BILANZ: Ihre neue Bank trägt Ihren Namen. Wie war die Reaktion seitens Ihrer ehemaligen Partner bei Lombard Odier Darier Hentsch? Schliesslich benutzen Sie eine Marke, die seit über zweihundert Jahren mit jener Bank verbunden ist.

Bénédict Hentsch: Ich habe abgemacht, dass ich den Namen nur mit dem Vornamen zusammen benutze. Auch wenn Banque Bénédict Hentsch nun etwas pompös klingen mag. Es ist nun mal mein Name (lacht).

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Sonst gab es von Lombard Odier Darier Hentsch keinerlei Auflagen?

Wir haben zudem abgemacht, dass ich keine Mitarbeiter und keine Kunden abwerbe. Diese Abmachungen werden von mir natürlich vollumfänglich respektiert.

Wie ist heute die Beziehung zu Ihrer ehemaligen Bank? Schliesslich war Ihre Familie sieben Generationen lang eng mit Darier Hentsch verbunden. Nach Ihrem Austritt Ende 2001 als Partner bei der Bank haben Sie gesagt, Sie könnten sich vorstellen, zu einem späteren Zeitpunkt wieder einzusteigen. Ist diese Türe jetzt zu?

Die Beziehung ist nach wie vor gut. Ich habe mit meinen Ex-Partnern gesprochen und Abmachungen getroffen. Wenn ich mich an die erwähnten Restriktionen halte, kann ich meine neue Bank gründen. Somit ist die Vergangenheit abgeschlossen. Wenn etwa mein Sohn später einmal bei Lombard Odier Darier Hentsch eintreten will, steht von seinem Namen her jedenfalls nichts im Wege. Das wird so entschieden werden, wie es historisch schon immer entschieden wurde: Wenn man zu einem gewissen Zeitpunkt einen neuen Partner hineinholen will, stimmen die Teilhaber darüber ab. Das sind für beide Seiten freie Entscheide.

Sind Ihre Kinder auch im Banking tätig?

Mein Sohn Nikolaï ist 21 Jahre alt. Er studiert Wirtschaft in Edinburgh. Er hat die Geburt unserer neuen Vermögensverwaltungsgruppe und meiner neuen Bank sehr nahe miterlebt. Wenn er in der Schweiz ist, wohnt er bei mir. Er macht jetzt gerade ein Praktikum bei uns in der Gruppe GEM. Wir haben im Vorfeld viel diskutiert. Ihn interessiert die Thematik sehr. Meine beiden Töchter sind nicht im Bankenbereich tätig. Die eine macht Creative Design in London, die andere arbeitet im Marketing in São Paulo, Brasilien.

Die Banque Bénédict Hentsch ist Bestandteil der von Ihnen zusammen mit einigen Partnern ins Leben gerufenen Vermögensverwaltungsgruppe Global Estate Managers (GEM). Welche Rolle spielt die Bank in dem Konstrukt?

Ich will betonen: Die Bank ist nur ein Element der Gruppe. Das Hauptkonzept ist die ganze Vermögensverwaltungsgruppe GEM. Wir brauchten in diesem Geschäft einen Kanal, um Bankdienstleistungen anzubieten.

Was macht GEM?

Wir bieten in einem sehr persönlichen Rahmen und auf höchstem Niveau unabhängige und übergreifende Analysen von gesamtheitlichen Vermögensverwaltungsfragen an. Ich habe mich dafür mit den besten Spezialisten aus den verschiedensten Bereichen zusammengetan. Topleute mit Dutzenden Jahren Erfahrung wie Robert Pennone in der steuerlichen Beratung, Alfredo Ambrosetti für Fragen der Family-Governance, François Carrard, Ex-Direktor des Internationalen Olympischen Komitees (IOK), einer der angesehensten Anwälte in unserem Land, sowie Maître Luc Argand, Ex-Bâtonnier in Genf, und Simon Studer für Kunstsachverstand und Sammlungsverwaltung. Wir wollen die einzelnen Metiers der Vermögensverwaltung wieder vereinen.

Was hat Sie zur Gründung von GEM bewogen?

