Jahrzehntelang galten die USA als Motor der Weltwirtschaft. Doch der Industriestaat steckt selber in einer schweren Krise und bekundet Mühe, diese rasch zu überwinden. Die Rolle der Lokomotive übernimmt nun zunehmend China. Zwar bekommt auch das expansionshungrige Land aus Asien die weltweite Konjunkturabkühlung zu spüren, doch in weit geringerem Ausmass als der Westen. Viel zum starken Wirtschaftswachstum trägt das gut 600 Milliarden Franken schwere Konjunkturpaket der Regierung bei. Dazu kommen eine gute Inlandnachfrage, grosse Haushaltsüberschüsse sowie reichlich Liquidität im Bankensystem. Chinas Wirtschaft dürfte gemäss Einschätzung westlicher Analysten in diesem und im kommenden Jahr um jeweils sieben bis neun Prozent wachsen.

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Ungeachtet der positiven Konjunkturaussichten herrscht an Chinas Börsen wieder einmal der grosse Katzenjammer. Nach dem schweren Absturz 2008 – die Börse Shanghai rauschte um 70 Prozent in die Tiefe – setzten Chinas Aktienmärkte in diesem Jahr zu einer Hausse an: In den ersten sieben Monaten legte der Shanghai Composite Index 80 Prozent zu. Im August krachte es erneut, die Börse stürzte innert kürzester Zeit um 20 Prozent ab, und Tagesverluste von bis zu sieben (!) Prozent sorgten für Panik.

Chinas Aktienmärkte folgen eigenen Gesetzmässigkeiten, Investoren benötigen Nerven aus Stahl. Doch wer als Anleger sein Portfolio international diversifizieren will, kommt an China, ja ganz Asien nicht mehr vorbei. Vermeiden Sie den Kauf einzelner Aktien, gerade solcher chinesischer Provenienz. Halten Sie sich dafür an Regionenfonds; Schweizer Geldhäuser bieten eine reiche Auswahl an. Wer ausschliesslich auf China setzen will, findet auch in diesem Bereich ein breites Angebot an Anlagefonds.

Langweiler. Als Milchverarbeiter spürt Emmi die Rezession kaum. Im ersten Halbjahr hat die Zentralschweizer Firma bei einem minim rückläufigen Umsatz denn auch einen um 23 Prozent höheren Reingewinn eingefahren. Trotz diesem Fortschritt stellt sich die Gewinnmarge auf magere 2,6 Prozent. CEO Urs Riedener macht zweifellos einen guten Job. Was in dieser Branche heisst: Er holt viel heraus in einem gesättigten Markt – doch zu wenig, um attraktive Renditen einzufahren. Die Emmi-Aktien sind zwar ein solides Investment, doch sie zählen zu den Langweilern an der Schweizer Börse.

Heftigste Einbrüche. Seit 30 Jahren bin ich nun Journalist. Doch was sich seit zwölf Monaten im Mediengeschäft abspielt, habe ich bisher noch nie erlebt: Die Inserate in allen Bereichen sind schwer eingebrochen, 176 Millionen Franken an Netto-Anzeigenumsatz gingen verloren, die Erträge der Medienhäuser wurden vollends zerzaust. So meldete jüngst Martin Kall, CEO der Zürcher Tamedia, fürs erste Semester einen um 16 Prozent rückläufigen Umsatz, der Gewinn schmolz um 99 Prozent auf den Pro-forma-Betrag von 0,8 Millionen! Auch die Zuträger von Inseraten leiden. Die Werbevermittlerin PubliGroupe registrierte im ersten Halbjahr einen Umsatzrückgang um mehr als ein Viertel, und der Gewinn von 44 Millionen Franken, der aus derselben Periode des Vorjahres resultierte, kehrte sich 2009 in einen Verlust von 9 Millionen. Wenig berauschend auch der Geschäftsgang bei Edipresse oder der NZZ-Gruppe.

Die Medienhäuser stecken in einer bleiernen Krise. Und wie reagiert die Börse? Gegenüber den Höchstkursen von 2007 stürzten die Tamedia-Titel zeitweise um 80 Prozent ab, PubliGroupe büssten 90 Prozent an Wert ein, und Edipresse tauchten vorübergehend um mehr als 70 Prozent. «Die Medienaktien bleiben Kellerkinder der Börse», habe ich im Dezember 2008 geschrieben – und lag damit falsch. Denn über die letzten Monate legten Edipresse mehr als ein Zehntel an Wert zu, Tamedia kletterten um 60 Prozent, und PubliGroupe haben sich im Kurs sogar mehr als verdoppelt.

Woher diese Kraft kommt, ist mir unerklärlich. Die nähere Zukunft jedenfalls präsentiert sich wenig rosig. Das Tamedia-Management geht davon aus, dass die Werbeumsätze noch bis Ende 2010 rückläufig sein werden. Für meinen Geschmack sind Schweizer Medienaktien mit zu hohen Risiken behaftet.

Blindflug für Anleger. Gerade mal neun Jahre alt, galt Mondobiotech dennoch schon länger als heisser Börsenkandidat. Als die Firma aus Stans NW dann jüngst an die Börse ging, war männiglich überrascht. Denn die Öffnung erfolgte ohne die sonst üblichen Begleitaktivitäten wie Medienkonferenz oder Roadshow. Das Management um CEO Fabio Cavalli verzichtete ebenso auf eine Kapitalerhöhung wie auf die Mithilfe der Banken. Informationen über Mondobiotech wurden erst am Tag des Börsengangs veröffentlicht. Und so wusste eigentlich kaum jemand, was von der Erstnotiz von 290 Franken – übrigens erst fünf Minuten nach Handelsbeginn zustande gekommen – zu halten sei. Die Aktien schossen am ersten Tag auf 395 Franken hoch.

Inzwischen musste der Börsenneuling Federn lassen. Bei einem Kurs von 330 Franken wird das Jungunternehmen mit 2,1 Milliarden Franken bewertet. Eine Kapitalisierung jenseits jedweder ökonomischen Realität. Mondobiotech forscht nicht selbst, sondern sucht im Internet nach Wirkstoffen gegen seltene Krankheiten; vielversprechende Produkte werden patentrechtlich geschützt, auslizenziert oder verkauft. 2008 erzielte die Firma mit 19 Beschäftigten einen Umsatz von knapp 15 Millionen Franken – die Börsenkapitalisierung ist 140-mal so hoch.

Zur sträflich miesen Informationspolitik sowie zu weiteren Ungereimtheiten – das Unternehmen will alle zwei Monate neue Aktien im Wert von fünf bis zehn Millionen Franken emittieren – gesellt sich die heillose Überbewertung. Ich wollte von einem Finanzanalysten wissen, was er von der aktuellen Bewertung halte. Seine Antwort: «Der Witz des Börsenjahres 2009.» Dem bleibt wohl nichts beizufügen, ausser: Hände weg von Mondobiotech!

Frank Goldfinger ist der anonyme Börsenspezialist der BILANZ.
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