BILANZ: Wie wichtig ist für Sie der Schweizer Markt?

Joe Mansueto: Als führender Finanzplatz für Vermögensverwaltung ist die Schweiz für uns sehr wichtig. Wir verzeichnen hier auch erfreuliche Wachstumsraten.

Welche Veränderungen beobachten Sie seit Ihrem Start 2005?

Wir sehen im Wesentlichen zwei Veränderungen. Einerseits gibt es im Anlegerverhalten eine Verlagerung weg von herkömmlichen Anlagefonds hin zu passiven, kostengünstigen Produkten oder aber zu teureren Speziallösungen mit alternativen Anlagen. Anderseits geht der Trend in der Regulierung von Provisionen zu Gebühren. In der Folge setzen Anlageberater vermehrt einfache Dachfondslösungen und verwaltete Portfolios ein. Die verschärften Vorschriften führen insgesamt zu steigenden Kosten für die Fondsanbieter. Das wird noch einige aus dem Markt drängen.

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Ist die Zeit der herkömmlichen Anlagefonds somit abgelaufen?

Ich denke nicht. Seit dem Jahr 2000 sind Anleger über die Performance von Aktien enttäuscht. Viele stiegen daher auf Obligationen um. Die nächsten zehn Jahre könnten für Aktien aber wieder interessant werden, während das Renditepotenzial bei Anleihen erschöpft zu sein scheint. Bessert sich die Performance von Aktienfonds, fliesst auch wieder neues Geld zu. Ich sehe Chancen für eine Renaissance.

Was heisst das für Morningstar?

Unsere Plattform ist schwergewichtig auf herkömmliche Fonds ausgerichtet. Ausserdem werden bei Anleihenfonds naturgemäss weniger Daten nachgefragt als bei Aktienfonds, was uns eher benachteiligt. Wir haben unser Informationsangebot aber an die neuen Trends angepasst, etwa im Bereich der ETFs.

Und wo sehen Sie weiteres Potenzial?

Die Fondswelt wird immer unser Kerngeschäft bleiben. Wir haben aber unser Angebot an Informationen über Aktien massiv ausgebaut. Wir bieten Kennzahlen zu Geschäftszahlen und Aktiendaten von 30 000 Firmen weltweit. Sehr beliebt sind auch unsere Daten zu 25 000 Indizes. Wir schufen selbst Indexgruppen zu Aktien, Anleihen, Rohstoffen und Strategieindizes. Sie dienen als Benchmark, aber auch als Basis für Indexprodukte.

Morningstar bietet auch Anlageberatung an. Was planen Sie da?

Wir haben Beratungsmandate für Vermögenswerte von insgesamt über 180 Milliarden Dollar. Ein Wachstumssegment sind unsere Angebote für die Altersvorsorge in den USA. Diesen Bereich wollen wir nun auch in England aufbauen.

Wie beeinflussen die Gesetzesreformen Ihr Geschäft?

Uns bieten sich da Chancen. Für unsere Kunden schaffen wir Lösungen, um die neuen Anforderungen zu erfüllen, um etwa die neuen, standardisierten Fondsinformationen – die Key Investor Documents (KIDs) – zu erstellen. Auf der anderen Seite sind die Kunden durch den steigenden Aufwand und die höheren Kosten gezwungen, auf gewisse Projekte mit uns in anderen Bereichen zu verzichten.

Auch in den USA wurde die Regulierung massiv verschärft. Mit welchen Folgen?

Das Hauptaugenmerk wurde auf die Kreditwürdigkeit gelegt, weil von da die Finanzkrise ausgegangen ist. Wir profitieren davon, weil wir unseren Kunden helfen, die Auflagen zu erfüllen. Kreditratings sind eine Spezialität von uns. Zudem bieten wir Lösungen zu den neuen Transparenzvorschriften bei Produkten für die Altersvorsorge.

Erwarten Sie, dass die Fondskosten durch die neuen Vorschriften steigen werden?

Der Konkurrenzdruck wird anhalten. Zumal Anleger verstärkt nach günstigen, passiven Produkten wie ETFs verlangen. Auch Anleihenfonds sind eher günstiger.

Wie wichtig sind Schwellenländer für Sie?

