Überraschungen beeinflussen Aktien am stärksten – positiv und negativ. Meine Prognose für 2024 hat Ihnen gezeigt, dass zweistellige Gewinne die Bären auch dieses Jahr erneut schockieren dürften. Pessimisten fürchten «Risiken» wie Schritte der Zentralbanken, Inflation, tragische Kriege und Rezessionspanik, aber die Aktien spiegeln diese müden 2023er-Ängste bereits wider.

Echte Risiken sind ökonomisch bedeutend und weithin unsichtbar – Tarnkappentorpedos. Im März des Vorjahres habe ich einige vorgestellt. Glücklicherweise hat keiner eingeschlagen ... Noch nicht. Ich bin zwar optimistisch, aber manche sind es wert, beobachtet zu werden, und manche sind Neuzugänge.

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Viele fürchten, dass Aktien von den Tragödien in der Ukraine und im Nahen Osten bedroht sind. Beides ist jedoch wirtschaftlich unbedeutend und seit langem bekannt. Von wirtschaftlich grösserer Bedeutung sind die Konflikte zwischen China und Taiwan, sie werden aber totgeschwiegen. Das tatsächliche Kriegsrisiko hat abgenommen, da China fürchtet, Putins Ukraine-Sumpf zu wiederholen.

Der Gastautor

Ken Fisher ist Gründer und Executive Chairman von Fisher Investments, einer Vermögensverwaltungsfirma mit Niederlassungen weltweit, die über 205 Milliarden Dollar verwaltet. Fisher zählt zu den einflussreichsten (und auch reichsten) Investmentmanagern der USA.

Doch die Gefahr, die vom nuklearen Dreieck China, Indien und Pakistan ausgeht, ist noch nicht gebannt. Ein Nachlassen der Spannungen wird verhindert durch alte Grenzscharmützel, religiöse und kulturelle Gegensätze sowie eine konkurrierende Wirtschaft und Politik. Das wirtschaftliche und politische Chaos in Pakistan verschlimmert sich. Indien verzeichnet ein schnelles Wachstum, ärgert sich aber über Russland, das Pakistan mit vergünstigtem Öl in Putins Orbit lockt – Öl, das Indien einst billig bezog.

Und China? Wegen der erdrückenden Restriktionen von Präsident Xi kann das Land sein schnelles Wachstum nicht wieder ankurbeln. Indien ist verärgert, weil es den Osten gegen den Westen ausspielen will und schmollt, weil Pakistan von China bevorzugt wird. Die Wahrscheinlichkeit eines Krieges ist nicht hoch, aber auch nicht gering.

Anderswo droht immer noch eine «stille» Kreditsperre, wenn das globale Kreditwachstum zu sehr unter die Inflation fällt. Wäre dies 2023 passiert, hätte es eine schwere globale Rezession auslösen können. Eine hohe Inflation und steigende Zinsen hätten die Kosten für Bankeinlagen – die Grundlage für langfristige Kredite – schnell in die Höhe getrieben und die Rentabilität von Krediten zunichtemachen können.

Das war nicht der Fall. Die Kreditvergabe zu längerfristigen Zinsen bleibt vorerst profitabel. Die US-Einlagenzinsen liegen im Schnitt bei 0,46 Prozent und damit kaum höher als der Tiefstand von 0,35 Prozent im Februar letzten Jahres. Die Zinssätze in der Schweiz liegen bei durchschnittlich 0,81 Prozent. Allerdings hat sich die Kreditvergabe verlangsamt. Bis Januar 2024 ist das US-Kreditwachstum von 11,6 Prozent im Jahresvergleich auf 2,1 Prozent gesunken und liegt somit unter dem Anstieg des US-VPI von 3,1 Prozent im Jahresvergleich. 2023 verlangsamte sich die Kreditvergabe in der Euro-Zone deutlich. In der Schweiz sind die Kreditvergabe und die Inflation nie so stark angestiegen wie in den USA oder der Euro-Zone, aber das Kreditwachstum von 1,5 Prozent im November lag unter dem Höchststand von 4,6 Prozent im Februar 2021 und unter der Inflation. Unter dem Strich ist die globale Kreditvergabe am wichtigsten. Sie ist in Ordnung. Eine weitere Verlangsamung könnte jedoch auf Probleme hindeuten.

Die sinkende Geldmenge hat die Abkühlung der Inflation im Jahr 2023 begünstigt. Die Geldmenge M3 der Schweiz, ihre breiteste Messgrösse, sank 2023 um 2,0 Prozent. Die Geldmenge M4 der USA sank um 0,4 Prozent. Die Geldmenge M3 in der Euro-Zone war seit Juli letzten Jahres gesunken, bis sie im Dezember wieder anstieg. Im Normalfall würde mich das als Vorbote einer Rezession beunruhigen. Aber diese Einbrüche folgten auf verrückte Spitzenwerte der Covid-Ära. Trotzdem, bleiben Sie wachsam.

Regulatorische Risiken? Bislang hat das DLT-Gesetz der Schweiz nicht dazu geführt, dass die Regeln für Kryptowährungen andere Vermögenswerte beeinträchtigen. Mit der jüngsten Zulassung von Bitcoin-ETFs in den USA und der Einführung von Mica (Markets in Crypto-Assets Regulation) in der EU könnte sich das aber ändern. Beobachten Sie auch die KI-Regulierung. Es könnten unbeabsichtigte Folgen eintreten – und das tun sie oft. Das neue Paket der EU scheint überschaubar zu sein. Aber die Leitprinzipien des schlecht benannten «Hiroshima-KI-Prozesses» der G7 können sich noch als Flop erweisen. Auch der Bundesrat steuert auf eine KI-Regulierung zu. Bleiben Sie wachsam.

Bleiben Sie optimistisch, aber achten Sie auf bedeutende negative Entwicklungen, die niemand voraussieht. Nicht die «nächste» Ukraine oder eine Inflation, sondern wirklich neue Bedrohungen, die sich in den nächsten drei bis dreissig Monaten abzeichnen. Wie sich 2023 gezeigt hat, führen weit verbreitete Ängste immer und überall zu einer Hausse.

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