BILANZ: Herr Zeitz, hätte es Sie beleidigt, wenn ich mit Adidas-Schuhen hier aufgekreuzt wäre?

Jochen Zeitz: Das wäre Ihre eigene Entscheidung gewesen, allerdings eine bedauerliche.

Aber gesagt hätten Sie nichts?

Nein, diesen Gefallen hätte ich Ihnen nicht getan.

Dürfen Ihre Mitarbeiter bei der Arbeit Adidas tragen?

Wenn wir das regeln müssten, wäre das ein Armutszeugnis. Ich gehe davon aus, dass die Identifikation mit dem Unternehmen und der Marke so gross ist, dass sich diese Frage gar nicht stellt.

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Besitzen Sie selbst etwas von Adidas?

Nein.

Was pflegen Sie für ein Verhältnis?

Ein sportliches, denn wir stehen im Wettbewerb.

Treffen Sie sich ab und zu?

Nein.

Jagen Sie sich gegenseitig Mitarbeiter ab?

Solche Wechsel kommen schon mal vor, sie halten sich aber in Grenzen. Das bewusste und systematische Abwerben von Personal findet nicht statt und würde auch keinen Sinn ergeben, weil dabei keiner gewinnen könnte.

Wen bewundern Sie mehr: Adidas oder Nike?

Wir konzentrieren uns ganz auf uns selbst und versuchen, das Beste für unsere Marke zu tun. Nike ist klarer Weltmarktführer und hat in den letzten 15 Jahren den Markt sehr verändert. Davor habe ich Respekt.

Treiben Sie Sport?

Heute laufe ich und gehe ins Fitnessstudio.

Und was war davor?

Am Anfang bei Puma hatte ich für den eigenen Sport zu wenig Zeit. So kam es, dass ich zunächst an Körpermasse zulegte.

Und wie sind Sie die wieder losgeworden? Mit einer Diät?

Nein, ich habe mir sportliche Ziele gesteckt und mich entschieden, Marathon zu laufen.

Freilich mit dem Ziel New York.

Ja, den bin ich gelaufen. Dazu gekommen ist es wegen einer Abmachung: Vor ein paar Jahren war ich der Meinung, dass unsere amerikanischen Mitarbeiter unsere Laufschuhe nicht gut genug verkauften. Da habe ich ihnen einen Vorschlag unterbreitet und gesagt: Wenn ihr den Umsatz steigert, laufe ich den Marathon. So kam das.

2006 ist ein Fussballjahr. Sie staffieren die Schweizer Mannschaft aus. Was tun die Schweizer für Sie?

Sie passen sehr gut zu unserer Marke. Sie spielen offensiven Fussball, sind immer mit Enthusiasmus dabei und besitzen spielerische Klasse und gesunden Ehrgeiz.

Und was bieten Sie?

Wir haben die Schweiz mit unserer neuen Linie v1.06 ausgestattet. Dazu gehört zum Beispiel ein Trikot ohne Nähte, das nur etwa 100 Gramm wiegt. Ein hochinnovatives Produkt mit einem tollen Design. In die Schweizer Trikots zum Beispiel ist das Schweizer Kreuz eingewoben.

Und wer trägt Ihren neusten, 200 Gramm schweren Fussballschuh, der so grün ist, dass man ihn auf dem Rasen nicht sieht, nur den weissen Puma-Streifen?

Den bekommen nur die Spieler, die wir individuell unter Vertrag haben.

Wer ist Ihr WM-Favorit?

Ich hoffe, es gewinnt der Beste.

Nike hat Brasilien, Adidas Deutschland – es wird kaum ein Puma-Team gewinnen.

Uns geht es auch nicht in erster Linie ums Gewinnen. Es wäre schön, wenn Puma-Teams mindestens dabei wären, wenn es in die zweite Runde geht. Aber unsere WM-Ziele haben wir ohnehin bereits übertroffen.

Sie sponsern zwölf Teams, die Grossen des Fussballs sind aber bei Ihrer Konkurrenz. Schmerzt Sie das?

Das Schöne am Fussball ist, dass er immer für Überraschungen gut ist. Warten wir mal ab, was unsere Italiener machen. Auch die Tschechen darf man nicht unterschätzen.

Aber die Brasilianer nähmen Sie auch.

Klar, aber die Frage stellt sich nicht, und deshalb machen wir uns darüber auch keine Gedanken. Wir haben bei der WM eine Markenpräsenz, mit der keiner unserer Wettbewerber oder Kritiker gerechnet hätte. Dass Puma die meisten Teams sponsert, gab es bei einer WM noch nie. Darauf sind wir auch ein bisschen stolz.

Sie sagen, die Schweizer passen gut zu Puma und auch die fünf afrikanischen Teams. Auch die Iraner?

Aus unserer Sicht findet die Politik im Sport ihre Grenzen. Sport ist die Brücke, die Völker verbindet.

Haben Sie einfach alle Teams genommen, die Sie kriegen konnten?

