Die Strafen für den Ausstieg sind hoch. Bis sehr hoch. Wer heute zum Beispiel eine dreiprozentige Festhypothek über 800'000 Franken fünf Jahre vor dem Ablauf kündigt, bekommt eine Rechnung über mehr als 145'000 Franken präsentiert.

Sieht Adrian Wenger die Forderungen der Banken, verblüffen ihn die hohen Beträge immer aufs Neue. Dabei ist er an grosse Summen gewöhnt. Wenger ist seit 15 Jahren Hypothekarexperte beim VZ VermögensZentrum. Weil das Institut im Kundenauftrag Immobilien verkauft, ist er mit den Rechnungen der Banken konfrontiert.

Partner-Inhalte
 
 
 
 
 
 

Grosses Thema

Die Forderungen haben viele Namen. Sie kommen als Vorfälligkeitsentschädigung, Rücktrittsprämie, Zinsausgleichszahlung, Reuegeld, Ablösekommission oder modern als Penalty daher. Und das nicht selten. «Vorfälligkeitsentschädigungen sind ein Riesenthema», weiss Wenger.

Offizielle Zahlen gibt es keine. Aber wie gross das Thema ist, lässt sich am Volumen des Schweizer Hypothekarmarktes erahnen. Privatpersonen schultern Hypotheken in Höhe von 900 Milliarden Franken. 500 Milliarden sind als langfristige Fixhypotheken vergeben und somit für vorzeitige Kündigungen relevant.

Kündigung aus verschiedenen Gründen

Zur vorzeitigen Kündigung der Fixhypothek sehen sich die Schuldner aus verschiedenen Gründen gezwungen, darunter Umzüge ins Ausland, Arbeitslosigkeit oder Todesfälle. «Der mit Abstand wichtigste Grund sind Scheidungen», sagt Florian Schubiger, Hypo-Experte und Partner bei der VermögensPartner AG. In der Schweiz geht jede zweite Ehe in die Brüche.

Aber auch die freiwillige vorzeitige Kündigung kommt vor. Etwa bei Personen, die sich vor dem Ruhestand befinden. Um die Planbarkeit der Ausgaben zu erhöhen, werden bestehende Hypotheken vorzeitig aufgelöst und durch langfristige Finanzierungen ersetzt.

Zehnjährige Hypotheken sind ab 1,0 Prozent zu haben. Wer jetzt neidisch auf derart niedrige Zinsen schielt, kommt schnell auf den Gedanken, seine Hypothek vorzeitig zu kündigen und sich den tiefen Zins mit einer neuen Hypothek auf Jahre zu sichern.

Wechsel lohnt sich nicht

Bei Finanzberater Schubiger trudeln immer wieder Anfragen mit ähnlichen Überlegungen ein. «In den allermeisten Fällen lohnt es sich nicht. Die Kosten eliminieren die Zinsvorteile. Die Rechnung geht nicht auf», sagt Schubiger.

Ähnlich sieht das Michael Hartmann, Vertriebschef und Hypo-Experte bei MoneyPark. «Man muss die Annahme haben, dass die Zinsen eher früher als später und relativ zügig ansteigen, sonst macht ein Ausstieg wenig Sinn.» Sofern möglich, sei eine Terminhypothek zu prüfen.

Ausstieg nicht immer möglich

Fraglich ist zudem, ob der Ausstieg überhaupt möglich ist. Bei Raiffeisen, UBS und Credit Suisse ist die Kündigung beispielsweise nur bei einem Verkauf der Liegenschaft erlaubt. «Fixhypotheken der Credit Suisse werden über eine bestimmte Laufzeit abgeschlossen. Wir gehen von einer Einhaltung von geschlossenen Verträgen aus», heisst es bei der CS.

«Gibt es keine vertragliche Ausstiegsklausel, ist die Bank nicht verpflichtet, den Gläubiger vorzeitig aus dem Vertrag zu entlassen», sagt Ansgar Gmür, Direktor HEV Schweiz. Und wer aus dem Vertrag aussteigen darf, weiss nicht, was auf ihn zukommt. In den Hypothekarverträgen ist meist lediglich umschrieben, wie bei einer vorzeitigen Vertragsauflösung vorgegangen wird. Nur in den wenigsten Verträgen, etwa bei Hypomat.ch, ist die Formel zur Berechnung der Strafe enthalten.

Banken am längeren Hebel

«Die Banken sind in der Berechnung frei», heisst es bei Moneyland. Laut Wenger sind die Ausstiegsregelungen in den Verträgen «nur für Profis nachvollziehbar».

Grundsätzlich haben die Banken das Recht, den Gewinn einzufordern, der ihnen durch die Vertragsauflösung entgangen ist. Jedoch gibt es bei der Kalkulation Unterschiede. Vereinfacht gesagt berechnet sich die Forderung der Bank aus den Zinsen, die sie für die gekündigte Hypothek erhalten hätte, abzüglich des Ertrags, den sie auf dem Geld- oder Kapitalmarkt für die Restlaufzeit derzeit erzielen kann

. Auch wenn Banken auf den Kapitalmärkten oft grössere Risiken eingehen, fliessen in die Berechnung des Reuegeldes zum Vorteil der Bank die Renditen absolut sicherer Anlagen ein. ZKB, Credit Suisse und Axa gehen sogar in den negativen Bereich. Bei Raiffeisen oder UBS ist die Untergrenze bei null Prozent gesetzt.

Kosten haben sich massiv erhöht

Bei längeren Laufzeiten fliessen die Zinsswap-Sätze für die jeweilige Laufzeit in die Berechnung ein. Auf Fünfjahressicht liegt dieser Satz derzeit bei minus 0,63 Prozent. Wer beispielsweise eine noch fünf Jahre laufende, auf drei Prozent fixierte Hypothek kündigt, bekommt nicht nur die entgangenen drei Prozent, sondern auch diese negativen Zinsswap-Sätze in Rechnung gestellt.

