BILANZ: Die Liegenschaftenpreise steigen seit rund zwei Jahren wieder. Ist ein Ende des Preisanstiegs abzusehen?
Donato Scognamiglio:
Bei Einfamilienhäusern und Eigentumswohnungen rechnen wir gesamtschweizerisch mit stabilen bis weiterhin leicht anziehenden Preisen. Bei Mehrfamilienhäusern konnten wir im letzten Jahr einen sehr starken Preisanstieg von fast neun Prozent feststellen. Hier dürften die Preise an guten Zentrumslagen weitersteigen, wenn auch nicht mehr im gleichen Ausmass.

Wo ist nach dem Immobiliencrash der Neunzigerjahre heute Vorsicht angebracht?
Wer heute an guter Lage in ein Einfamilienhaus, eine Wohnung oder gar in ein Mehrfamilienhaus investiert, muss dafür entsprechend bezahlen. Relativ hohe Preise aber drücken auf die Rendite. Daher ist nicht gesagt, dass bei einem allfälligen späteren Verkauf der heute bezahlte Preis oder gar ein noch höherer wieder erzielt werden kann. Insbesondere Toplagen sind rar, begehrt und entsprechend teuer.

Welche Immobilienkategorien in welchen Regionen haben sich besonders verteuert?
Gesamtschweizerisch ist seit zwei Jahren bei sämtlichen Immobilienkategorien – Wohnimmobilien sowie Büro- und Gewerbeobjekte – eine Trendwende feststellbar. Von dieser Preiszunahme profitieren vor allem die Eigentümer von Immobilien an guten Lagen. Im kleinen Kanton Zug etwa liegen die Preise für Einfamilienhäuser und Eigentumswohnungen zwischen 19 und 33 Prozent über dem Schweizer Durchschnitt. Zug ist der attraktivste und damit auch der teuerste Wohnkanton, gefolgt von den Kantonen Basel-Stadt, Zürich und Genf. Extrem hohe Immobilienpreise sind um die Stadt Zürich, insbesondere an der Goldküste, in Zug und in den Gemeinden am Genfersee zu konstatieren. Relativ teuer ist Wohnraum aber auch um die Städte Basel (Riehen), Luzern (Meggen), Bern (Muri) sowie in touristischen Regionen der Kantone Graubünden (St. Moritz), Wallis (Zermatt), Bern (Gstaad) und Tessin (Muralto). Am höchsten sind die Preise allerdings in den Zürcher Gemeinden Zollikon, Zumikon und Kilchberg. Ebenfalls in die obere Preiskategorie gehören in Zürich Gemeinden wie Thalwil, Küsnacht oder Herrliberg sowie im Kanton Zug die Hauptstadt.

Was macht die Attraktivität dieser Regionen aus?
Der Kanton Zug gilt als eigentliches Steuerparadies der Schweiz. Arbeiten in Zürich und wohnen in Baar unter Inkaufnahme hoher Immobilienpreise und Pendelkosten kann sich durchaus lohnen, insbesondere für Personen mit höherem Einkommen. Neben den Steuern spielen zumal bei Büro- und Gewerbeobjekten auch die zentrale Lage und die damit einhergehende Verfügbarkeit von Arbeitskräften beziehungsweise -plätzen sowie Konsum- und Freizeitmöglichkeiten eine wichtige Rolle. Wer heute eine Stelle sucht, ist wohl kaum mehr bereit, irgendwo in einem abgelegenen Seitental zu arbeiten. Viele Dienstleistungsbetriebe sind heute auf zentrale Lagen angewiesen. Die Informationstechnologie hat die Bedeutung von Zentren nicht vermindert, sondern eher noch verstärkt. Die Vorstellung von Informatikern, die in Walliser Bergtälern oder im fernen Indien für Zürcher Hightechfirmen arbeiten, ist weit gehend eine Illusion. Ein weiterer wichtiger Punkt scheint uns die Nähe zu einem Flughafen. Zürich, Genf, aber auch Basel werden hier längerfristig weiterhin profitieren können.

