Diese Aktien haben die grössten Chancen aufs Comeback

Das Leben ist ungerecht, aber denke daran: nicht immer zu deinen Ungunsten. So soll John F. Kennedy gesagt haben. Auch an der Börse können sich Menschen das ermutigende Bonmot des früheren US-Präsidenten zu Herzen nehmen. Denn mit Beginn des neuen Jahres werden die Karten an den Märkten neu gemischt. Wer also die Verlierer-Aktien von 2020 im Depot hat, kann sich trösten und 2021 auf bessere Zeiten (und ausgleichende Gerechtigkeit) hoffen. Und wer jetzt nach neuen Investmentideen Ausschau hält, kann aus der Hoffnung sogar eine Strategie machen. An der Wall Street machen sich Investoren die Erkenntnis aus dem Kennedy-Bonmot schon lange zunutze: Dort leitet sich daraus eine fast schon legendäre Börsenregel ab, die den schönen Namen «Dogs of the Dow» trägt. Wer sich an diese Strategie hält, kauft am Anfang des Jahres die Nachzügler oder eben «dogs» des Vorjahres, also jene Titel, die in den zurückliegenden zwölf Monaten auffällig weit hinter dem Leitindex zurückgeblieben sind. In der Vergangenheit identifizierten Investoren die «Dogs of the Dow» an ihren hohen Dividendenrenditen, doch das Prinzip weist darüber hinaus. Unter den Nachzüglern befinden sich Traditionsunternehmen mit langer Historie und viel Substanz. Verbindung von zwei Paradigmen Im Kern verbindet die Strategie zwei Anlage-Paradigmen: das antizyklische Investieren und den Value-Ansatz. Sie funktionierte nicht immer, aber wenn sie funktionierte, gab es meist eine hübsche Überrendite. In einem Aktienmarkt wie derzeit, der als relativ hoch bewertet gilt, kann sich die Schnäppchenjagd zum Jahresanfang besonders lohnen. Value-Anleger analysieren den «inneren Wert» (value) von Unternehmen und steigen nur dann ein, wenn der Kurs (price) unter dem inneren Wert liegt. Daraus ergeben sich langfristig Chancen, denn irgendwann wird sich der Preis dem Value annähern, so lautet zumindest die Lehre. Nicht selten geht die Suche nach dem inneren Wert einher mit einem antizyklischen Investmentansatz. Antizykliker schwimmen bewusst gegen den Strom. Sie meiden Aktien, die gerade von allen gemocht werden und genau deshalb überteuert sind. Sie halten sie viel mehr an die unbeliebten, weil sie hier Aufholpotenzial vermuten. Genauer Blick auf Verlierer werfen «Es kann sich durchaus lohnen, einen genaueren Blick auf die letztjährigen Verlierer zu werfen», sagt Markus Schultes von der Vermögensverwaltung Unikat Finanz. Das gelte für den deutschen Aktienmarkt ebenso wie für den amerikanischen. Anleger sollten sich jedoch zuerst einmal klarmachen, warum die Unternehmen im vergangenen Jahr an der Börse so schlecht abgeschnitten haben. «Gab es konzerninterne Probleme oder lag es an der allgemeinen wirtschaftlichen Entwicklung?», gibt Schultes zu bedenken. Anleger müssten herausfinden, ob die Gründe für das Hinterherhinken von Dauer sind, oder verursacht durch Sonderfaktoren und Einmal-Effekte. Ist Letzteres der Fall, hat die Firma das Zeug zu einem Turnaround-Kandidaten. «Oftmals schliessen Unternehmen wenig erfolgreiche Jahre mit längst überfälligen Abschreibungen ab. Damit wird die Bilanz bereinigt.» So seien vergangene Fehlschläge häufig im Aktienkurs eingepreist, und der Grundstein für eine Erholung könnte gelegt sein. Ebbe und Flut an der Börse An der Börse gibt es so etwas wie Ebbe und Flut. Daran erinnert Nicolas Pilz von der Societas Vermögensverwaltung. «Die Verlierer des Vorjahres müssen nicht zwangsweise die Gewinner im nächsten Jahr sein.» Dennoch lohne sich ein genauer Blick auf die betroffenen Branchen. «Im Zuge der erwarteten Konjunkturerholung 2021 wird es zyklische Aktien geben, die ein gewisses Nachholpotenzial haben und derzeit noch recht günstig bewertet sind», sagt Nicolas Pilz von der Societas Vermögensverwaltung. Dazu zählen Unternehmen, die unter den Lockdowns und sonstigen Beschränkungen litten und leiden, deren Geschäft sich aber erholen dürfte, wenn wieder mehr Normalität in den Alltag zurückgekehrt. Ein «Underdog» des vergangenen Jahres ist zum Beispiel der Kreuzfahrtanbieter Carnival, ein anderer der Reisekonzern TUI. Beide Unternehmen haben 2020 an der Börse mehr als 50 Prozent ihres Wertes verloren und finden sich damit unweigerlich ganz oben auf den Verliererlisten wieder. Den aktuellen Schätzungen zufolge soll Carnival dieses Jahr ebenso wie 2020 einen Verlust machen, ab 2022 aber wieder profitabel arbeiten. Die TUI hat gerade Staatshilfe in Anspruch nehmen müssen, sieht sich aber auf dem Weg der Besserung. Wer damit rechnet, dass die Menschen wieder Reisen buchen und auch in See stechen, kann sich die beiden Werte näher anschauen. Auch das Flugkonglomerat International Consolidated Airline, kurz IAG, in denen die Aktivitäten der früheren nationalen Carrier British Airlines, Iberia