Politische Börsen, so heisst es gemeinhin an den Kapitalmärkten, hätten kurze Beine. Doch die Euphorie nach dem überraschenden Erfolg von Donald Trump bei den US-Präsidentschaftswahlen Anfang November hält nun schon fast drei Monate an. Am Mittwoch dieser Woche gelang dem Dow Jones Industrial sogar der Sprung über die Marke von 20’000 Punkten – ein Rekordhoch in der über 130-jährigen Geschichte des weltweit beachteten Börsenbarometers.

Fast zehn Prozent ging es seit der Wahl mit den wichtigsten US-Aktienindizes bergauf. Dabei hat Trump erst vor einer Woche die Amtsgeschäfte übernommen. Es ist also überhaupt noch nicht klar, wie er die grösste Volkswirtschaft der Welt führen wird. Trump gilt mithin als einigermassen unberechenbar – und Unsicherheit ist, einem weiteren Börsianer-Sprichwort zufolge, eigentlich Gift für die Märkte.

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Signal zur Deregulierung

Wie also ist der Trump-Effekt auf die Märkte zu erklären? Offensichtlich durch mehr als blosse Psychologie. Zunächst hatte der neue Präsident über seinen Finanzminister Steve Mnuchin, einen früheren Goldman-Sachs-Manager, bereits vor dessen Ernennung klar gemacht, dass die zuletzt immer strengere Regulierung der Banken wohl alsbald gelockert wird. So will Mnuchin unter anderem die jüngsten Einschränkungen für den Eigenhandel der US-Banken lockern. Für die Finanzindustrie eröffnet das nicht nur einen zuletzt blockierten Weg zu Erträgen. Trump sendet darüber hinaus auch nach Jahren der Gesetzesverschärfung ein deutliches Signal zur Deregulierung.

Eine Woche nach Amtsübernahme stehen die Zeichen in den USA auf Regime-Wechsel. So hat Trump erneut bekräftigt, dass er Steuererleichterungen für US-Unternehmen plant, hat sein geplantes Infrastrukturprogramm zur Ankurbelung der Binnenkonjunktur konkretisiert, und er hat erste Schritt hin zu einer neuen protektionistischen Zoll- und Handelspolitik unternommen. «Donald Trumps Bekenntnis, die Haushaltsausgaben auszuweiten, und seine handelspolitische Haltung beeinflussen den Ausblick für das Jahr 2017 massgeblich», urteilt Steven Bell, Chef-Volkswirt der Fondsgesellschaft BMO Asset Management in London.

In einem ohnehin robusten Konjunkturumfeld könnte das Wirtschaftswachstum der USA einen Schub erfahren. So rechnet beispielsweise HSBC Global Asset Management mit einem um 0,5 Prozentpunkte höheren Wachstum für 2017 und sogar einem ganzen Prozentpunkt Sonderkonjunktur für 2018. Das Wachstum der USA dürfte dadurch zeitweise über drei Prozent liegen, die Unternehmensgewinne steigen. «Die gute Stimmung hat gut Gründe», urteilen die HSBC-Strategen.

Verunsicherungen bestehen weiter

Das alles steht indes unter dem Vorbehalt, dass Trump da weitermacht, wo er in dieser Woche begonnen hat – beziehungsweise sich dort bremst, wo Ankündigungen aus dem Wahlkampf der Wirtschaft schaden könnten. «Entscheidend ist, wie gemässigt Trump künftig mit innen- oder aussenpolitischen Spannungen umgehen wird. Denn grundsätzlich besteht das Risiko, dass die Finanzmärkte mit Angstverkäufen reagieren», warnt BMO-Ökonom Bell. Eine aktuelle Umfrage der Bank of America Merril Lynch bestätigt, für wie labil die Investoren die aktuelle Lage halten. Einerseits schichten sie derzeit massiv Kapital aus Obligationen in Valoren um. Zugleich haben sie aber zuletzt auch die Liquiditätsreserven erhöht.

Kein Wunder: 29 Prozent der 215 befragten Fondsmanager halten Handelskriege und Protektionismus für die grössten Gefahren auf den Märkten. Die Vehemenz, mit der Donald Trump in den vergangenen Tagen sein Projekt eines Mauerbaus an der Grenze zu Mexiko vorantrieb, und seine Ideen über «Border Taxes», also Strafzölle auf Einfuhren, dürften die Skeptiker noch mehr verunsichern.

Absturz erwartet niemand

Die Aussichten sind also alles andere als klar – und die Erwartungen, die sich in den jüngsten Kurzanstiegen in den USA widerspiegeln, sehr hoch, betont Karsten Junius, Chefökonom der Basler Bank J. Safra Sarasin: «Die nach wie vor bestehende Gefahr ist, dass die Märkte sich auf ein perfektes politisches Umfeld eingestellt haben, bei dem die erwartete neue Wirtschaftspolitik schnell Früchte trägt.» Sollte sich also herausstellen, dass Trumps Selbstbewusstsein weitaus höher ist als seine Macht, dann könnte eine Enttäuschungswelle die Märkte erschüttern. Für Investoren die auf der Hut sind, muss das nicht mal eine schlechte Nachricht sein, denn schwankungsreiche Zeiten bieten immer auch Investitions-Gelegenheiten.

Einen regelrechten Absturz der US-Börsen erwartet unter Ökonomen derzeit ohnehin niemand. Dafür präsentiert sich das makroökonomische Umfeld schlicht zu stark. Niedrige Ölpreise und billiges Geld bringen offenbar endlich die Weltkonjunktur in Fahrt. Auch das Vertrauen der Unternehmen und Verbraucher in den USA war zuletzt massiv gestiegen. Allein die ansteigende Inflation, ein immer stärkerer US-Dollar und steigende Hypothekenzinsen bereiten den Investoren Sorgen. Das könnte die Erfolge eines Trumpschen Konjunkturprogramms im Jahr 2018 ausbremsen.

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