Als die Credit Suisse am 3. November 2000 die amerikanische Investmentbank Donaldson, Lufkin & Jenrette für 20 Milliarden Franken übernahm, wechselten damit auch US-Hypothekarschulden im Wert von 26 Milliarden Dollar oder umgerechnet rund 43 Milliarden Franken den Besitzer. Das war damals ein lukratives Geschäft für die Schweizer, denn amerikanische Hypotheken warfen mit durchschnittlich 7,5 Prozent fast doppelt so hohe Erträge ab wie schweizerische. Die Kehrseite der Medaille: schwer abschätzbare Risiken.

«In einem fallenden Immobilienmarkt würden wir beträchtliche Verluste erleiden», warnte die Credit Suisse im Emissionsprospekt anlässlich ihres Börsengangs an der New York Stock Exchange. Schliesslich hatte sie schon einmal Probleme mit US-Immobilien. Derzeit hat die Credit Suisse First Boston (CSFB) zwar noch bis zu zehn Milliarden Dollar an US-Hypothekardarlehen auf ihren Büchern. Hunderte von Einzeldarlehen hat sie aber im letzten Jahr zu Pools gebündelt, anschliessend in Form von Zertifikaten an Investoren verkauft und sich damit deutlich mehr als die Hälfte der einst von Donaldson, Lufkin & Jenrette übernommenen Kreditrisiken vom Hals geschafft.

Bei der CSFB ist man nicht mehr so positiv in Bezug auf den amerikanischen Immobilienmarkt gestimmt wie auch schon. «Auf den ersten Blick sieht das Bild für den Hypothekenmarkt zwar rosig aus, doch wenn man genauer hinschaut, sieht man Wolken am Horizont», mahnt CSFB-Analyst James Nimberg. Neben den tieferen Zinsen, die das Geschäft tendenziell uninteressanter machen, sind es vor allem die steigenden Zahlungsausfälle, die Nimberg Sorge bereiten. Er rechnet mit einem deutlichen Nachfragerückgang.

Die Schweizer waren bei weitem nicht die Einzigen, die ihre Hypothekarkredite über die Börse im grossen Stil verkauften. Der Markt für Hypothekarschuldverschreibungen, so genannte Mortgage-backed Securities (MBS), eilte in den letzten Jahren von einem Rekord zum nächsten. Den letzten gab es wenige Wochen nach dem Attentat auf das World Trade Center, als das Emissionsvolumen auf 20 Milliarden Dollar hochschnellte. «Insgesamt hat sich unser Volumen im letzten Jahr im Vergleich zu 2000 analog zum Gesamtmarkt um 50 Prozent erhöht», meldet die CSFB.

