BILANZ: Herr Schweickardt, werden die Schweizer das Elektrizitätsmarktgesetz, das EMG, befürworten?
Hans E. Schweickardt:
Die Abstimmung ist für Sommer nächsten Jahres vorgesehen, da ist es jetzt noch zu früh, irgendwelche Prognosen zu wagen.

Was wird sich in der Energielandschaft verändern, wenn das EMG in Kraft tritt?
Dann wären die Rahmenbedingungen für einen liberalisierten Markt klar definiert und somit auch die Basis für den Börsenhandel von Strom. Wir sehen aber bereits jetzt ganz deutlich, dass die grossen Teilnehmer in der Schweiz die vorhandenen Freiräume aktiv nutzen.

Welche Rolle spielen heute Schweizer Versorgungsunternehmen an der EEX?
Mir fällt kein grosses Schweizer Verbundunternehmen ein, das nicht Teilnehmer an der EEX ist.

Die Schweizer Stromversorger beleben also das Geschäft an der EEX.
So ist es, wobei die Tätigkeit beim Handel an der EEX sich vor allem darauf ausrichtet, Verpflichtungen in Deutschland zu erfüllen, also hier Strom zu kaufen oder zu verkaufen für deutsche Kunden. Die Schweizer Versorger sind aber auch an unserem Terminmarkt aktiv, die meisten von Anfang an. Da können wir aber nicht unbedingt direkt nachvollziehen, ob es um Sicherungen für deutsche Geschäfte oder andernorts geht. Beim Termingeschäft als reinem Finanzprodukt sichere ich an der EEX ein Risiko der Preisentwicklung ab, das ich an einem anderen Ort habe. Einfacher ausgedrückt: Wenn die Preiskonvergenz zwischen dem deutschen Preis und dem Schweizer Preis gegeben ist, dann kann ich mich praktisch eins zu eins an der EEX absichern. Dadurch habe ich als Teilnehmer an der Börse dann ein deutlich geringeres Risiko, als wenn ich mich gar nicht abgesichert hätte.

Mit dem Swiss Electricity Price Index (SWEP) waren die Schweizer die Ersten, die Strompreise transparent gemacht haben. Inwieweit spielt der SWEP in der heutigen Situation noch eine Rolle?
Der SWEP ist für die Schweiz nach wie vor wichtig, denn es gibt eine ganze Anzahl von Unternehmen, die mit ihren Daten den SWEP bilden. Für das OTC-Geschäft (Over the Counter bedeutet ein Geschäft zwischen zwei Partnern, Anmerkung der Redaktion) ist er genauso wichtig wie der German Power Index (GPI). Die Leute in den Trading Floors beobachten den SWEP und den GPI genauso, wie ich das tue. Durch die Fusion der beiden Strombörsen in Deutschland, der EEX und der LPX, werden wir für Deutschland endlich ein einheitliches Indexkonzept schaffen. Damit wird die Bedeutung der EEX-Indizes für den deutschen Markt weiter steigen.

Der österreichische Strommarkt ist seit dem ersten Oktober liberalisiert, und die Österreicher streben nun eine eigene Strombörse an: Würden Sie den Schweizern zu gegebener Zeit zu einer Börse raten?
Eine Strombörse ist ein Geschäftsfall, bei dem am Tagesende ein positiver Abschluss stehen muss. Jedes Land muss für sich beurteilen, ob es einen positiven Geschäftsfall organisieren kann oder nicht, und dann ergibt sich automatisch eine Antwort darauf, ob sich eine solche Veranstaltung lohnt oder nicht. Das gilt für die Schweiz genauso wie für Österreich. Gehen Sie mal rein hypothetisch von einer kleinen Börse mit vielleicht fünf Angestellten aus. Zählen Sie dann die Personalkosten zusammen, addieren den jährlichen Landesstromverbrauch, überlegen, was davon an der Börse gehandelt wird, und dann sehen Sie ziemlich schnell, welche Gebühren eine Börse dann nehmen muss, um wirtschaftlich überlebensfähig zu sein. Für kleine Länder ist eine Börse jedenfalls recht kritisch, wobei es sehr darauf ankommt, ob die Anteilseigner eine Börse langfristig subventionieren wollen oder nicht.

Nach Anfangsschwierigkeiten kommt an der EEX das Termingeschäft so langsam in Gang: Sind Absicherungsgeschäfte für die Schweizer Spieler wichtiger als für andere Marktteilnehmer?
Das sehe ich nicht so. Jeder Spieler muss sein eigenes Portfolio kennen und entsprechend sein Risiko ableiten. Das Thema Portfoliomanagement ist dabei ein zentrales Thema. Wichtig beim Termingeschäft ist, dass es genügend Spieler am Markt gibt, die entgegensetzte Risikolagen haben, weil sonst ja kein Kauf oder Verkauf stattfinden könnte.

