08.00 UHR Still ist es frühmorgens im Grossraumbüro der Julius Bär Asset Management in Zürich. Die Fondsmanager informieren sich an ihren Flachbildschirmen über das Geschehen an den Börsen in den USA und in Asien. Und wenig später brüten sie über den wichtigsten internationalen Finanzzeitungen. Dass die Zeitung von heute schon am Mittag Makulatur ist, merkt man am makellos aufgeräumten, fast papierlosen Büro. «Die wichtigsten Informationen holen wir nicht aus den Medien, sondern im Gespräch mit Profis», sagt denn auch Lorenz Reinhard, der den Small- und Midcap-Fonds der Julius Bär Asset Management betreut. Eine erste Gelegenheit dazu bietet sich um halb neun, wenn sich sämtliche Fondsmanager und Analysten der Teams in der Mitte des grossen Büros zum allmorgendlichen Informationsaustausch treffen. Die generelle Lage an den Weltbörsen wird ebenso thematisiert wie gescheite oder originelle Empfehlungen von Brokern. Gleichzeitig rapportieren die Fondsmanager über die wichtigsten Strategieänderungen. Und die interessieren Reinhard ganz besonders. Er steht in engem Kontakt zu seinen Kollegen. Obwohl Reinhard explizit nur Schweizer Nebenwerte kauft, ist der Austausch mit Fondsmanagern, die in ähnliche Branchen in anderen Ländern investieren, wichtig. «Nur so gelingt es mir, vernünftige Bewertungsvergleiche anzustellen und die wichtigen Trends aus anderen Ländern rechtzeitig zu erkennen.»

10.00 UHR Wichtige Informanten sind auch die Broker. Reinhard steht täglich mehrmals mit ihnen in Kontakt und schätzt ihre Lageanalysen und Empfehlungen zu Branchen und Gesellschaften, die in seinem Fonds vertreten sind. Doch im Nebenwertebereich werden viele Titel nicht genügend ausgeleuchtet. Deshalb gilt für Reinhard auch die Devise: «Kein Kauf ohne Besuch der Firma und engen Kontakt zum Management.» Nur so könne er den Puls des Unternehmens wirklich fühlen, meint Reinhard, der zwischen 30 und 40 Titel im Fonds hält. Der Fondsmanager setzt konsequent auf wachstumsorientierte Firmen mit klaren Kernkompetenzen und einem eindeutig formulierten Anspruch auf die Marktführerschaft in ihrem Gebiet. Gleichzeitig legt er Wert auf hohe Cashflow-Raten, die den Unternehmen weitestgehend selbst finanziertes Wachstum erlauben. Dem längerfristigen Leistungsausweis des Managements misst er entscheidende Bedeutung zu. Keine einfache Sache bei all den jungen Firmen, die derzeit an die Börse drängen.

«Als Portfoliomanager kann ich mir genügend Zeit nehmen, diese Börsenneulinge zu analysieren, mit dem Management zu diskutieren, Kunden und Konkurrenten zu befragen und mich bei Brokern zu erkundigen», entschärft Reinhard die Schwierigkeit. Gewisse Börsenneulinge beobachtet er denn auch mit einer gehörigen Portion Skepsis. Doch damit das eindrückliche Wachstum des Fonds – das Fondsvermögen ist in wenigen Monaten von 250 auf über 460 Millionen Franken angewachsen – weiter aufrechterhalten werden kann, braucht es frisches Blut an der Schweizer Börse.

Für die Beurteilung der Aktionärsfreundlichkeit eines Managements hat sich Reinhard einige einfach nachvollziehbare Kriterien zurechtgelegt: Kommunikationsstärke, Entgegenkommen bei der Terminfestlegung, die richtigen Kontaktpersonen und natürlich die Transparenz. «Ist eines dieser Kriterien nicht erfüllt, investiere ich nicht», sagt er dezidiert.