Ich habe mich in den drei Jahren nach meinem Austritt bei Darier Hentsch intellektuell stark mit der Problematik der Vermögensverwaltung auseinander gesetzt. Dabei bin ich zum Schluss gekommen, dass der Kunde im Private Banking zunehmend aus dem Auge verloren wurde. Die Schweizer Privatbanken waren in den letzten Jahren ja äusserst erfolgreich. Doch sie wurden irgendwie Opfer des eigenen Erfolges. Die erfahrenen Leute, die Partner, die haben sich immer mehr um das Administrative in den rasch wachsenden Instituten gekümmert. Und haben die jüngeren Generationen an die Front zu den Kunden geschickt.

Das war falsch?

Ja. Es sollte nämlich genau umgekehrt sein. Wir sollten unsere Jungen das Administrative machen lassen, und wir selber sollten die Kunden betreuen. Das ist ja ein Wert, den wir anbieten können. Wir langjährigen Bankiers sind erfahrene Gesprächspartner, die mit einer Glaubwürdigkeit sprechen können, die ein jungen Banker einfach nicht haben kann. Der zurückliegende Wachstumsschub der Branche hat dazu geführt, dass wir Privatbankiers von vielschichtigen Vermögensverwaltern zu reinen Portfolioverwaltern geworden sind. Wir haben die grundsätzliche und persönliche Betreuung vermögender Kunden oder reicher Familien vernachlässigt.

Das war früher anders?

Ganz anders. Das weiss ich von meinem Grossvater oder meinem Vater, der mich von Kindesbeinen an in dieses Geschäft eingeführt hat.

Sie waren als Knabe schon mit in der Bank?

Nein, nicht mit in der Bank. Aber ich habe schon gewusst, was sie in der Bank machen, weil sie zum Teil ihre Kunden mit nach Hause genommen haben. Wir haben zusammen diniert, Lunch gegessen. Die Beziehung zum Kunden war nicht immer formell. Man hat sich um die Gesamtproblematik eines Vermögens gekümmert, auf höchster Vertrauensstufe. Wir waren eine Art Familienarzt.

Quasi der Hausdoktor für finanzielle Fragen?

Eben nicht nur für finanzielle Fragen. Es gab keine so klare Trennung. Man kam nicht zusammen und hat zum Beispiel über Hedge-Funds gesprochen. Klar, man hat über seine Vermögenssituation gesprochen. Aber auch über die Familie, über die Kinder, über Probleme. Genau das wollen wir mit GEM machen – wir wollen die Funktion des Familienarztes wieder in den Mittelpunkt stellen. Ich möchte zu meinem Kunden gehen und hoffen, sein Vertrauen zu geniessen. Und ich möchte ihm Rede und Antwort stehen, über alles. Ich möchte im persönlichen Rahmen, ohne Traktandenliste einen Austausch von Gedanken pflegen.

Worin unterscheidet sich dieser Ansatz von dem eines anderen Family-Office?

Family-Office ist etwas ein Modewort geworden. Was man heute mit einem Family-Office meint, ist vor allem die administrative Betreuung eines grossen Vermögens eines einzelnen Kunden oder einer einzelnen Familie.

Was bei grossen Vermögen ja allein schon viel zu tun gibt.

Natürlich braucht es die Administration, das will ich nicht herunterspielen, man muss Buchhaltung machen, Geld von links nach rechts bewegen. Aber die Leute in den meisten Family-Offices sind Angestellte. Jetzt frage sich Sie: Redet man mit einem Angestellten gleich wie mit jemandem, der nicht angestellt ist? Ich möchte nicht angestellt sein von Herrn Soundso, der irgendwie ein Riesenvermögen hat. Aber ich will ihm eine Möglichkeit geben, mit mir auf gleicher Augenhöhe zu reden über seine Organisation. Er hat ja Ziele über Generationen hinweg. Ich will mit ihm gemeinsam erörtern, wohin die Reise geht. Das ist das klassische Konzept des Privatbankiers, wie wir es vor hundert oder zweihundert Jahren gepflegt haben. Wir Schweizer Bankiers sollten uns vermehrt darauf besinnen. Das Motto heisst «back to the roots».

Was unterscheidet die Bedürfnisse einer reichen Familie von heute von einer von vor hundert Jahren?