Möglichst viele Mannschaften im Portfolio zu haben, war uns wichtig, denn so können wir die Chance nutzen, uns im Fussball als führenden Anbieter zu präsentieren. Auf dem Spielfeld wird an der WM keine andere Marke so präsent sein wie Puma.

Nike sponsert acht, Adidas sechs, Puma zwölf Mannschaften. Wie haben Sie diesen Sieg errungen?

Mit sorgfältiger Vorbereitung. Dass wir von so vielen Mannschaften den Zuschlag bekommen haben, liegt auch daran, dass wir individueller auf die Teams eingehen als andere. Wir bieten mehr als Sponsorengeld und Standardausrüstung, Service zum Beispiel.

Service?

In einer Fussballmannschaft ist immer viel in Bewegung. Spieler gehen weg, andere kommen hinzu. Die Trikots müssen individuell angepasst werden: Der eine sagt, er habe Grösse L, hat dann aber nur M oder aber XL. Man muss sehr schnell reagieren können, auch wenn in letzter Minute Änderungen vorgenommen werden müssen. Das ist Service.

Themenwechsel: Als Sie 1993 Puma-Chef geworden waren, stand das Unternehmen finanziell am Abgrund, Puma galt als Ramschware. Sie selber waren gerade einmal zweieinhalb Jahre in der Firma und erst 30 geworden. Warum haben Sie diesen Job angenommen?

Ich habe Herausforderungen immer gesucht und angenommen.

Und zugetraut haben Sie sich das auch?

Das habe ich mich nie gefragt.

Von 700 auf 5000 Mitarbeiter, von 200 Millionen auf 1,5 Milliarden Euro Umsatz. Wie haben Sie das geschafft?

Mit Konsequenz, einem hevorragenden Team und mit einer Marke, die zwar etwas verstaubt war, aber ein grosses Potenzial besass und heute noch besitzt.

Haben Sie mit so viel Erfolg gerechnet?

Auch dies eine Frage, die ich mir nie gestellt habe. Ich machte es mir zur Aufgabe, Puma wieder auf ein sicheres finanzielles Fundament zu stellen. Alles, was wir darüber hinaus erreicht haben, war und ist Kür.

Was war das Härteste, was Sie durchziehen mussten?

Am Anfang musste alles sehr schnell gehen, sonst hätte es für das Unternehmen keine Zukunft gegeben. Wir mussten 30 Prozent der Mitarbeiter entlassen und die deutschen Produktionsstätten schliessen. Das war 1993. Seither geht es Jahr für Jahr aufwärts, und wir konnten viele neue Arbeitsplätze schaffen.

Was machen Ihre Mitarbeiter den ganzen Tag?

Was für eine Frage! Sie arbeiten – als Designer, Entwickler, Kommunikatoren und Vertreiber unserer Produkte und Konzepte.

Aber sie stellen nichts mehr selber her?

Nein, wir haben die Produktion bereits vor vielen Jahren outgesourct.

Auf Ihrer Homepage ist immer wieder zu lesen von sozialer Verantwortung, ökologischem Bewusstsein und Nachhaltigkeit. Werden Sie dem überall, wo Sie produzieren lassen, auch gerecht?

Wir haben in diesen Fabriken hohe Umwelt- und Sozialstandards und erwarten, dass unsere Fabrikanten und Zulieferer sich daran halten. Natürlich kontrollieren wir das auch. Bei Verstössen gegen unsere Standards droht die Beendigung der Geschäftsbeziehung.

Sehen Sie sich als Weltverbesserer?

Nein, aber es ist in Fernost ein Prozess in Gang gekommen, der mit der industriellen Revolution in Europa eines Tages durchaus vergleichbar sein könnte. Nur ein Beispiel: Als ich vor 13 Jahren bei Puma anfing, hatten wir den Grossteil der Produktion in Taiwan, heute haben wir dort keine Hersteller mehr. Das Land hat sich weiterentwickelt, wie damals Europa. Auch China ist vielleicht in 20 Jahren kein Produktionsstandort mehr für uns. Vietnam, wo wir vor fünf Jahren noch nichts herstellen liessen, macht dagegen heute schon 20 Prozent unserer Produktion aus.

Sie bleiben, bis die Lohnkosten zu hoch sind, und ziehen dann weiter ins nächste Lohnparadies.

So würde ich es nicht sagen. Wir passen unsere Produktionskapazitäten sehr flexibel dem weltweiten Nachfrage-Angebots-Zyklus an und tragen somit auch zur Entwicklung einer besseren Infrastruktur in vielen Ländern bei.

Wofür steht Puma?

Für Individualismus. Der Puma ist kein Herdentier, unser Verbraucher auch nicht. Puma ist eine Sportlifestylemarke für Individualisten.

Individualist ist jeder, irgendwie.

Nein, viele orientieren sich in dem, was sie machen, an andern. Wir wollen keine Massenmarke sein, die alles für jedermann tut.

Gibt es Leute, die Sie mit Puma nicht ansprechen wollen?