Können Sie einen Trend zum Wohnen in der Stadt feststellen?
Zentren sind und werden immer attraktiver. Dies insbesondere für eher vermögende Dinks (double income, no kids), die sich eine völlig sanierte Altstadtwohnung auch leisten können. Im Segment der preisgünstigen Wohnungen kann jedoch beispielsweise in Zürich bereits von einer eigentlichen Wohnungsnot gesprochen werden. Weniger vermögende Bevölkerungskreise werden aus den Zentren weg in unattraktivere Wohngegenden gedrängt. Auch sind heute mehr Wohnfläche und modernere Infrastruktur gefragt.

Welches sind die Regionen mit eher stagnierenden oder gar rückläufigen Preisen für Wohneigentum?
Eher abgelegene und relativ schlecht erschlossene Agglomerationsgemeinden beziehungsweise unattraktive Lagen innerhalb solcher Gemeinden bleiben unter Preisdruck. Die tiefsten Preise sind in den Kantonen Wallis, Jura und Freiburg festzustellen. Bei Einfamilienhäusern und Eigentumswohnungen liegen jedoch Top- und Flop-Lagen oft nur einige Kilometer auseinander. An schlechten Lagen wie etwa im kaum erschlossenen Schattenloch einer Agglomerationsgemeinde stellen wir gar Preisrückgänge fest, während nur wenig entfernt davon Preise steigen. Lokale Lagefaktoren sind zentral, können sich aber mit der Zeit ändern.

Wo sehen Sie weiteres Preissteigerungspotenzial?
Die Preise an guten Lagen werden tendenziell weitersteigen. In den Kantonen Zug, Zürich und Genf könnten die Preise durchaus noch weiter anziehen. Denn attraktive Regionen werden noch attraktiver. Auch lokale Veränderungen sind zu berücksichtigen. Ein neues Autobahnteilstück der A 1 wird die Preise auf Grund der tieferen Pendelkosten in den Gemeinden der Region Payerne sicher steigen lassen. Der Ausbau des Bareggtunnels wiederum wird wegen der aufgestauten Autokolonnen kurzfristig zwar negative Preiseffekte auf gewisse Gemeinden haben, langfristig die Gemeinden vor der Bareggröhre wegen der besseren Verkehrsanbindung jedoch attraktiver machen. Ein weiteres Preissteigerungspotenzial liegt in den Gemeinden, die es sich erlauben können, ihre Steuersätze zu senken. Tiefe Steuern gehen Hand in Hand mit hohen Immobilienpreisen.

Das Haus im Grünen oder die Eigentumswohnung mit Seesicht sind ureigene Wünsche von vielen Schweizern. Welche Faktoren bestimmen den Preis?
Der Preis einer Immobilie setzt sich grob aus dem Wert des Gebäudes wie Volumen, Fläche, Zimmer, Bauqualität und dem Wert des Landes zusammen. Der Landwert wird primär durch die Lage der Immobilie beeinflusst. Dabei lassen sich Makro- und Mikrolagefaktoren unterscheiden. Zentrale Makrolagefaktoren sind der Steuersatz einer Gemeinde, die Infrastruktur der Gemeinde wie Schulen, Einkaufs- oder Freizeitmöglichkeiten und die Zentralität, das heisst Erreichbarkeit durch öffentlichen und privaten Verkehr. Aber auch Faktoren wie ein Naherholungsgebiet oder gar ein Seeanstoss sind wichtig. Zusätzlich spielen Mikrolagefaktoren wie die Lage innerhalb der Gemeinde, der Lärm, die Luftqualität, die Aussicht und nicht zuletzt das Prestige des Quartiers eine wichtige Rolle.

Gerade läuft wieder eine Hypothekarzinssenkungsrunde. Sollte man jetzt Wohnungseigentum erwerben oder noch zuwarten?
Heute lohnt sich vielfach ein Kauf im Vergleich zur Miete. Die Finanzierungskosten sind sehr tief, und die Preise für Einfamilienhäuser und Eigentumswohnungen sind nach wie vor auf einem vernünftigen Niveau. Ein weiteres Warten auf mögliche weitere Zinssenkungen gehört in den Bereich der Spekulation, und die darf nicht den Ausschlag für den Erwerb von Wohneigentum geben.
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