Die Welt ist komplexer und wirklich globaler geworden, und viele Ereignisse geschehen heute mit einer viel grösseren Geschwindigkeit. Natürlich gab es auch in der Vergangenheit starke wirtschaftliche Schwankungen, nehmen Sie den Börsencrash von 1929. Aber alles ging langsamer. Heute müssen Sie damit rechnen, das Ihre Firma auf Grund irgendeiner schlechten Nachricht plötzlich die Hälfte ihrer Börsenkapitalisierung einbüsst, innert Minuten – das sind Phänomene, die mit der enorm erhöhten Kommunikationsgeschwindigkeit zu tun haben.

Was kann ein Privatbankier dagegen tun?

Ich sage nicht, dass wir die Welt vor solchen Sachen schützen können. Aber wir können auch hier unseren Rat einbringen. Wir können die vermögenden Leute auf die ganze Problematik der Kommunikation vorbereiten. Wenn sie eine falsche Kommunikationsstrategie anwenden, kann es sein, dass ihr Vermögen um die Hälfte runtergeht. Sich vor solchen Sachen zu schützen, das ist auch Vermögensverwaltung. Das geht bis zu Fragen der Sicherheit.

Sie meinen Themen wie persönliche Sicherheit, Schutz vor Entführungen und so weiter?

Ja. Das sind Fragestellungen, die ein vermögender Mensch nüchtern durchdenken muss. Die Frage ist: Wie kommuniziert man die Tatsache, dass man ein grosses Vermögen hat? Man ist ja exponiert. Solche Listen wie die der 300 reichsten Schweizer in dieser Ausgabe der BILANZ haben ja auch Nachteile. Das lesen nicht nur Leute, die sagen: Super, ich möchte gerne auf dieser Liste stehen. Es gibt vielleicht Leute mit kriminellen Absichten, die das lesen und sich sagen: Aha, die Kinder von dem oder dem, die sehe ich ja jeden Tag in die Schule gehen.

Was raten Sie den reichen Familien?

Das kommt auf den Einzelfall an. Zumindest sollten sie einmal darüber nachdenken. Für mich macht echte Vermögensverwaltung auch vor solchen Fragen nicht Halt.

Ist der Umgang mit den reichen Familien heute schwieriger als früher? Die moderne Gesellschaft gibt den Kindern vermögender Leute viele Optionen. Sich in der Familienfirma zu engagieren, wird immer weniger als selbstverständlich gesehen.

Nein, diese Komplexität ist nicht grösser geworden. Es hat immer Sprösslinge gegeben, die im Geschäft bleiben wollten und andere nicht. Vielleicht arbeitet der Sohn in der Firma, die Tochter hat aber finanziell genauso viel Anrecht, aber sie möchte ein anderes Leben führen und ausbezahlt werden – das sind Situationen, die es schon immer gegeben hat.

Sind die Vermögenswerte der Reichen wegen der Börsenschwankungen nicht generell unsicherer geworden?

Nicht die momentanen Marktbewegungen sind wichtig. Das sind ja oft nur Buchwerte. Ich muss mich aber fragen: Ist meine Firma in zehn Jahren noch gross genug, um eigenständig am Markt zu bestehen? Sind meine Nachkommen fähig, sie zu übernehmen? Und wenn nicht, wie muss ich das gestalten, damit er die Firma nicht runterbringt? Das sind die echten Fragen.

Entscheidend für die Beurteilung eines Bankiers ist doch aber schliesslich, ob die Performance der Investments stimmt.

Was heisst Performance? Heisst es einen Bruchteil mehr Return auf einem Investment? Ein Vermögen einheitlich und werterhaltend von einer Generation auf die andere weiterzugeben, das ist wirklich Performance. Man darf in der Vermögensverwaltung die grosse Linie nicht aus den Augen verlieren.

Mit Ihrem persönlichen Ansatz, wie Sie ihn bei GEM pflegen wollen, können Sie nicht viele Kunden haben. Mehr als einmal am Tag kann man nicht dinieren.

Wir wollen auch nicht viele Kunden haben. Ich kann meine Zeit nicht beliebig vermehren. Das ist ja genau das Problem der Privatbanken, dass die Zahl der Kunden zu stark gewachsen ist. Viele Privatbanken haben den Kontakt zum Kunden automatisiert und schablonisiert, das kann auf die Dauer nicht gut gehen.

