonvicini, in der er seit 2021 wohnt und drei Gästezimmer integriert hat – für Freunde und seine Kinder Maxence, Capucine und Valentine.

In diesem Palazzo dominiert die Kunst

Er bittet an einen grossen gläsernen Esstisch. Bauchige Venini-Vasen aus Muranoglas, korallenrot und kobaltblau, die zitronenfarbene von den venezianischen Schwestern Marina und Susanna Sent entworfen, vitalisieren den Raum mit ihren üppigen Blüten- und Blattbouquets. Im rechten Teil ist die Küche als weisse Schrank- und Kochzone integriert, ihr vorgelagert eine Anrichte mit Marmorplatte und Zwischenflächen für Geräte, Gewürze, Geschirr.

Doch seine elektrisierende Atmosphäre gewinnt der Raum durch die Kunst, die Didier Guillon sammelt und selbst entwirft. Zwei Drucke der japanisch-amerikanischen Künstlerin Mako und eine Gouache des US-Konzeptualisten Sol LeWitt hängen an der Fensterwand, auf dem eingebauten Regal darunter arrangierte er ein Potpourri aus afrikanischen Masken und Objekten, einer Besenskulptur des syrischen Künstlers Mohamed Hamden Tarek, der aus seiner Heimat flüchten musste, und einer eigenen Arbeit aus Kupfer und Holz. Auch der angrenzende weitläufige Wohnsalon vibriert geradezu vor Kunst von allen Kontinenten, darunter zahlreiche afrikanische Baoulé-Statuen.

«Jedes einzelne Objekt habe ich ausgewählt», sagt der Hausherr, «jeden Einrichtungsgegenstand. Es ist meine Passion, Orte zu gestalten, an denen man sich entspannen kann, die farbenfroh sind und nicht überladen, sondern puristisch elegant.» Die Kunst, erklärt er weiter, «definiert die Identität der Räume. Sie müssen wissen, ich stamme aus einer Familie von Händlern und Sammlern, unsere Häuser waren übervoll mit Antiquitäten. Wunderschön, aber zu viel für mich.»

Guillons Ururgrossvater mütterlicherseits, Charles Sedelmeyer, geboren in Wien, war ein legendärer Pariser Kunsthändler. Seine Tochter, Didiers Urgrossmutter, heiratete den Kunsthistoriker und Bildhauer Stanislas Lami. Vater Claude Guillon, ein Pharmazeut, war Mitbegründer der Mustela-Gruppe, der ersten Marke, die sich auf Hautpflege für Babys konzentrierte.

Sohn Didier, 1953 in Neuilly-sur-Seine geboren, schloss in Paris zunächst ein Studium in Wirtschaftsrecht ab, arbeitete einige Zeit mit einem Partner seines Vaters und kaufte 1991 auf dessen Rat die luxuriöse Schweizer Hautpflegemarke Valmont, einen Pionier der zellulären Kosmetik. La Maison Valmont mit heute rund 210 Mitarbeitenden und sechs Résidences allein in Europa führt er seitdem als Präsident zusammen mit seiner Frau Sophie Vann-Guillon als Vorstandsvorsitzender. «Sophie kümmert sich um Produktentwicklung und Kommunikation. Ich um den kreativen Teil, gemäss unserem Motto ‹Wenn Kunst auf Schönheit trifft›.»

Kunst ist Teil des Valmont-Marketings

Es war für Didier Guillon naheliegend, Kunst ins Marketing von Valmont einzubeziehen. So eröffnet er seit 2020 an Traumorten wie Verbier, der griechischen Insel Hydra und in diesem Herbst in Barcelona neue Résidences Valmont. Jedes Haus ist einem seiner Kinder gewidmet. Topkunden der Marke werden hierher eingeladen, um die «Art de vivre» der Familie Guillon kennenzulernen, und Künstler, um neue Werke zu schaffen.

Wir sitzen nun im Dachgeschoss in seinem Studio, von dem aus er oft auf die Terrasse tritt und den Blick über die Dächer der Serenissima bis zur Frari-Kirche geniesst. Von klein auf von Kunst umgeben, beruflich wie privat ständig unterwegs, schöpft Guillon aus einem riesigen visuellen Fundus, der es ihm ermöglicht, Epochen, Stile, Motive, Geografien und Materialien immer wieder neu eklektisch zu mixen.

So ist das Eichenparkett vom Schloss Versailles inspiriert, die Deckenbalken liess er im Look von Sol LeWitt bemalen, und ein antiker Schreibtisch harmoniert mit Eames- oder Art-déco-Sesseln. Guillon beschreibt sich als einen «Sammler von Emotionen. Sie formen einen Stil, den man nicht kopieren kann.»

Im Wohnsalon mit den blauenSofas von Piero Lissoni dominiert das Triptychon von SophieWesterlind (o.). Links sieht man ­afrikanische Skulpturen aus der Sammlung von Didier Guillon,auf dem Tisch stehen bunteVenini-Vasen aus Murano. Beider Tischlampe handelt es sichum das Modell Pipistrello von ­Martinelli Luce.

Im Wohnsalon mit den blauen Sofas von Piero Lissoni dominiert das Triptychon von Sophie Westerlind (o.). Links sieht man afrikanische Skulpturen aus der Sammlung von Didier Guillon,auf dem Tisch stehen bunteVenini-Vasen aus Murano. Beider Tischlampe handelt es sichum das Modell Pipistrello von Martinelli Luce.

Quelle: Marco Cappelletti

Zu seinen Lieblingswerken zählen Bilder von Serge Poliakoff oder Antonio Saura ebenso wie die farbsprühenden Filz-Collagen des in Kapstadt geborenen Jody Paulsen. Ein «Coup de cœur» waren die Ölgemälde der schwedischen Malerin Sophie Westerlind, die er in der Galleria Michela Rizzo auf der Giudecca entdeckte. Ihr monumentales Triptychon liess Guillon für den Salon in Auftrag geben, weil ihn «die Intensität und das Licht des Gemäldes» faszinierten.

Als Künstler schliesslich kreierte das Multitalent nicht nur Parfumflacons, sondern auch Ivo, das Maskottchen der Marke Valmont, benannt nach dem bekannten Gorilla des Berliner Zoos. «Ich besuchte ihn 2017 mit meiner Tochter Valentine, und sie wollte, dass ich ihn aus seinem Käfig befreie.» Er tat es mit künstlerischen Mitteln und gestaltet seitdem immer neue Variationen des majestätischen Affen. Malt, zeichnet und collagiert ihn, formt ihn in Muranoglas, aus Messing oder Bronze und lässt ihn in Ausstellungen rund um den Globus touren.

Er designte einen Tisch und ein Surfboard mit Ivos Porträt und liess es sich sogar auf den Arm tätowieren. «Für mich ist Ivo das Symbol einer Kreatur auf der Suche nach Glück. Eine Ikone der Freiheit und Freude.»