In Europa liegt noch immer unser grösstes Wachstumspotenzial. In den Schwellenmärkten sind die Wachstumsraten zwar höher, aber auf sehr bescheidenem Niveau. Diese Märkte brauchen noch fünf bis zehn Jahre, um eine vergleichbare Grösse zu erhalten.

Die Veränderungen in der Kommunikation dürften nicht spurlos an Morningstar vorbeigehen. Eine Chance?

Ja, sicher. Wir haben bei Windows 8, dem neuen Betriebssystem von Microsoft, eine Applikation für Aktien- und Fondsdaten in Echtzeit implementiert. Vor allem für Tablet-Computer entwickeln wir zudem Anwendungen, damit die User Daten und Dokumente von Morningstar beziehen können. Etwas weniger offensichtlich sind die Möglichkeiten bei Smartphones, weil da die Dateninformationen durch die Bildschirmgrösse begrenzt sind. Auch Social Media wie Facebook sind für uns bislang kein grosses Thema. Aus regulatorischen Gründen meiden viele Anbieter von Finanzprodukten diese Foren. Einige nutzen sie inzwischen allerdings für den Dialog mit Anlageberatern und Vermögensverwaltern.

Lassen sich Ihre Informationen universell anbieten, oder gibt es kulturelle Unterschiede zwischen den Regionen?

Grundinformationen wie zu Renditen, Risiken oder Kosten sind überall gleich und für Anleger gleich wichtig. Unterschiede gibt es in der Anlegermentalität. Deutsche Anleger sind eher auf Anleihenprodukte ausgerichtet, Franzosen auf den Geldmarkt. In England hingegen ist die Aktienkultur stärker ausgeprägt.

Wovon hängt das ab?

Ein entscheidender Faktor ist die Demografie. In Asien sind die Anleger eher jünger und mehr an Aktien interessiert. Mit zunehmendem Alter geht die Risikobereitschaft und -fähigkeit zurück. Dann treten verstärkt Anleihen- und Rentenprodukte in den Vordergrund.

Sie sind ein enger Freund von Warren Buffett. Wie investieren Sie?

Er ist sehr inspirierend. Ich bewunderte seinen einfachen und transparenten Anlagestil schon als Aktienanalyst, bevor ich 1984 Morningstar gründete. Mein grösstes Investment ist noch immer Morningstar selbst. Wir betrachten es auch immer als Investment, um das Angebot und das Unternehmen weiter voranzubringen und seinen Wert zu steigern. Daneben investiere ich in Firmen, die nachhaltige Mehrwerte schaffen.

Sie haben auch drei Printmagazine. Ein gutes Geschäft?

Ich liebe die Branche und glaube an das Potenzial guter Magazine. Aber sie sind sicher nicht meine besten Investments.

Wie sehen Sie die Zukunft der Printmedien?

Für Magazine sehe ich weit bessere Perspektiven als für Zeitungen. Print und Online können sich da gut ergänzen. Eine grosse Herausforderung sind die Tablets. Auf dem iPad sind die Unterschiede zum gedruckten Magazin sehr viel kleiner als im Internet auf dem Laptop. Und Sie können mehrere Zeitschriften auf dem iPad haben. Auf Reisen ist das sehr angenehm.

Sie sind 56. Was haben Sie noch vor?

Vorerst ist und bleibt Morningstar neben meiner Familie meine Hauptaktivität und Leidenschaft.

Wie lange wollen Sie noch CEO von Morningstar bleiben? Sie sind ja nach einem Unterbruch zurückgekehrt.

In den späten neunziger Jahren habe ich mich tatsächlich für einige Zeit auf die Rolle als VR-Präsident beschränkt. Aber vorerst bleibe ich gerne noch an der operativen Spitze. Wir haben ein tolles Team, speziell auch in Zürich. Derzeit habe ich keine anderen Pläne.

1984 gründete der Aktienanalyst Joe Mansueto (56) Morningstar, einen Informationsdienst für Anlagefonds. Inzwischen führt die Plattform Daten und Dokumente zu 385 000 Finanzprodukten und ist in 27 Ländern präsent. Acht Millionen Privatanleger nutzen jeden Monat das Informationsangebot. In der Schweiz ist Morningstar seit 2005 präsent und betreut über 200 institutionelle Kunden.