Über fünf Jahre ergibt sich eine Vorfälligkeitsentschädigung von 18,15 Prozent oder auf 800'000 Franken Kredit eine Zahlung von 145'000 Franken. «Im heutigen Umfeld der Negativzinsen haben sich die Kosten eines Ausstieges massiv erhöht», sagt MoneyPark-Experte Hartmann.

Je länger, desto teurer

Bei der Höhe der Rücktrittsprämien gilt als Faustregel: Je länger die Laufzeit und je höher der Zinssatz der Hypothek, desto teurer wird es für den Kunden. «Die Restlaufzeit ist der wichtigste Faktor. Bei Restlaufzeiten von sieben, acht Jahren geht es je nach Hypothekarhöhe schnell in die Hunderttausende», sagt Schubiger.

Auf seiner Website www.hypotheken-versteigerung.ch kann die Höhe des Reuegeldes grob berechnet werden. In diesem Tool wird vom schlechtesten Fall ausgegangen, was bedeutet, dass die Bank einen negativen Anlagesatz voll in die Berechnung einfliessen lässt.

Falsche Tatsachen vortäuschen

Vor allem diese Weitergabe der Negativzinsen stösst vielen sauer auf. Zu den Kritikern zählt Wenger vom VZ VermögensZentrum. Bei der Hypothekenvergabe gelte eine Refinanzierungsbasis von mindestens null Prozent, da Banken mit Spargeldern finanzierten. Steige der Kunde aus der Hypothek aus, wolle man nichts mehr von der Nullergrenze wissen, sondern teile dem Kunden mit, dass die zurückgegebenen Gelder zu negativen Zinsen auf dem Kapitalmarkt angelegt würden.

«Die Banken müssen sich den Vorwurf gefallen lassen, dass der Kunde entweder bei der Hypothekenvergabe oder bei der Penaltyberechnung nicht fair behandelt wird. Mindestens in einem Fall werden dem Kunden falsche Tatsachen vorgetäuscht», sagt Wenger.

Je niedriger die Hypothek, desto einfacher die Weitergabe

Selbst wenn die Banken das Recht auf ihrer Seite haben, gibt es Möglichkeiten, die Pönale zu umgehen. Der einfachste Weg ist, die Hypothek mit der Immobilie zu verkaufen. In diesem Fall wird nur die Umtriebspauschale fällig. Grundsätzlich gilt: je niedriger die Hypothek, desto einfacher die Weitergabe der Hypotheken.

Doch der Zinsverfall hat auch diese Strategie erschwert. «Bei steigenden Zinsen werden Althypotheken mit Handkuss genommen. Weil die Zinsen in den letzten fünf Jahren gefallen sind, nimmt nicht jeder die Hypotheken mit den höheren Zinsen. Dadurch ist das Thema akut geworden», weiss Schubiger.

Nur wenn das Objekt sehr gefragt ist, wird der Käufer die Hypothek mit den schlechteren Konditionen übernehmen. Andernfalls werden einzig Preisabschläge wirken. In den meisten Fällen kommen die günstiger als die Rücktrittsprämie.

Wer umzieht und sich in der neuen Heimat eine Wohnung kauft, wird nicht nur seine Möbel, sondern auch die Hypothek mitnehmen. Weil Schweizer Banken keine Hypotheken für Immobilien im Ausland begeben, steht dieser Weg jedoch nur für einen Umzug in der Schweiz offen.

Wer gut verhandelt, hat Chancen

Wer die Hypothek nicht weiterverwenden oder verkaufen kann, muss verhandeln. «Es gibt Spielraum, vor allem bei lukrativen Zusatzgeschäften», sagt Hartmann. Je mehr die Bank zu verlieren hat, desto stärker gibt sie nach. Auf eine Reduzierung des Reuegelds kann hoffen, wer etwa die Verlagerung eines grossen Wertschriftendepots ins Spiel bringt.

Die Rücktrittsprämie besteht aus der für die Bank erzielbaren Rendite bei der Wiederanlage sowie aus ihrer Marge. Wer gut verhandelt, ringt der Bank einen Teil der Marge ab. Besser noch, als sich auf die Kulanz der Banken zu verlassen, ist es, sich den Abschluss einer Festhypothek genau zu überlegen. «Besteht die Gefahr, dass der Job ins Ausland verlegt wird, dann wäre ich vorsichtig, eine Hypothek auf sieben oder acht Jahre abzuschliessen», sagt Schubiger. Auch eine Scheidung sollte nicht vorstellbar sein.

Libor-Hypotheken als Alternative

Dabei stellt sich die Frage, ob man sich derzeit überhaupt auf Festhypotheken einlassen soll. Vor Phasen stark steigender Zinsen macht die Bindung an Laufzeit und Zins Sinn. Auch wenn 90 Prozent der Kunden von MoneyPark mit stark steigenden Zinsen rechnen, ist eine Zinswende weit und breit nicht in Sicht.

Nicht zuletzt nach dem Votum der Briten kann sich die Schweizer Nationalbank (SNB) kein Ende der lockeren Geldpolitik leisten. Wahrscheinlicher als schnell steigende sind weiter fallende Zinsen. «Damit wird der Festhypothek der Daseinszweck genommen, nämlich der Schutz vor steigenden Zinsen», sagt Wenger. Libor-Hypotheken seien angesagt. Ein Wechsel in Fixhypotheken ist von dort problemlos möglich.

Erich Gerbl
Erich GerblMehr erfahren