Einmal abgesehen von den Technologiebörsen, war in den letzten Jahren wohl kaum ein Markt so heiss wie der amerikanische Immobilienmarkt. Tiefe Zinsen und der Wirtschaftsboom haben in den USA eine wahre Eigenheimkauforgie entfacht. Die Eckdaten des amerikanischen Immo-Wunders strotzen nur so vor Superlativen:
  • Im dritten Quartal 2001 erreichte die Eigenheimquote in den USA mit 68,1 Prozent ein neues historisches Hoch. Wurden 1994 noch durchschnittlich 650 000 Einfamilienhäuser pro Monat abgesetzt, stieg diese Zahl bis 2001 auf rund 900 000 Einheiten. Die Steigerungsrate lag deutlich über derjenigen des Bevölkerungswachstums (25 Prozent).
  • Mit einem Haus oder einer Eigentumswohnung liess sich streckenweise mehr Profit herausschlagen als an den Börsen. Gemäss dem Home Price Index der Federal Home Loan Mortgage Corporation («Freddie Mac») stieg der durchschnittliche Wert eines Hauses zwischen 1996 und 2001 jedes Jahr um 6,6, in den Städten an der Nordostküste gar um 9,3 Prozent. Selbst während der Börsenbaisse ging die Preisinflation ungehindert weiter. So verteuerten sich Häuser in den Metropolen Boston, New York, Los Angeles und San Francisco im letzten Jahr um durchschnittlich zehn bis zwölf Prozent. Wer im Spätsommer 2000 im kalifornischen Santa Barbara ein Haus kaufte und es ein Jahr später wieder verkaufte, löste Traumprofite von 35 Prozent und mehr.
  • Der Wirtschaftsboom heizte auch dem kommerziellen Bau kräftig ein. Zwischen 1995 und 2000 hatten sich der Büro- und der Hotelbau in den USA wertmässig mehr als verdoppelt. Einen vergleichbaren Anstieg hatte es letztmals in der Periode 1980 bis 1985 gegeben.
  • Mit dem Boom kamen auch die Schulden. Gemäss der Vereinigung der amerikanischen Hypothekarbanken, der Mortgage Bankers Association, haben sich die landesweiten Hypothekarschulden auf den Einfamilienhäusern zwischen 1995 und 1999 auf 730 Milliarden Dollar mehr als verdoppelt. Ende der Neunzigerjahre erreichte das Verhältnis der Verschuldung zum Immobilienwert im Eigenheimsektor mit 79 Prozent einen neuen Höchststand.
    Waren die stetig steigenden Preise der jüngsten Vergangenheit für die Financiers pures Gold, weil sich dadurch das Finanzierungsrisiko stetig verminderte, lässt die Rezession nun wenig Gutes erwarten. Zwar präsentiert sich der amerikanische Immobilienmarkt im Vergleich zum Rest der US-Wirtschaft immer noch in erstaunlich robuster Verfassung. Doch je länger die Rezession dauert, desto deutlicher wird, dass das Massensterben der Internet- und Telekommunikationsfirmen, die Energiekrise in Kalifornien und die Misere im verarbeitenden Gewerbe die Leerstandsquoten langsam steigen und die Preise sinken lassen. Unter dem Druck des Börsencrashs, der Gewinneinbrüche und Massenentlassungen steigt die Zahl derer, die ihre Schulden nicht mehr bedienen können oder wollen. In der Branche häufen sich die Hiobsbotschaften:
  • Als der texanische Energiemulti Enron im Winter 2001 den Abbau von 4000 Stellen bekannt gab, wurden in Houston auf einen Schlag mehrere Hunderttausend Quadratmeter Bürofläche frei. Ein 40-Etagen-Hochhaus, das ursprünglich für Enron-Mitarbeiter geplant war und voraussichtlich im Februar 2002 fertig gestellt sein wird, droht nun zur grössten Bauruine der Stadt zu werden.
  • Rund ein Drittel der im letzten Jahr in Verzug geratenen Kredite ging auf das Konto der Hotellerie, die mit einem Einnahmenausfall von 8,6 Milliarden Dollar nach der Luftfahrt am stärksten unter Wirtschaftsflaute und Terrorangst leidet. Eines der prominentesten Opfer ist das Hotel- und Kasinounternehmen Trump Atlantic City Associates, das im vergangenen Oktober die Zinszahlungen auf Hpyothekaranleihen im Wert von über 1,5 Milliarden Dollar einstellen musste.
  • Die Rezession zwingt auch immer mehr Haushalte in die Knie. Ende vergangenen Jahres stieg der Anteil der säumigen Hypothekarschuldner auf 4,87 Prozent – den höchsten Stand seit 1991. Bei der MGIC Investment Corporation, einem der grössten Hypothekarversicherer der USA, stieg der Anteil der Not leidenden Kredite im letzten Jahr von 2,58 auf 3,46 Prozent an.
  • Erstaunliches zu Tage gefördert hat eine Studie der US-Maklerfirma CB Richard Ellis über die Auswirkungen des Attentats aufs World Trade Center in New York. So hätten sich die Erwartungen, dass die Zerstörung von rund 2,8 Millionen Quadratmetern Bürofläche zu einer Reduktion der Leerstandsquote in New York führen würde, nicht erfüllt. Im Gegenteil: Ende September lag diese mit 8,1 Prozent sogar um rund einen Prozentpunkt höher als per Ende August. «Viele Firmen sind in Hotels oder in umliegende Städte gezogen», begründen CB Richard Ellis das Phänomen.
Die Immobilienbesitzer Manhattans müssen den Gürtel nun enger schnallen. Konnten sie den Quadratfuss vor dem Attentat noch zu durchschnittlich knapp 50 Dollar vermieten, ist der Preis mittlerweile auf 48 Dollar gefallen.

Kritische Bemerkungen zum amerikanischen Immobilienmarkt gab es erstmals auch von Alan Greenspan. In seiner Rede vom 11. Januar in San Francisco äusserte der US-Notenbankpräsident Zweifel an der Stabilität des Immobilienmarktes. Greenspans Sorge galt dem jüngsten Anstieg der Hypothekarzinsen. Der Zinsanstieg, so Greenspan sinngemäss, könnte die Nachfrage und den Preisauftrieb bei den Eigenheimen dämpfen.

Durchschnittlich 50 000 Dollar betrug der unrealisierte Gewinn je Eigenheimbesitzer im letzten Jahr, wie der amerikanische Hauseigentümerverband National Association of Realtors (NAR) kürzlich errechnet hat. 66 Prozent der amerikanischen Hausbesitzer, so die NAR, hätten sich diesen Betrag über Darlehen oder Barvorschüsse auszahlen lassen. Laut Berechnungen der US-Notenbank flossen so im letzten Jahr an die 75 Milliarden Dollar in die Taschen der Konsumenten zurück. «Diese Gewinne waren eine wichtige Stütze für den amerikanischen Konsum», erklärte Greenspan. Bleiben sie aus, droht schon der nächste negative Wohlstandseffekt.
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