11.00 UHR Das Telefon klingelt inzwischen fast pausenlos. Der Medizinaltechnikanalyst der Credit Suisse First Boston ist für Reinhard ein wichtiger Gesprächspartner, denn die Medizinaltechnikfirmen Disetronic, Synthes-Stratec und Straumann sind in seinem Fonds stark vertreten. Mit ihm geht er ab und zu zum gemeinsamen Interview des Managements. «Diese Kooperation kann sehr wertvoll sein, wenn der Analyst auf einem ähnlichen Wissensstand ist», sagt Reinhard, der bedauert, dass das Personenkarussell bei vielen grossen Brokern heute oft allzu schnell dreht. Doch fürs Philosophieren bleibt wenig Zeit. Die Assistentin drängt. Für den Lunch mit einem Pensionskassenmanager muss die Folienpräsentation des Fonds noch auf den neusten Stand gebracht werden.

12.15 UHR Einige wichtige Anleger sind Pensionskassen, die ihren Nebenwertanteil Schweiz mit Reinhards Fonds abdecken. Sie hält er über die wichtigen Entwicklungen im Fonds auf dem Laufenden. Und jetzt erklärt er einem von ihnen beim Mittagessen, weshalb Nebenwerte seiner Ansicht nach auch in den nächsten zwei bis drei Jahren weiterhin die Bluechips schlagen könnten. Der Pensionskassenmanager ist von der Renaissance der kleinen und mittleren Unternehmen begeistert, doch direkt möchte er nicht in solche Titel investieren. Zu gross sei das Risiko von Flops, wenn man sich nicht auskenne, meint er.

14.15 UHR Einen Manager, von dem viele glaubten, sein Unternehmen werde zu einem ebensolchen Flop, kommt am Nachmittag in Reinhards Büro vorbei. Der Fondsmanager holt im Archiv die Unterlagen des Börsenstars Distefora und bereitet sich auf die Sitzung mit dem Management vor. Mit einer Performance von rund 1600 Prozent war der Informationsdienstleister mit dem Aktienmantel der ehemaligen Interdiscount der Renner am Schweizer Aktienmarkt. Lorenz Reinhard hat von dieser Kurssteigerung natürlich auch profitiert. An Distefora halten die Fonds der Julius-Bär-Gruppe rund fünf Prozent.

15.30 UHR Mehrheitsaktionär Alexander Falk kommt direkt aus Hamburg. Überzeugend erläutert der knapp über dreissigjährige Spross der bekannten deutschen Verlegerfamilie seine Strategie. Klares Ziel: Nummer eins im europäischen Business-to-Business-Internet-Providing. Das bislang noch auf vier verschiedenen Geschäftspfeilern stehende Unternehmen soll dereinst dank neuen Technologien ganz zusammenwachsen. Reinhard weiss, dass viele seiner Kollegen diese Vision als Spinnerei abtun. Und auch, dass solche Kurssprünge die Erwartungen der Investoren und die Bewertung der Aktien ins Unermessliche steigen lassen. Doch Reinhard sieht keinen Grund zur Panik. «Ich werde genau weiterverfolgen, was Falk mit dem Unternehmen macht.» Und während Falk nach eingehender Diskussion in die wohlverdienten Kurzferien abreist, macht sich Lorenz Reinhard an seinem Bildschirm über die jüngsten Entwicklungen an den Märkten kundig. In einem Fall muss er auf Grund massiver Kursbewegungen die Auftragslimite ändern.

17.45 UHR Nach Börsenschluss überprüft Reinhard die Börsenausführungen. Nur rund zehn Prozent des Fonds dreht er in einem Jahr. «Ich fahre eine klare Kaufen-Halten-Strategie», sagt der Fondsmanager. Nach kurzer Diskussion mit seinen Kollegen verabschiedet sich der dreifache Familienvater – mit schwerer Mappe. Morgen steht ein Firmenbesuch im Bernbiet an. Und dieser will noch vorbereitet sein.
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