Apple, Microsoft, Netflix, Facebook, Amazon und Tesla. Oder Logitech und Temenos: die Stars an der Börse waren in den vergangenen Jahren die Technologie-Aktien. Besonders Anlegerinnen und Anleger, die noch nicht allzu lange an der Börse waren, griffen bei diesen Papieren zu. Das hatte eine gewisse Logik, denn Tech-Themen wie Software, Cloud, E-Commerce, Elektroautos oder die Automatisierung sind auch Zukunfts-Stories.

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Jüngere Traderinnen und Trader wollen an der Börse an jenen Innovationen und Technologien teilhaben, die im Laufe ihres Lebens noch wichtiger werden.

Die Euphorie kritischer hinterfragen

Die Börseneuphorie nach dem Corona-Einbruch 2020, zahlreiche Börsengänge im Tech-Sektor und bejubelte Leitfiguren wie Fondsmanagerin Cathie Wood trieben den Hype an. Bis vor Kurzem ohne grössere Schäden anzurichten. Der Chart des Nasdaq 100 der letzten zehn Jahre zeigt es genau: Tech-Aktien sind bisher schlicht und einfach sehr gut gelaufen. 

nasdaq

Fast ohne Abstürze auf dem Weg nach oben: Der Nasdaq 100 seit 2012

Quelle: cash.ch

Es gab zwei grössere Rücksetzer: 2018 wegen steigender Zinsen und 2020 wegen der Corona-Krise. In beiden Fällen stiegen die Kurse aber kurz nach der Delle weiter. Alles, was mit Technologie und Zukunftsthemen zu tun hatte, wurde gekauft. Kurstreiber waren die Erwartungen an die Unternehmen, ob sie nun Gewinn machten oder nicht. 

2018 und 2020 allerdings war die Inflation kein Thema. Vor drei Jahren war die US-Notenbank Federal Reserve, kurz Fed, dabei, die Zinsen im Sinne einer allmählichen «geldpolitischen Normalisierung» anzuheben. Jetzt steht sie unter dem Druck steigender Preise, was zu einer schnellen Anhebung der Zinsen führen könnte.

Die Unruhe der Finanzmärkte in den vergangenen Tagen hat viel damit zu tun, dass die Fed wegen der Inflation eine Getriebene ist.

Tech-Aktien sind nicht gleich Tech-Aktien

Für die Kurse jener Firmen, die besonders stark von Erwartungen leben, stellt sich inzwischen ein grösseres Problem ein.  An der Wall Street, wo die wichtigsten Tech-Aktien der Welt gehandelt werden, verlieren jene Firmen ihre Glanz, die bisher noch kein Geld verdienen. 

Ganze Sektoren des spekulativen «Story Stocks»-Universums würden fallengelassen, schreibt Mike Santoli, Chef-Kommentator des Finanz-Senders CNBC.

Nun sollte man sich stärker als zuvor fragen, ob eine Firma überhaupt Gewinn erwirtschaftet.

Die Ursache sieht er in «zu vielen Börsengängen von unausgereiften Firmen, zu viel Schmerz im Portfolio, zu viel Glaube, dass diese Aktien nicht funktionieren, wenn die Fed die Zügel strafft.»

Anlegerinnen und Anleger müssen sich jetzt genauer darüber informieren, ob Firmen, deren Aktien sie gekauft haben, überhaupt Gewinn schreiben. Der Markt schaut jetzt stärker darauf, wie Unternehmen verschuldet sind oder ob sie durch einen soliden Cash-Flow in einer guten finanziellen Lage sind.

Bis vor Kurzem spielte dies fast keine Rolle. Nun trennt sich die Spreu vom Weizen.

Vor allem viele kleinere Firmen, die 2021 allenfalls schon skeptisch angeschaut wurden, fallen jetzt einer «Flurbereinigung» zum Opfer.  Ein aktuelles Beispiel ist das Fintech Wise, ehemals Transferwise. In der Londoner Börse ist der letzten Sommer an die Börse gegangene Zahlungsabwickler in den vergangenen Tagen abgestürzt.

Für Analysten sind die Umsatzerwartungen des vorher gefeierten Unternehmens plötzlich «exzessiv». 

Wise Aktie

Raketenartiger Start, Kursanstieg, Ernüchterung, jetzt ein Ausverkauf: Das Schicksal der Wise-Aktie (hier seit Listing im Juli 2021) ist nicht untypisch für Hype-Titel.

Quelle: cash.ch

Wenn Unternehmen zusätzlich noch negative Nachrichten vermelden, verschlimmert sich die Lage. Typische Beispiele sind das US-Unternehmen DocuSign oder an der Schweizer Börse Zur Rose. Beide sind nicht profitabel, weil sie stark wachsen und viel für Investitionen aufwenden. 

