Der Japaner klönt nie – na ja, zumindest nicht gegenüber Fremden. Im Sommer war ich in Japan. Und diesmal war es anders: Bei Freunden im Süden und in Tokio hat die einstige Begeisterung über den starken Yen, dank dem Auslandferien oder Shopping in Seoul und Hongkong spürbar billiger wurden, in Beklommenheit umgeschlagen. Auch die Freude an den seit Jahren stetig sinkenden Preisen ist verflogen. Denn nun ist auch dem letzten Salaryman, wie Angestellte genannt werden, klar geworden: Der Höhenflug des Yen dämpft die Exporte, die Deflation schmälert die Firmengewinne, und beides drückt die Löhne nach unten.

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Seit 20 Jahren stagniert Nippons Wirtschaft. Dabei hat die Regierung alles unternommen, um die Konjunktur wieder in Schwung zu bringen. Mit Billionen von Yen aufgezogene Finanzspritzen haben nur den Schuldenberg anwachsen lassen, die seit einer Dekade verfolgte Beinahe-Nullzinspolitik der Notenbank ist praktisch wirkungslos verpufft. Die Auswirkungen auf den Aktienmarkt sind desaströs; abgesehen von kurzen Perioden des Aufschwungs befindet sich die Börse von Tokio, auch Kabuto-cho genannt, seit langem auf Talfahrt. Der Nikkei 225 erreichte im Dezember 1989 den Rekord von 38 916 Punkten. Aktuell steht der Index bei etwas über 9000 Punkten. Innerhalb von 21 Jahren sind nicht weniger als 77 Prozent des Gesamtwerts verdampft.

Damit die Wirtschaft nachhaltig gesunden kann, muss die längst überholte Struktur der Japan AG umgekrempelt werden. Doch das politische System ist verkrustet, mächtige Männer im Hintergrund ziehen die Fäden. Alleine in den letzten vier Jahren haben sich vier Regierungschefs die Klinke in die Hand gegeben. Der Neuste, Naoto Kan, tanzt aus der Reihe seiner Vorgänger. Der 63-Jährige, der so gar nicht wie ein Japaner auftritt, hat mit seiner ungewöhnlichen Art im Kaiserreich Hoffnungen auf einen Aufbruch geweckt. «Ich will Japan von Grund auf erneuern», hat Kan versprochen. Ich bin skeptisch. Vorderhand sind japanische Aktien, von Ausnahmesituationen abgesehen, nicht interessant.

Gesundgeschrumpft. 20 Prozent mehr Umsatz, dazu ein gut dreifach höheres Ebit; Ascom hat im ersten Halbjahr 2010 endgültig bewiesen, dass neue, sprich: ertragsstärkere Tage angebrochen sind. Dem Aktionär wird sogar wieder eine Dividende in Aussicht gestellt. Börse und Wirtschaftspresse spenden Beifall. Ob all dem Jubel geht vergessen, dass Ascom für ihre Gesundung einen hohen Preis bezahlt hat. Das Berner Unternehmen war einst ein stolzer Konzern mit mehr als drei Milliarden Franken Umsatz und gegen 20  000 Beschäftigten. 20 Jahre Missmanagement und Aktionärsgier allerdings haben die Technologiegruppe zu einem bloss etwas grösseren KMU schrumpfen lassen. Der seit drei Jahren als CEO amtierende Riet Cadonau hat das schlingernde Berner Unternehmen stabilisiert, und auch die Aussichten sind wieder besser. Mit einem für dieses Jahr geschätzten Kurs-Gewinn-Verhältnis von elf sind die Aktien eine nähere Betrachtung wert.

Eigentor. «Auf Ihren Rat hin habe ich HP im Mai 2008 gekauft. Nun sind die Titel abgestürzt. Was soll ich machen?» Vor zweieinhalb Jahren habe ich die Aktien von Hewlett-Packard zum Kauf empfohlen, weil CEO Mark Hurd damals mit eisernem Besen kehrte; mit einem strikten Kostenprogramm und einer Innovationsoffensive führte er den weltgrössten Computerhersteller wieder auf die Strasse des Erfolgs zurück. Vor wenigen Wochen stolperte derselbe Hurd über eine Sexaffäre; er musste seinen Chefsessel räumen. Der Aktienkurs schmierte ab, zehn Milliarden Dollar an Börsenkapitalisierung gingen verloren. Eine firmeninterne Untersuchung ergab, dass diese Vorwürfe aus der Luft gegriffen sind – Hurd musste trotzdem draussen bleiben. Eine verworrene Geschichte, zumal der Geschasste vom HP-Verwaltungsrat eine Abfindung von 35 Millionen Dollar kassierte.

Nun unternimmt das interimistisch von Cathie Lesjak geführte Management alles Mögliche, um die Gunst der Investoren zurückzugewinnen. So wurde jüngst ein riesiges Rückkaufsprogramm angekündigt; für bis zu zehn Milliarden sollen eigene Aktien zurückgekauft werden. Bislang zeigen die Börsianer den Computeraktien unverändert die kalte Schulter. Doch das wird sich wohl spätestens dann ändern, wenn ein neuer CEO präsentiert wird, der nicht nur Kosten trimmen kann, sondern auch für frische Innovationskraft steht. Die Kursrückschläge sind eine Kaufgelegenheit für langfristig orientierte Anleger; die Bank Sarasin schätzt das Kurs-Gewinn-Verhältnis für dieses Jahr auf 8,6 und für 2011 auf 7,7.

Fest gemauert. Mut hat er ja, Anton Affentranger. Als der Hedge Fund Laxey die Hand nach Implenia ausstreckte, setzte er als Präsident und CEO alles daran, die Briten aus dem Spiel zu drängen. Hätte Affentranger den Kampf verloren, so wären seine Tage beim führenden Baukonzern gezählt gewesen. Doch der Implenia-Chef siegte auf der ganzen Linie, Laxey zog sich zurück und verkaufte ihr Mehrheitspaket.

Anton Affentranger war noch nie ein Mann der Diplomatie und der leisen Töne. Was sich nicht immer zum Wohle des Baudienstleisters auswirkt; in den letzten zwei Jahren haben mehrere Top-Manager den Hut genommen, weil Affentranger seine Muskeln zu sehr hat spielen lassen, wie mir ein Finanzanalyst erzählte. Nun muss er seine Macht teilen. Anfang September übergab Affentranger die operative Leitung dem einstigen ABB-Mann Hanspeter Fässler.

Trotz des Machtwechsels liess es sich Affentranger nicht nehmen, die Resultate für das erste Halbjahr 2010 selbst zu präsentieren. Und die sind sehr gut ausgefallen: Der Umsatz stieg zwar nur minim an, dafür hat sich der Reingewinn verdoppelt. Auch die Zukunft sieht erfreulich aus. Die Auftragsbücher sind voll, und der Bereich Projektentwicklung konnte jüngst verstärkt werden. Implenia erwarb von Sulzer in Winterthur ein Areal von 230  000 Quadratmetern mit acht Entwicklungs- und vier Renditeliegenschaften. Die Aktien, mit einem für dieses Jahr geschätzten Kurs-Gewinn-Verhältnis von 9,5 günstig bewertet, sind attraktiv für risikobewusste Anleger.

Frank Goldfinger ist der anonyme Börsenspezialist der BILANZ.
Schreiben Sie ihm an: bahnhofstrasse@bilanz.ch