Gab es aus Bankkreisen Widerstände gegen die Gründung von GEM oder der Banque Bénédict Hentsch?

Ich habe das nirgendwo gespürt. Aber natürlich wird man uns ganz genau auf die Finger schauen.

Wer? Die Aufsichtsbehörden?

Nein, die meine ich nicht. Die Aufsichtsbehörden sind ja von Gesetzes wegen verpflichtet, das zu machen. Aber wir haben nicht im Sinn, ein Problem für die Aufsichtsbehörden zu werden (lacht). Nein, ich meine die Branche.

Inwiefern?

Die Branche wird uns natürlich schon genau betrachten und sich fragen: Sind die erfolgreich mit dem, was sie machen?

Drei Jahre lang waren Sie weg aus dem Business. Weil Sie als Swissair-Verwaltungsrat in den Strudel um die Airline gerissen wurden, verliessen Sie Darier Hentsch, eine Bank, der Sie als Teilhaber eng verbunden waren. Wie war das emotional für Sie?

Für mich war das ein kristallklarer Entscheid. Ich war Vizepräsident der Swissair und wollte mich nicht aus der Verantwortung hinausstehlen. Darum habe ich diese Funktion weitergeführt und mich stark für die Bezahlung der Sozialpläne von Tausenden von Angestellten eingesetzt. Das ist mein Verständnis von Verantwortung. Verantwortung müssen Sie auch dann tragen, wenn es schlecht geht. Vielleicht gerade dann.

Dass Ihr Name im Zusammenhang mit Swissair genannt wurde, war offensichtlich schlecht für Darier Hentsch. Wer hat Sie gedrängt, die Bank zu verlassen?

Niemand.

Es gab auch keine Signale seitens der Partner, dass dies gewünscht würde?

Nein. Es war für mich Pflichtsache. Ich hatte eine Verantwortung als Partner und Teilhaber von Darier Hentsch. Es gab einen Moment, wo ich die Bank schützen musste. Darum habe ich sie beschützt. Das war mein Entscheid. Ich habe keineswegs unter Druck gestanden. Ich habe niemandem Folge geleistet. Ich bin nicht bestraft worden für irgendetwas.

Hat Ihr persönliches Image darunter gelitten?

Das müssen Sie mir sagen, ob mein Image gelitten hat (lacht). Ich weiss nicht, ich glaube nicht. Es interessiert mich auch relativ wenig. Ich habe nur einen einzigen Richter, das ist mein Gewissen. Und von da her bin ich mit mir im Reinen.

Sie fühlen keine Mitverantwortung für das, was bei Swissair geschehen ist? Sie waren Vizepräsident.

Dass ich ein Gefühl für die Verantwortung habe, zeigt sich daran, dass ich meine Pflicht bei Swissair auch in der Krisenzeit weiter erfüllt habe. Ich bin nicht zurückgetreten bei der Swissair, sondern bei Darier Hentsch. Das haben viele Leute nicht verstanden. Ich habe meine Verantwortung wahrgenommen und dafür alle Konsequenzen getragen. Was mein Gewissen betrifft: Ich glaube ganz grundsätzlich, dass man einen Verwaltungsrat nicht für strategische Fehlentscheide bestrafen sollte.

Sie waren lange einer der Stars und Vorbilder der Schweizer Wirtschaft. Plötzlich war das Schulterklopfen vorbei. Was haben Sie daraus gelernt?

Man wird vielleicht etwas zynischer über die menschlichen Beziehungen. Aber das gehört dazu. Sie können Ihre Entscheide nicht von den Reaktionen der Umwelt abhängig machen. Wenn Sie darauf schielen, treffen Sie die notwendigen Entscheide nämlich nicht. Man sollte seine Entscheide immer rein inhaltlich treffen. Und wissen Sie: Echte Freunde haben Sie sowieso nur wenige. Das ist normal, das ist nicht das Resultat irgendeines Lebenslaufes. Ich meine echte Freunde, wo Sie sich nicht zuerst sozial aufbäumen müssen, um in Beziehung zu kommen. Freunde, bei denen Sie zu jeder Tages- und Nachtzeit reinspazieren können.