und Aer Lingus gebündelt sind, wäre ein klassischer Profiteur, sobald sich das Leben normalisiert – und damit auch das Reiseverhalten. Ein Risiko ist, dass die Verbraucher zwar wieder mehr Urlaub machen wollen, aber das Business mit Geschäftsreisen nicht im vorigen Mass zurückkehrt. Nicht nur bei Airlines hat die Pandemie zugeschlagen, auch die Flugzeugbauer und ihre Zulieferer trifft sie hart. Es kommt nicht von ungefähr, dass Boeing 2020 den grössten Verlierer im Dow stellt, wobei hier firmeneigene Probleme hinzukamen. In Deutschland gehört MTU Aero Engines zu den «Dogs of the Dax», und in England war der Wettbewerber Rolls-Royce eine der am meisten geschmähten Aktien. Wer die Luftfahrtbranche an gute alte Zeiten anknüpfen sieht, kann sich hier einen Nachzügler aussuchen und auf einen Kursaufschwung hoffen, wenn die Pandemie 2021 – dank der Impfung – endgültig für beendet erklärt wird. Für Ölkonzerne kam es 2020 ebenfalls dicke, und zwar nicht nur wegen der Corona-Rezession. Die Branche musste einen Doppelschlag hinnehmen. Der Preis für Brent oder WTI rutschte zeitweise sogar in negatives Terrain. Gleichzeitig trennten sich Investoren von Unternehmen, die ihr Geschäft mit fossilen Energieträgern machen. Wer keine Berührungsängste hat und nach der Corona-Krise auf «goldene» Zwanzigerjahre hofft, kann hier einige potenzielle Schnäppchen finden. Jahrzehnte alte Konzerne wie BP oder Royal Dutch Shell notieren weit unter ihren historischen Rekorden. Zwischenzeitlich war BP sogar auf den tiefsten Stand seit 1995 gestürzt. Allein schon aus konjunkturellen Gründen dürfte der Brennstoff Öl in der Post-Corona-Welt wieder stärker gefragt sein. Zudem versuchen sich die Konzerne neu zu erfinden. Sie bauen Sparten in „blauem Wasserstoff“ auf, der als klimaneutraler Treibstoff gilt, oder investieren in erneuerbare Energien. Für antizyklisch denkende Anleger ist Occidental Petroleum einen Blick wert, die in der 2020er-Hundeliste des MSCI Welt ganz oben steht. Die Aktie wird sogar von den notorisch optimistischen Analysten mehrheitlich zum Verkauf empfohlen. Doch selbst im Gesundheitssektor finden sich Unternehmen, die von der Erholung kaum profizieren konnten. Dazu gehört die deutsche Fresenius, 2020 einer der grössten Verlierern im Dax. Dabei hielten sich die Auswirkungen der Pandemie auf die Erträge in Grenzen. Für 2021 trauen Analysten der Firma nur acht Prozent weniger Gewinn zu als vor zwölf Monaten. Die Titel notieren auf dem gleichen Niveau wie 2014, obwohl das Unternehmen die Dividende seither jedes Jahr angehoben hat. Längst nicht nur Firmen der alten Ökonomie finden sich unter den Dogs. Mit Cisco Systems, Intel und IBM sind auch drei renommierte Tech-Namen auf der Liste, obwohl Big Tech zu den Gewinnern im vergangenen Jahr zählte. Doch Anleger trauen diesen Unternehmen nicht zu, am allgemeinen Tech-Boom zu partizipieren. Für antizyklisch denkende Anleger bieten sich Chancen, sollte es vielleicht doch gelingen, das Ruder herumzureissen. «Entscheidend sind die Gründe, weshalb die Titel zuletzt schwächelten» «Entscheidend sind die Gründe, weshalb die Titel zuletzt schwächelten», sagt Johannes Kienzler, Portfoliomanager bei Eberhardt & Cie. «Es ist wesentlicher Bestandteil unseres Auswahlprozesses die Kurspotenziale der einzelnen Aktien zu analysieren. Hierbei ist aber weniger die Kursentwicklung der Vergangenheit entscheidend, sondern vielmehr das Geschäftsmodell sowie die Ertragsaussichten für die jeweilige Branche und das einzelne Unternehmen.» Jeder Anleger solle sich fragen, welches Potenzial die jeweilige Aktie noch besitzt. «Dabei sollte der Blick nicht ausschliesslich auf dem bisherigen Kursverlauf der Aktie liegen, sondern vielmehr auf dem Umsatz- und Ertragspotenzial der kommenden Monate und Jahre», sagt Kienzler. Auch Frank Wieser von PMP Vermögensmanagement in Düsseldorf ist kein Freund einer allzu mechanistischen Vorgehensweise. «Auf Nachzügler zu setzen war in der Vergangenheit oft ein gutes Investment – allerdings ist es fraglich, ob das auch in der derzeitigen Phase gilt», merkt Frank Wieser an. Er rät Anlegern, sich nicht blind auf abgehängte Titel zu stürzen, sondern vielmehr Prinzipien hochzuhalten und Themen zu spielen. «Man kann zum Beispiel auf eine Art ‚Konsumrallye‘ setzen, die eintritt, wenn das Leben wieder halbwegs normal verläuft.» Verbraucher dürften sich dann wieder an größere Ausgaben und teurere Reisen herantrauen und entsprechend Geld ausgeben. Das Pendel schwingt zurück, wie Kennedy es vorhersagte. Dieser Artikel erschien zuerst im Bezahlangebot der «Welt» unter dem Titel: Unverschuldet abgestraft – diese Aktien besitzen die größten Comeback-Chancen

Diese Aktien haben die grössten Chancen aufs Comeback

Diese Verlierer-Aktien haben die grössten Chancen auf ein Comeback