Ja, jene, die der Mode immer hinterherlaufen.

Gibt es etwas, das Sie mit dem Label Puma nie tun würden?

Ja, Billigprodukte anbieten.

Wie geht es weiter mit Puma?

Seit Anfang Jahr sind wir in der Phase vier der Unternehmensentwicklung, es steht nun Expansion auf dem Programm. Wir schätzen das Potenzial des Unternehmens auf 3,5 Milliarden Euro und denken, dass wir einen grossen Teil davon bis 2010 erreichen können.

Sie wollen kein Massenlabel werden und doch wachsen wie wild. Wie denn?

Einmal, indem wir uns neue Märkte erschliessen, wie Indien und China. Andererseits werden wir mit dem Label laufend in neue Bereiche vorstossen.

Was denn?

Ab nächstem Jahr zum Beispiel machen wir Swimwear. Dieses Jahr sind wir ins Jeansgeschäft eingestiegen und ins Motorradgeschäft. Letztes Jahr haben wir zudem die ersten Kollektionen für Golfer auf den Markt gebracht.

Golfer sind zahlungskräftige, aber nicht gerade trendbewusste Leute – mindestens in der Schweiz.

Wenn wir in einen neuen Bereich einsteigen, blicken wir hier nicht aus dem Fenster, sondern schauen auf die weltweiten Märkte. In Japan und in den USA ist Golf ein Massensport, junge Kids spielen dort auf der Driving Range. Trendiges und viel Farbe sind dort durchaus angesagt.

Was sind Sie eigentlich für ein Manager?

Och, da müssen Sie doch nicht mich fragen.

Sagen Sie schon.

Ich kann es Ihnen nicht sagen.

Einer, der viel fordert?

Auf jeden Fall, ich erwarte von den Mitarbeitern, dass sie Verantworung übernehmen und nicht warten, bis sie diese auch bekommen.

Was für Leute haben Sie gerne um sich?

Solche, die wissen, was zu tun ist, und die rasch auf den Punkt kommen.

Was für Leute nerven Sie?

Politisch taktierende, Opportunisten.

Auf wen hören Sie?

Auf alle, die mir einen guten Rat geben können oder eine tolle Idee haben.

Wie entscheiden Sie, ob ein Ratschlag gut ist oder nicht?

Relativ spontan.

Hat Sie der Erfolg verändert?

Mich nicht, aber meine Aufgaben. Am Anfang war es ein kleines Unternehmen, und ich hatte viele Entscheidungen alleine zu treffen, weil wir eine Restrukturierung bewältigen mussten. Da darf man nicht auf zu viele Leute hören. Heute bin ich hier mehr der Coach und weniger derjenige, der auf allen Positionen aktiv mitspielen muss.

Welche ist Ihre Domäne?

Ich bin eher ein Allrounder …

… und mischen sich überall ein.

Ich mische mich ein, wenn ich denke, meine Meinung sollte gehört werden.

Haben Sie Führungsgrundsätze?

Nein.

Sie bezeichnen Ihr Unternehmen als «Multicategory-Sportlifestyle-Brand». Grässlich umständlich.

Dafür ziemlich präzis. Es heisst, dass wir als Marke viele Facetten haben und nicht auf einen einzigen Bereich spezialisiert, sondern in vielen verschiedenen Kategorien aufgestellt sind. Zudem bringt es zum Ausdruck, dass die Trennung von Sport und Mode heute nicht mehr existiert. Etwas funktional Gutes, das nicht über ein entsprechendes Design verfügt, kann man heute nicht mehr verkaufen.

Wovon hat es mehr bei Puma: Funktion oder Style?

Wir machen nicht Prêt-à-porter, sondern Sport-à-porter, von beidem steckt viel drin.

Wie viel Zeitz steckt in Puma?

Ein kleines bisschen. Puma ist schon längst nicht mehr nur an meine Person gebunden.

Wie viele Designer haben Sie im Haus?

Etwa 70, und wir arbeiten regelmässig mit Topdesignern zusammen, derzeit mit Alexander McQueen.

Sind für Sie auch Trendscouts unterwegs?

Nein, die benötigen wir nicht. Wir sind alle so viel unterwegs, dass wir nicht auch noch Leute dafür bezahlen müssen, dass sie sich auf der Welt für uns umsehen. Das erwarte ich von unseren Mitarbeitern.

Sie reden nicht gern über sich. Warum?

Dafür werde ich nicht bezahlt. Ich gehe auch in keine Talkshows, denn ich habe ein Unternehmen zu führen und es gehört nicht zu meinem Selbstverständnis, dass ich mich auch noch zur Lage der Nation äussere.

Und wenn Sie über Puma reden könnten?

Man kann nicht eine Situation automatisch auf eine andere übertragen. Jedes Unternehmen hat unterschiedliche Voraussetzungen und muss anders geführt werden. Ich halte nichts von so genannten Standards und Rezepten. Im Gegenteil, ich glaube, es muss jeder seinen eigenen Weg finden.

Iris Kuhn Spogat
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