Das Bankbusiness ist ein gewichtiger Teil der Schweizer Wirtschaft. Wie beurteilen Sie generell die Zukunft der Bankbranche in der Schweiz?

Ich glaube, die Schweiz sollte ein einziges grosses Family-Office werden.

Wie meinen Sie das?

Wir müssen auf unsere Stärken im Private Banking bauen. Die Schweizer Banken haben rund 4000 Milliarden Franken in dieses Land hineingeholt. Nach Schätzungen sind das 30 Prozent aller Privatvermögen in der Welt. Darauf müssen wir bauen. Wir müssen zurück zu unserer traditionellen Pflege der Kundenbeziehungen, jenen Werten, die diese Branche seit zweihundert Jahren stark gemacht haben.

Viele dieser 4000 Milliarden sind nur wegen des Bankgeheimnisses hier.

Das mag sein. Na und? Jetzt geht es darum, diese 4000 Milliarden in der Schweiz zu behalten. Und die Schweiz hat viel zu bieten, ganz abgesehen vom Bankgeheimnis. Wir sind der beste und sicherste Hüter dieser Vermögen auf der Welt, wir bieten die besten Dienstleistungen an. Versuchen Sie einmal in New York, die Währung Yen gegen Euro zu wechseln. Wenn Sie Pech haben, halten die Sie für einen Schmuggler, und Sie laufen in Handschellen aus der Bank. Jetzt gehen Sie in eine kleine Schweizer Bankfiliale, nehmen wir Kandersteg: Das machen die Ihnen problemlos; in Kandersteg macht Ihnen auch der SBB-Postschalter oder der Zeitungskiosk diesen Wechsel! Wir in der Schweiz bieten eine Kette von Dienstleistungen im Banking an, die weltweit einzigartig ist.

Braucht die Schweiz das Bankgeheimnis?

Wir haben das Bankkundengeheimnis 1934 eingeführt und darauf den Finanzplatz Schweiz aufgebaut, als dritten Finanzplatz der Welt. Jetzt haben wir aber historische Trends, die anders laufen.

Inwiefern?

Die Globalisierung hat einen Trend nach Transparenz eingeleitet. Das eine hängt untrennbar mit dem anderen zusammen. Sie können keine Globalisierung ohne Transparenz haben. Wenn ich nun die Zukunft des Schweizer Banking anschaue, muss ich mich der Frage stellen: Wie stehe ich zur Transparenz?

Womit wir wieder beim Bankgeheimnis wären. Wie stehen Sie dazu?

Das Bankgeheimnis wird so lange bleiben, wie das Volk das will.

Sie weichen aus.

Nein, das ist so. Wir sind in einem Land, wo die Existenz solcher Institutionen vom Volk mittels Abstimmung entschieden wird. Meine einzige Fragestellung ist: Was machen wir in der Zwischenzeit?

Sie glauben, langfristig wird das Bankgeheimnis nicht zu retten sein?

Es ist irrelevant für mich. Ich werde natürlich meinen Beitrag dazu leisten. Ich war Präsident der Privatbankiervereinigung und habe es verteidigt, und ich werde es weiter verteidigen. Aber trotzdem ist Transparenz einfach eine zwangsläufige Entwicklung einer zunehmend globalisierten Wirtschaft. Dagegen kann ich mich nicht stemmen. Ich glaube, die Kunden selber werden wegen der Transparenz das Bankgeheimnis immer weniger benützen wollen. Dementsprechend muss man seine Angebote und Dienstleistungen anpassen.

Der Heimmarkt Schweiz ist klein. Wie können die Schweizer Banken international bestehen?

Will man die Schweiz verlassen und onshore gehen, also im Ausland direkt Dienstleistungen anbieten, gelingt dies nur, wenn man seine Stärken gezielt ausspielt. Für Grossbanken wie UBS oder CS, die ja ein breites Spektrum anbieten, vom Asset-Management bis zum Investment-Banking, ist das leichter. Ich meine, wir Privatbankiers haben aber nicht die Ressourcen, um auf dem internationalen Parkett mitzuspielen und um den ganzen Markt flächendeckend zu berieseln. Wir müssen uns fragen, ob wir mit den begrenzten Mitteln wirklich im Ausland ein wertvolles Produkt anbieten können.

