Schmuck- und Uhrenauktion bei Sotheby’s in Zürich: Der neue Auktionssaal in den Räumlichkeiten des ehemaligen Warenhauses Ober an der Gessneralle 1 wirkt dezent, wie auch das Publikum. Da beklagt sich pianissimo die offensichtlich soeben aus Österreich angereiste Dame bei ihrer Nachbarin, dass der Taxichauffeur sie nicht vom nahe gelegenen Hauptbahnhof habe herfahren wollen. Man schaut umher, nickt sich lächelnd zu, man kennt sich. Ein gesetzter, weisshaariger Herr blickt immer wieder ungeduldig auf die Uhr, den Gehstock mit Silberknauf im Sekundentakt auf den Boden tippend.

Der Auktionator beginnt mit kurzer Verspätung. Zügig ruft er Los für Los auf und kann jeweils nach nur wenigen Minuten den Zuschlag erteilen. Bei Los Nummer 14, einer auf 1000 bis 1500 Franken geschätzten goldenen Dose, wird es dann lebhafter. An Telefonen sitzen Sabrina und Sandra, Mitarbeiterinnen von Sotheby’s, die Bieter ausserhalb des Saales vertreten. Der Auktionator beginnt mit einem schriftlichen Gebot von 1000 Franken, schnell geht es auf 1500 Franken im Saal, 1600 mit Sabrina, 1700 im Saal, 1800 mit Sabrina, Zug um Zug ist man auf 2400, jetzt mit Sandra. «Sagen Sie 3000?», fragt der Aktionator einen Herrn im Saal. «3000 in the room, it is against you Sandra. I am selling to the gentleman in the room at 3000, letzte Möglichkeit. An die 290, danke schön. Ich bedanke mich bei allen ganz herzlich.» Der Herr mit der Bieternummer 290 hat den Zuschlag erhalten. Weiter gehts: «Los Nummer 15, noch eine Goldbox. Wer hat noch nicht, wer will noch mal?»

 Für viele Uhren und Schmuckstücke im Sotheby’s-Katalog dieser Auktion liegen die Schätzungen der Experten bei 1000 bis 2500 Franken. Selbst im dreistelligen Franken Bereich gibt es schöne Stücke. Das passt irgendwie so gar nicht ins Bild, das man gemeinhin von Versteigerungen der grossen Auktionshäuser hat – machen doch Häuser wie Christie’s oder Sotheby’s weltweit Furore, wenn für einen Cézanne, Monet, Picasso oder van Gogh satte zweistellige Millionen-Dollar-Zuschläge erreicht werden. Dabei finden Spitzenwerke immer zu entsprechenden Preisen ihre Käufer. Das war auch in den Neunzigerjahren der Fall, nachdem die Spekulationsblase am internationalen Kunstmarkt geplatzt war. Solche Millionenerlöse sind aber nur die eine Seite der Medaille. Auch die grossen Auktionshäuser sind auf das mittlere Preissegment angewiesen. Dass etwa bei Sotheby’s 80 Prozent der versteigerten Objekte weniger als 5000 Dollar kosten, weiss in der breiten Öffentlichkeit kaum jemand.

«Qualität hat doch nichts mit Nullen zu tun», echauffiert sich Aurel Bacs, bei Sotheby’s Europa für den Uhrenbereich verantwortlich. Da komme es doch auf die Authentizität und Sammelwürdigkeit eines Stückes an. So ist denn auch ein tieferes Preissegment in seinen Augen kein Prestigeverlust für das Auktionshaus, solange Qualität und Service stimmten. Vielmehr lasse sich in diesem Sektor ebenfalls Umsatz generieren – und das offensichtlich nicht zu knapp.

Wie anders ist es zu erklären, dass auch etablierte, weltweit renommierte Auktionshäuser jetzt verstärkt aufs Internet setzen und damit neben dem traditionellen Geschäft die Kundenbasis in einem Niedrigpreissegment zu verbreitern suchen? Dies geschieht allerdings mit unterschiedlichem Elan. So gibt man sich bei Christie’s betont zurückhaltend. Hier konnten Interessierte erstmals online als Augenzeugen dabei sein, als in New York der persönliche Nachlass von Marilyn Monroe unter den Hammer kam und das legendäre Kleid, das sie 1962 an der Geburtstagsfeier John F. Kennedys getragen hatte, für umgerechnet stolze 1,9 Millionen Franken an zwei New Yorker Memorabilienhändler ging. Im Jahr 2000 will man die Internetaktivitäten erweitern, so mit der hauseigenen Plattform namens Lots On Line. «Damit haben potenzielle Kunden die Möglichkeit, ein Objekt am Bildschirm zu betrachten und via Internet mit unserem Haus zu kommunizieren, wenn sie sich über den Zustand eines Objekts erkundigen wollen», erläutert François Curiel, Chairman von Christie’s Europa, gegenüber bilanz. Zudem könnten die Kunden online Gebote abgeben und um telefonischen Rückruf während einer Auktion bitten. Momentan sieht er im Internet kein Vehikel, richtige Auktionen durchzuführen, aber eine Möglichkeit, durch bessere Kommunikation zwischen Käufer und Verkäufer den Umsatz zu erhöhen.

