Der Eurozone und ihrem Schutzschirm ESM steht ein denkwürdiges Datum bevor: Ihr ältestes und womöglich teuerstes Sorgenkind Griechenland nabelt sich finanziell ab. Am Montag läuft das bislang letzte, das dritte Milliarden-Rettungsprogramm der europäischen Partner für das Land aus. Dafür, dass kein weiteres folgen wird, will aber kaum einer seine Hand ins Feuer legen.

Zu labil stellt sich die wirtschaftliche Gesamtlage in Hellas immer noch dar mit unrühmlichen Spitzenwerten im Währungsraum bei der Arbeitslosigkeit mit knapp 20 Prozent und beim Schuldenberg mit gut 180 Prozent der Wirtschaftsleistung sowie mit, wie Experten klagen, eher überschaubaren ökonomischen Wachstumspotenzialen.

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EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker wischt jedoch skeptische Äußerungen in einem EU-Überblick zum Programmende der Hilfen beiseite. «Für Griechenland ist die Zeit gekommen, ein neues Kapitel (...) zu beginnen», schreibt er darin. «Sein Platz im Herzen der Euro-Zone und der Europäischen Union ist gesichert.» Es war Juncker selbst, der als Chef der Euro-Gruppe so manche Nacht mit den Kollegen Finanzministern darum rang, Griechenland nicht ins Bodenlose fallen zu lassen. Dabei war es Wolfgang Schäuble, der frühere deutsche Finanzminister, der zwischenzeitlich die Meinung vertrat, ein Ausscheiden der Griechen aus dem Euro-Raum wäre wohl für alle das Beste.

Als Griechenland im Jahre 2010 das erste Mal seine Partner um Hilfe bat, stand das Land direkt vor der Pleite. Der damalige Premierminister Giorgos Papandreou musste Geld auftreiben, um die laufenden Rechnungen noch bezahlen zu können. Am Markt bekam er so kurz nach der tiefsten globalen Finanzkrise der letzten Jahrzehnte kaum mehr Kapital, auch nicht zu hohen Zinsen.

Der Hauptgrund: Das Land hatte über Jahre hemmungslos Schulden gemacht und finanzierte schließlich im Jahre 2009 weit über 15 Prozent seines Staatshaushalts über teure Kredite. Dabei war kurz zuvor in offiziellen Zahlen noch von sechs Prozent Defizit die Rede gewesen - doch selbst das waren geschönte Zahlen.

Schulden nichts als Schulden

Damals schon erreichten die Staatsschulden gut 125 Prozent der Wirtschaftsleistung. Die Arbeitslosenquote war mit gut zwölf Prozent vergleichsweise hoch, und von Wachstum gab es bereits keine Spur mehr. Die Wirtschaft befand sich 2010 bereits mit minus fünfeinhalb Prozent auf Schrumpfkurs.

Die folgenden Jahre überlebte der Patient Griechenland nur mühsam am Tropf seiner europäischen Partner und des Internationalen Währungsfonds (IWF) - die dem Land harsche Auflagen als Bedingung für Hilfen stellten. Ein erstes Hilfsprogramm hatte ein Volumen von 80 Milliarden Euro an bilateralen Kredithilfen der Euro-Partner - am Ende ausgezahlt wurden knapp 53 Milliarden Euro.

Hinzu kamen zweistellige Milliardenkredite des IWF. Abgelöst wurde diese Hilfsaktion im März 2012 von einem zweiten Unterstützungspaket - ausgezahlt wurden von den Euro-Partnern knapp 142 Milliarden Euro. Als Flankierung mussten private Banken-Gläubiger Forderungen von 107 Milliarden Euro in den Wind schreiben.

Und als Griechenland auch 2015 finanziell noch nicht auf eigenen Beinen stehen konnte, schloss sich das dritte Programm an, das nun mit ausgezahlten Kredithilfen von 62 Milliarden Euro - ein Stück weniger als die zugesagte Obergrenze - zu Ende geht. Auf am Ende 273,7 Milliarden Euro - inklusive der Gelder vom IWF - beziffert die EU mittlerweile den Gesamtumfang der Hilfen für Griechenland.

Nicht ganz ohne Aufsicht

Für Griechenland waren die letzten acht Jahre eine quälende Rosskur, unter der das Land auch heute noch leidet. 15 Reformpakete musste das Land auf Geheiß seiner Geldgeber abarbeiten. Es musste seinen Finanzsektor umbauen, massive Einschnitte am Arbeitsmarkt, bei den Renten und im Steuersystem vornehmen, staatliche Firmen privatisieren und die öffentliche Verwaltung mit Tausenden von Entlassungen auf Effizienz trimmen. Die Wirtschaftsleistung brach zeitweise um mehr als neun Prozent im Jahr ein, die Arbeitslosenrate ging in Richtung 30 Prozent. Generalstreiks und verzweifelte Proteste auf der Straße gehörten zum Alltag.

Wo steht Griechenland heute? Seinen Staatshaushalt kann das Land inzwischen wieder selbst finanzieren - es liegt beim Budget sogar leicht mit knapp einem Prozent im Plus. Von den reinen Zahlen her ist das Wirtschaftswachstum zurückgekehrt und könnte nach Einschätzung der EU-Experten die Zwei-Prozent-Marke erreichen. Allerdings: die Arbeitslosenquote ist mit aktuell 19,5 Prozent immer noch hoch - bei Jugendlichen liegt die Quote weit darüber. Und der Schuldenberg ist so groß, dass nicht nur der IWF zweifelt, ob ihn Griechenland schultern kann.

Ganz ohne Aufsicht der strengen Geldgeber wird Griechenland aber auch in Zukunft nicht sein. Denn immer noch stehen in dem Land dreistellige Milliardensummen aus Europa im Feuer. Damit das Land damit überhaupt leben kann, hat es aber eine Reihe von Erleichterungen erhalten. Kredite aus den verschiedenen Hilfsprogrammen laufen zum Teil bis 2060. Die durchschnittliche ausstehende Laufzeit der Griechenland-Kredite liegt inzwischen bei über 32 Jahren. Von Zins- und Tilgungszahlungen ist das Land aktuell ohnehin weitgehend freigestellt. Und wenn Griechenland irgendwann wieder Zinsen zahlen muss, belaufen die sich, was die ESM-Kredite angeht, gerade auf durchschnittlich 1,62 Prozent. 

(reuters/mlo)