Wie meinen Sie das?

Wir können unsere Dienstleistungen nicht so einfach exportieren. Unsere Privatbanken-Kultur baut darauf auf, dass wir Schweizer es selber machen. Ich kann ja nicht einfach nach Frankreich gehen, jemanden dort holen, ihn kurz nach Genf schicken, um die Personalabteilung zu besuchen und um eine Kappe und ein T- Shirt mit dem Namen meiner Bank abzuholen, und ihn dann wieder nach Paris schicken, damit er dort meine Schweizer Privatbank vertritt. Das geht doch nicht. Wenn ich echtes Onshore-Banking entwickeln will, muss ich selber gehen.

Warum ist ein Genfer Bankier besser als einer aus Paris?

Weil wir das seit 300 Jahren machen. Das ist uns ins Blut und in die Gene übergegangen. Wir sind Leute, die nicht sehr lustig sind, wir sind seriös und zuverlässig, und deshalb geniessen wir Vertrauen.

Die Privatbanken sind ja nur ein kleiner Teil des Schweizer Private Banking. Ein Grossteil der Vermögen ist bei den Giganten UBS und CS. Wird nicht hier das globale Spiel entschieden?

Diese Banken sind in der Tat ein wichtiger Anker für das gesamte Privatbankenbusiness in der Schweiz, und sie machen eine gute Arbeit. Aber auch sie sind von den gleichen Fragen bestimmt wie wir Privatbankiers. Die UBS hat allein mehr als eine Million Kunden. Wie persönlich kann sie diese betreuen?

Die Wachstumsmärkte im Private Banking liegen in Asien. Diese Kunden sollen deutlich weniger an der engen persönlichen Betreuung als an der kurzfristigen Performance interessiert sein.

Zum Teil stimmt das schon. Aber auch diese Kunden werden merken, was es heisst, einfach schnell an einem finanziellen Drive-in zu halten oder wirklich umfassend betreut zu werden. Ich denke, es ist auch für einen reichen Inder oder Chinesen interessant, Genf als Zentrum seiner persönlichen Vermögensangelegenheiten zu haben.

Wird das Modell des Privatbankiers auch in zwei, drei Generationen noch bestehen? Glauben Sie, dass die Enkelkinder Ihrer Kinder immer noch in dieser Tradition funktionieren?

Ich werde meinen Teil dazu beitragen, damit das so ist. Ich will meine Gedanken an meinen Sohn und meine beiden Töchter weitergeben. Die beste Erziehung ist das Beispiel. Wenn das Bespiel gut und erfolgreich war, wird es eine positive Wirkung haben.

Sehen Sie Ihre Kinder oft?

Ja, sehr oft. Ich habe letztes Jahr sogar rund vier Monate am Stück mit meinen Kindern in China und der Mongolei verbracht.

Mit allen drei erwachsenen Kindern? Konnten die sich vom Studium und den Jobs frei machen?

Ich habe ihnen gesagt: Wenn ihr mal vier Monate mit eurem Dad haben wollt, dann ist jetzt eine Chance. Es war eine schöne Zeit, sehr geballt, sehr intensiv. Durch die lange Zeit des Zusammenseins entwickeln sich sehr tief gehende Gespräche. Das gibt einen Erfahrungsschatz für immer.

Was haben Sie in der Gegend gemacht?

Ich liebe die Natur dort. Ich bin lange im Tibet gewesen sowie in Nepal und Kaschmir. Ich war mehrmals auf dem Himalaja. Bergsteigen ist eine grosse Leidenschaft. Nicht nur in dieser Gegend, auch in der Schweiz liebe ich es, in die Berge zu gehen.

Was fasziniert Sie daran?

Beim Wandern in der Natur kann man sehr gut nachdenken. Zudem fasziniert mich die Erfahrung, dass nicht der Mensch bestimmt, sondern er von den Elementen bestimmt wird. Die Berge zeigen einem, wie klein man im Grunde genommen ist. Das ist gut. Das muss man sich immer vor Augen halten.