Was kommt als Nächstes? Meine letzte Kolumne: überholt. Sie erschien kurz bevor US-Präsident Donald Trump mit seinen Zollplänen die globalen Aktienmärkte erschütterte. Was folgt? Niemand weiss es – vielleicht nicht einmal Trump selbst.

Doch eine wichtige Erkenntnis lässt sich aus dem Chaos Anfang April ableiten: Es ist sinnlos, auf Basis allgemein bekannter Informationen den richtigen Zeitpunkt für den Markteinstieg zu wählen. Gleiches gilt für Panikverkäufe. Lassen Sie mich dies erklären.

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Trumps Fixierung auf Zölle war kein Geheimnis. Warum also reagierten die Märkte nach der Ankündigung vom 2. April plötzlich so nervös? Ganz einfach. Bis dahin beliefen sich die angedrohten Zölle auf nur 0,75 Prozent des US-BIP – höchstens. Nicht gut, aber zu wenig, um die befürchteten wirtschaftlichen Verwerfungen auszulösen – und die Aktienkurse zu beeinflussen.

Der Gastautor

Ken Fisher ist Gründer und Executive Chairman von Fisher Investments, einer Vermögensverwaltungsfirma mit Niederlassungen weltweit, die über 295 Milliarden Dollar verwaltet. Fisher zählt zu den einflussreichsten (und auch reichsten) Investmentmanagern der USA.

Abgesehen von China, Mexiko und Kanada waren nur wenige Länder betroffen. Der implizite «Dirty 15»-Status der Schweiz schien durch Handelsgespräche verhandelbar. Allerdings war die Angst gross, was positive Überraschungen begünstigte.

Dann kam der verrückte «Liberation Day» mit deutlich höheren, umfassenderen und teils bizarren Zollregelungen, die kaum jemand vorhergesehen hatte. Trumps pauschale 10-Prozent-Abgaben und weitaus höhere, «reziproke» Zölle sorgten für Verunsicherung. Der SPI und die Aktienkurse weltweit stürzten ab.

Die Märkte können solch grosse, unsinnige Überraschungen unmöglich im Voraus einpreisen. Die derzeit ausgesetzten «reziproken» Zölle orientieren sich nicht an den tatsächlichen Zöllen, die andere Länder von den Vereinigten Staaten erheben. Gar nicht. Die Schweiz erhebt im Schnitt 1,7 Prozent Zoll – Trump wollte 32 Prozent! (Oder 31 Prozent – offizielle US-Quellen widersprechen sich!) Vietnam liegt bei 5,1 Prozent – Trump verlangte 46 Prozent. Wie bitte?!

Die für alle – inklusive Schweizer Behörden – verwirrenden reziproken Zölle Trumps leiten sich aus dem US-Handelsdefizit mit den einzelnen Ländern ab, in der Annahme, dass es sich dabei um «Betrug» handelt. Völlig unlogisch! (Und widersprüchlich, da die allgemeinen Zölle von 10 Prozent auch für Länder gelten, mit denen die USA einen Handelsüberschuss haben.)

Handelsbilanzen allein sagen ohnehin wenig über wirtschaftlichen Erfolg aus. Immer. Betrachten wir Frankreich und Deutschland: Frankreich verzeichnet seit 2008 jährliche Defizite, während Deutschland enorme Überschüsse erzielt. Dennoch war das annualisierte Wachstum des französischen BIP mit 0,9 Prozent etwas besser.

Russland verzeichnete stetig hohe Überschüsse. Die USA seit den 1970er-Jahren Defizite. Welche Volkswirtschaft scheint robuster zu sein?

Überschüsse sind nicht schlecht – Handelsbilanzen allein sagen einfach nichts über das künftige Wachstum aus.

Am 9. April dann der nächste überraschende Kurswechsel: Trump setzte die reziproken Zölle – mit Ausnahme Chinas, das höhere Zölle erhielt – für neunzig Tage aus. Während China prompt Gegenzölle ankündigte, liess Trump verlautbaren, dass 75 Länder Gesprächsbereitschaft zeigen. Dies rechtfertigte seiner Meinung nach eine Verzögerung.

Was also kommt jetzt? Selbst wenn alle Zölle doch umgesetzt werden, wären die Auswirkungen wohl geringer als befürchtet. Warum? Infrastruktur, Systeme und Personal für eine Erhebung sind schlicht nicht vorhanden. Mit nur 2500 Mitarbeitenden ist die für die Zölle zuständige Abteilung der US-Zoll- und Grenzschutzbehörde unterbesetzt. Die Einstellung weiterer Mitarbeitenden dauert sehr lange. Zudem ist die veraltete Technologie bei hohen Volumina nicht erprobt.

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Hinzu kommen rechtliche Bedenken. Die verordneten Zollsätze dürften verfassungswidrig sein und gehen über die von Trump angeführten Gründe einer «nationalen Notlage» hinaus. Erste Klagen laufen bereits.

Oder vielleicht kommt es am Ende doch zu Vereinbarungen, die Handelsbarrieren noch weiter abbauen. Das wäre eine grosse positive Überraschung.

Gleichwohl ist dies keine geeignete Methode, um Wirtschaftspolitik zu betreiben. Unternehmen mögen keine Unsicherheit. Durch chaotische, unlogische Zölle wird diese nur noch verstärkt.

Was also tun als Anleger? Fragen Sie sich zunächst: Was wissen Sie über Trumps Zölle, was andere nicht wissen? Solange Sie keine exklusiven, nicht bezifferbaren Informationen haben, gibt es keinen Grund für Massnahmen. Wer zur Finanzierung seiner Ziele aktienähnliche Renditen benötigt, geht mit dem Ausstieg aus Aktien das grösste Risiko ein. Üben Sie sich also in Geduld.