Die Preisspanne für Objekte im Internet sieht Curiel für sein Haus derzeit bei 500 bis 5000 Dollar, «und nicht darüber», wie er betont. Teurere Bilder oder Möbel werde man nicht online anbieten. Zu wichtigen Kunstwerken brauche der Sammler nämlich auch eine emotionelle Beziehung. Und diese ist via Internet kaum herzustellen. Christie’s-Europa-Chef sieht in dem neuen Medium allenfalls eine Ergänzung der traditionellen Auktionen. Für gewisse Stücke aus dem Uhren- oder Schmuckbereich etwa könne das Internet aber eine gute Angebotsplattform sein.
Ähnlich sieht man das zwar auch bei Sotheby’s, hat aber spitzere Pfeile im Köcher. Ab kommendem Frühjahr will dieses Welthaus mit zwei Internetplattformen auftreten (siehe «Sotheby’s im Internet auf Draht» unten). Einerseits wird Händlern eine eher im mittleren und oberen Preissegment liegende Marktfläche geboten, wo Sotheby’s gegen Provision als Vermittler zwischen Verkäufer und Käufer agiert, aber gleichwohl für eventuelle Unregelmässigkeiten geradesteht. In Zusammenarbeit mit dem Internetschwergewicht Amazon bietet Sotheby’s andererseits einen Verkaufsplatz im unteren Marktsegment. Gefestigt wurde dieses Joint Venture durch eine 1,7-prozentige Beteiligung von Amazon an Sotheby’s.

Bei Amazon spielen sich die Versteigerungen so ab: Einige Tage vor Auktionsbeginn werden die Objekte mit Abbildung und Expertenschätzung auf der Website vorgestellt. Die Auktionen selbst laufen meist mehrere Tage. Bis zu einem bestimmten Zeitpunkt können Gebote gemacht werden. Auf dem Bildschirm ist jeweils das aktuelle Höchstgebot zu sehen. Zur Abgabe eines höheren Gebots genügen wenige Mausklicks. Wer mit dem Schluss der Auktion den Zuschlag erhält, wird per E-Mail oder telefonisch benachrichtigt.

Der Nutzen für Sotheby’s liegt auf der Hand, bekommt das Auktionshaus doch Zugang zu Millionen von Amazon-Besuchern. Auf Internetauktionen ist heute praktisch alles zu finden, auch viel Krempel. Kunst macht bislang nur einen Bruchteil in dieser Branche aus, deren Umsatz die Marktforschungsfirma Forrester Research für 1999 auf 2,3 Milliarden Dollar schätzt. Das kann sich bald einmal ändern. Denn auch eBay, der mit 5,8 Millionen registrierten Mitgliedern grösste digitale Flohmarkt, mischt im Kunstgeschäft mit. So hat eBay-Chef Pierre Omydiar vor wenigen Monaten für 260 Millionen Dollar das kalifornische Auktionshaus Butterfield & Butterfield übernommen. Das drittgrösste amerikanische und weltweit auf dem vierten Platz rangierende Kunstauktionshaus gehört zu den alteingesessenen Firmen, die mit solider Mittelware nicht nur die Kunstklientel der Westküste bedienen.

Nicht genug damit, bereits soll eBay auch Interesse am 1796 gegründeten britischen Haus Phillips angemeldet haben, nach Christie’s und Sotheby’s der weltweit drittgrösste Auktionator. Dabei könnte Pierre Omydiar allerdings mit Bernard Arnault in Clinch geraten, einem der reichsten Geschäftsleute Frankreichs. Der Chairman des französischen Luxusgüterkonglomerats Louis Vitton Moët Hennessy soll der britischen Venture-Capital-Gesellschaft 3i, die an Phillips 64,5 Prozent hält, nämlich schon ein konkretes Angebot gemacht haben.
Arnault ist dabei, ein Internetimperium aufzubauen. Zu diesem Zweck hat er kürzlich den 500 Millionen Euro schweren Fonds Europ@web initiiert, um Teile seines Privatvermögens in diesem Sektor zu investieren. Arnault ist auch einer der grössten Investoren bei der europäischen Internetauktionsfirma QXL, deren Aktien vor ein paar Wochen an der Londoner Börse und der amerikanischen Nasdaq eingeführt worden sind. Ein Engagement bei Phillips könnte dieses Haus ebenfalls auf die Online-Schiene bringen.

Ins Geschäft kommen wollte eBay auch mit der Zürcher Galerie Koller, die ebenfalls regelmässig viel beachtete Auktionen durchführt. «Da sollten wir uns auf deren Internetplattform zusammen mit anderen Auktionshäusern im oberen Preissegment engagieren», berichtet Cyril Koller. Das habe man sich ein halbes Jahr lang hin und her überlegt und eBay dann abschlägig beschieden. Zusammen mit der Gruppe International Auctioneers – zu den Partnern in Paris, Wien, Mailand, San Francisco, New York und Sydney kommen jetzt noch zwei aus Deutschland und Skandinavien hinzu – wird Koller ab Frühjahr kommenden Jahres die Auktionskataloge ins Internet stellen. «Sucht dann jemand etwa tibetanische Bronzefiguren, findet er mit einem Mausklick das Angebot aus all diesen Katalogen», erläutert Koller. «Jedes dieser Auktionshäuser verkauft fast 20 000 Objekte im Jahr», erklärt er und zeigt damit auf, welche Flut von Material da auf Interessierte zukommt.

Und deren Kreis soll nach dem Willen der Branche erheblich grösser werden. Mit dem Internet lassen sich nämlich ganz neue Käuferschichten erschliessen. Einmal am Online-Kunstmarkt auf den Geschmack gekommen, findet dann sicher der eine oder andere auch den Weg zu ein klassischen Auktion, um auch einmal diese Atmosphäre zu geniessen.

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