DocuSign, ein Unternehmen für elektronische Unterschriften, brach wegen eines Quartalsberichts im November an der Börse ein. Die E-Commerce-Apotheke Zur Rose wurde durch die verzögerte Einführung des elektronischen Rezepts in Deutschland zurückgeworfen. 

Aktien-Bewertungen werden wieder wichtiger

Soll man es der Wall Street gleichtun und solche Aktien radikal verkaufen? Besser ist es, das Risiko gering zu halten. Kleine Positionen solcher Firmen zu halten, ist langfristig gesehen sinnvoll, weil sie den Konsum und die Wirtschaft der Zukunft prägen.

Wer aber zu viel auf Firmen mit «exzessiven» Erwartungen wie Wise gesetzt hat, sollte deren Anteil im Aktien-Portfolio reduzieren. 

In einer besseren Lage sind grosse Konzerne. AmazonAlphabet (Google), Nvidia und Salesforce, oder in der Schweiz die Tech-Grössen Logitech und Temenos sind stabile Unternehmen. Trotzdem könnte die jetzige Marktlage ihnen mehrere Monate mit einer unterdurchnittlichen Performance bescheren. Ihr Problem ist – zwar etwas weniger stark als bei den unprofitablen Firmen – die Bewertung. 

Der grösste Fehler in der jetzigen Lage wäre, überstürzt zu verkaufen.

Die Kurse sind gemessen an den erwarteten Gewinnen über längere Zeiträume betrachtet hoch. Dieser Umstand wurde lange fast ignoriert, aber die Situation hat sich geändert: «Der negative Bewertungsbeitrag wird grösser», sagt Anastassios Frangulidis, Anlagechef von Pictet Asset Management.  

Klumpenbildung wird bestraft

Verkaufen müsse man diese Unternehmen deswegen nicht. Aber wie viele andere Anlagespezialisten empfiehlt auch Frangulidis, das Portfolio besser auszubalancieren. Das heisst, bei den gut gelaufenen Titel durchaus einen Teil zu verkaufen und in jene Segmente zu investieren, die jetzt mehr gefragt sind. 

Dies rückt zwangsläufig jene Aktiensegmente in den Fokus, die Tech- und Wachstums-Fans gern einmal als «langweilig» betrachten. Beispielsweise Pharma-Aktien gemeint, die sich im Vergleich zu den Tech-Turbos eher gemächlich bewegen.

Auch Finanzaktien sind gut ins neue Jahr gestartet. Für die Diversifikation im Portfolio eignen sich die - ebenfalls «langweiligen» Versicherungs-Aktien allerdings besser als die volatileren Banken.

Und: Selbst Tech-Fans unter den Investorinnen und Investoren sollten sich überlegen, auch einen Teil der Aktien in Titeln zu halten, die gute Dividenden versprechen. Profis machen es ja auch so. Wachstums-Titel gehören traditionell nicht dazu, denn wie der Name sagt, fliessen dort die Gewinne ins Wachstum. (Welche Dividenden-Aktien sich jetzt in der Schweiz anbieten, finden Sie hier.)

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Nicht zu diversifizieren, hat in den letzten zwei oder drei Börsenjahren kaum eine Bestrafung mit sich gezogen - die Renditen waren zu gut. Mit den veränderten Bedingungen im Markt könnte dies 2022 anders sein. 

Der wichtigste Rat: Investiert bleiben

Der grösste Fehler in der jetzigen Lage wäre allerdings, überstürzt zu verkaufen. Mit Ausnahme von jenen, die «Momentum Trading» - also mit Käufen und Verkäufen die Kursbewegungen ausnutzen - beherrschen oder dabei einfach Glück haben, bringt hektisches Verhalten vor allem Verluste.

Der Markt erlebt immer wieder Rücksetzer.

Der Sinn langfristigen Anlegens ist es, gewisse Krisen auch einfach durchzustehen. Nur bei starken Übertreibungen kann es sein, dass eine Chance nicht noch einmal kommt. Deswegen der Rat, bei besonders empfindlichen, hoch bewerteten Aktien Vorsicht walten zu lassen. 

Die Lage am Aktienmarkt insgesamt ist anders, aber nicht per se schlechter geworden. «Zu einer Korrektur von 20 Prozent kommt es nur, wenn die konjunkturelle Perspektive schlechter wird», sagt Pictet-Stratege Frangulidis.

Nach seinen Wachstumsprognosen dürfte die Dynamik 2022 mit 4,8 Prozent weltweit tiefer liegen als 2021 mit 6 Prozent. «4,8 Prozent Wachstum liegt aber immer noch über dem Potential, dies gilt auch für die USA und Europa

Auch den steigenden Leitzinsen in den USA sieht Frangulidis zunächst gelassen entgegen: «Wenn die Geldpolitik restriktiver wird, dann steigt die Volatilität und das Risiko von Korrekturen. Ich vermute aber, dass eine Korrektur von 20 Prozent oder mehr erst 2023 ein Thema sein kann.»