Wie aktiv sind Sie in der Schweiz, um noch mehr Geschäft an die EEX zu ziehen?
Wie gesagt, alle Schweizer Unternehmen, die im internationalen Handel tätig sind, sind bereits an der EEX. Darüber hinaus haben wir sehr enge Kontakte mit zusätzlichen möglichen Teilnehmern aus der Schweiz. Sobald sich die Öffnung über das Elektrizitätsmarktgesetz ergeben wird, werden wir spezielle Produkte für die Schweiz anbieten, soweit sie nicht durch deutsche Produkte schon erfüllt sind. Es ist zurzeit aber verfrüht, darüber schon konkret zu sprechen, aber wir sind vorbereitet.



Börsenmanager unter Strom
Hans E. Schweickardt, 56, wurde in St. Blasien im Schwarzwald geboren und hat seit 1959 seinen Wohnsitz in der Schweiz. Der diplomierte Elektroingenieur (ETH Zürich) war in verschiedenen Schweizer Unternehmen tätig, zuletzt bei der Aare-Tessin AG als Leiter des Geschäftsbereiches Energiewirtschaft und Mitglied der Geschäftsleitung.
1999 wechselte Schweickardt als Vorstand zur European Energy Exchange AG (EEX) nach Frankfurt am Main.
Nach der beschlossenen Fusion mit der Leipziger LPX wird Schweickardt gemeinsam mit dem jetzigen LPX-Geschäftsführer Dr. Carlhans Uhle die Geschicke der neuen EEX leiten.



Auf dem Weg zu einer europäischen Energiebörse
Januar 1999 Deutsche Börse plant Energiebörse.

Juni 1999 Energiewirtschaft spricht sich für die Initiative der Deutschen Börse zum Aufbau einer Deutschen Energiebörse (German Energy Exchange, GEX) aus.

Juni 1999 Die Deutsche Energiebörse wird europäisch. Schweizer Verbundunternehmen und Stadtwerke unterstützen Energiebörse. Aus der German Energy Exchange wird die European Energy Exchange (EEX). Der Aufbau der Börse wird organisatorisch bei Eurex, der Terminmarkt-Tochter der Deutschen Börse, angesiedelt.

Oktober 1999 EEX kündigt Spotmarkt für Strom an, Verbändevereinbarung 2 liefert die Grundlage.

November 1999 EEX gründet mit der EEX AG die Trägergesellschaft für die Energiebörse. Die EEX AG übernimmt den Aufbau eines Spotmarktes und eines Terminmarktes.

Januar 2000 Energiewirtschaft übernimmt Mehrheit an der EEX AG. Europäische Energiehändler, Netzbetreiber, kommunale Versorger und internationale Banken halten 52 Prozent an der EEX AG, Eurex die restlichen Anteile.

März 2000 EEX stellt integriertes Konzept für Spotmarkt und Terminmarkt vor. Xetra ist das Handelssystem für den Spotmarkt, Eurex das Handelssystem für den Terminmarkt.

Mai 2000 EEX bindet die ersten Teilnehmer für den Spotmarkt an ihre Systeme an.

Juni 2000 EEX startet Handelssimulation für den Spotmarkt.

August 2000 Der Spotmarkt der EEX startet am 8. August.

Oktober 2000 EEX startet Handelssimulation für den Terminmarkt.

Dezember 2000 EEX berechnet Stromindizes.

März 2001 EEX-Terminmarkt startet am 1. März 2001.

Oktober 2001 EEX und LPX geben auf einer gemeinsamen Pressekonferenz in Berlin ihre Fusion zum Anfang des kommenden Jahres bekannt. Die fusionierte Strombörse, die European Energy Exchange AG (EEX) heissen wird, soll ihren Sitz in Leipzig haben. An der neuen EEX werden rund 90 Teilnehmer aus neun Ländern handeln. Bisher werden an beiden Spotmärkten rund 90 000 MWh pro Tag umgesetzt. Das entspricht einem Anteil von 6,6 Prozent des in Deutschland abgesetzten Stroms. Mittelfristig peilt die neue EEX einen Marktanteil von rund 20 Prozent an. Die neue Eigentümerstruktur der einzigen deutschen Strombörse: Die bundesdeutsche Energiewirtschaft hält 28,45 Prozent der neuen EEX-Anteile, die Eurex 24,73 Prozent. Weiterhin beteiligt sind die skandinavische Strombörse Nord Pool (16,13 Prozent), die Landesbank Sachsen (16,13 Prozent), der Freistaat Thüringen sowie die Bankgesellschaft Berlin (0,20 Prozent), der Freistaat Sachsen und die Stadt Leipzig (6,86 Prozent). Die restlichen 7,5 Prozent der Anteile, die von der Stadt und dem Freistaat Sachsen abgegeben werden, sind noch frei und werden Energieunternehmen zum Kauf angeboten.
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