«Clariant ist vielversprechend ins neue Jahr gestartet», kommentierte CEO Hariolf Kottmann (58) die Zahlen fürs erste Quartal. Zwei Prozent weniger Umsatz und ein Verlust von 39 Millionen Franken – was ist daran vielversprechend? Doch Kottmanns Einschätzung stimmt. Erstens wäre der Umsatz in Lokalwährungen um fünf Prozent gestiegen. Zweitens führte eine Wertberichtigung zu roten Zahlen. Drittens beendet der Basler Spezialchemiekonzern einen radikalen, Jahre dauernden Umbau. Dabei wurden fünf Bereiche abgestossen, im Gegenzug der Konkurrent Süd-Chemie für 2,5 Milliarden übernommen.

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Kottmann rechnet zwar für 2014 mit einem schwierigen Umfeld. Mittelfristig aber hellen sich die Aussichten auf. Das Kostensenkungsprogramm, die Konzentration auf renditestärkere und wachstumskräftigere Aktivitäten sowie die Marktführerschaft bei diversen Spezialitäten zahlen sich zunehmend aus. Der Clariant-Chef stellt für 2015 und darüber hinaus Ebit-Margen (vor Einmaleffekten) von 16 bis 19 Prozent in Aussicht.

Seit gut einem Jahr legen die Aktien kräftig zu. Dennoch sind sie nicht überbewertet; das geschätzte Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) stellt sich für dieses Jahr auf 14,1 und für 2015 auf 12,0. Auch bei der Dividende erwarte ich über die nächsten Jahre kräftige Erhöhungen. Die Clariant-Papiere sind attraktiv, benötigen aber etwas Geduld.

Ausgezwitschert

Dem Aktiencrash von Twitter räumen die Finanzpostillen viel Raum ein. Dabei war der Absturz vorauszusehen. Obwohl schon der Emmissionspreis beim IPO im letzten November überrissen war, explodierte der Kurs. Seit Anfang Jahr ist es mit dem Höhenflug vorbei, die Valoren verloren weit über die Hälfte an Wert, 24 Milliarden Dollar an Börsenkapitalisierung sind verpufft. Die Gelackmeierten sind die Privatanleger; in erster Linie haben diese sich von der Euphorie um die Mikroblogging-Plattform anstecken lassen und zu Mondpreisen gekauft.

Twitters Geschäftsgang lässt nicht erwarten, dass sich der Druck auf die Aktien bald abschwächt. Im letzten Quartal hat sich zwar der Umsatz auf 251 Millionen Dollar verdoppelt, doch der Verlust stieg um das Fünffache auf 132 Millionen. Was mich am meisten zur Vorsicht gemahnt: Kaum lief jüngst die Lock-up-Periode ab, sind Frühaktionäre und Insider in Massen ausgestiegen. Dies lässt nichts Gutes erahnen – auch wenn Konzernchef Dick Costolo (50) und weitere Top-Manager versichern, ihre Aktien halten zu wollen.

Dammbruch

Lange Zeit hielten sich die an der Stuttgarter Börse gehandelten United Commodity, kurz UC, im Bereich von 20 Euro. Was zu erstaunen vermag. Denn aus dem Zürcher Hauptsitz des Unternehmens ist wenig Positives zu vernehmen. Die Kleinfirma, die angeblich gewinnträchtig aus Minenschutt Silber und Gold waschen kann, musste für das vergangene Jahr einen Verlust von 2,3 Millionen Franken melden. Dagegen hat UC-Chef Reto Hartmann (56), einst Chef der Handelsgruppe Valora, vor Jahresfrist gegenüber BILANZ für 2013 einen Gewinn in Aussicht gestellt.

Dass sich die Aktien trotz schlechten Zahlen lange auf hohem Kursniveau halten konnten, ist auf ein sonderbares System zurückzuführen. Wer als UC-Aktionär aussteigen will, kann seine Titel auch über die Firma verkaufen. Diese platziert anschliessend die Papiere weiter – mit zehn Prozent Rabatt, dafür einer Sperrfrist für den Verkauf. Für reibungslosen Absatz sorgen zwei Dutzend Telefonverkäufer im eigenen Haus. Alleine 2013 haben sie für 5,5 Millionen Franken UC-Titel losgeschlagen, im Jahr davor waren es 6,6 Millionen.

Doch steigt der Verkaufsdruck, kann UC die Kursbewegungen an der Börse halt doch nicht mehr kontrollieren. In den letzten Monaten jedenfalls stürzten die Valoren an drei Handelstagen kurzfristig ab. So brachen die Aktien Anfang Mai unter hohem Volumen um gegen 50 Prozent ein, erholten sich aber auf mysteriöse Weise wieder um 60 Prozent – und dies an einem einzigen Tag! Die Frage, ob UC die Kurse stütze, wollte Hartmann aus Zeitgründen nicht beantworten. Was verständlich ist; schliesslich hat er ein KMU mit einigen Dutzend Mitarbeitern zu leiten.

Bitte anschnallen

«Leere Tanks», so hat BILANZ vor Jahresfrist einen Artikel über die Finanznöte von Air Berlin überschrieben. Inzwischen hat sich die Liquiditätssituation noch verschärft, die zweitgrösste deutsche Fluggesellschaft kämpft darum, nicht endgültig abzustürzen. Im vergangenen Geschäftsjahr ist ein Verlust von 316 Millionen Euro angefallen, in der Bilanz musste ein negatives Eigenkapital von 182 Millionen ausgewiesen werden. Kurz vor dem Abschmieren der Air Berlin ist, wie schon einmal, die Etihad Airways aus dem Emirat Abu Dhabi eingesprungen. Der Aktionär will 300 Millionen Euro einschiessen. Weitere 150 Millionen versucht Air Berlin über eine Anleihe hereinzuholen.

Chefpilot Wolfgang Prock-Schauer (57) will die Verschnaufpause nutzen, um das Geschäftsmodell des Billigfliegers grundlegend umzubauen. Weshalb hat er erst jetzt gemerkt, dass die jahrelang verfolgte Strategie nicht hinhaut? Als fast schon absurd empfinde ich die Bemerkung des Airlinechefs, wonach «diese Neustrukturierung auf Effizienz fokussiert sein wird». Stand Effizienz bisher denn nicht im Fokus? Die Börsianer jedenfalls scheinen der Unternehmensleitung nicht mehr allzu viel zuzutrauen. Die Aktien haben innert weniger Tage nochmals ein Drittel an Wert eingebüsst. Aktuell notieren die Valoren bei 1.60 Euro, vor einigen Jahren lag der Kurs zwölfmal höher. Wer trotzdem auf den Turnaround bei Air Berlin setzt, muss sich anschnallen.

Frank Goldfinger ist der anonyme Börsenspezialist der BILANZ. Schreiben Sie ihm an: bahnhofstrasse@bilanz.ch