Verschwiegenheit ist in einer Branche, in der es um Geld geht, viel wert. Wir sprechen von einer Summe, mit der sich Griechenland gleich zweimal sanieren könnte: 650 Milliarden Franken. So viel verwalten unabhängige Vermögensverwalter in der Schweiz. Das Geld ist zwar meist bei Banken parkiert, aber was damit passiert, wo es investiert wird, darüber bestimmen nicht diese, sondern eben unabhängige Vermögensverwalter.

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Verschwiegenheit ist dabei nicht als Vorwurf zu verstehen, auch wenn Wirtschaftsjournalisten sie oft verfluchen. Doch sie gehört zur Branche. Nicht etwa weil die unabhängigen Vermögensverwalter ihren Kunden bei illegalen Geschäften behilflich wären, sondern aus dem gleichen Grund, aus dem die meisten Arbeitnehmer nicht wissen, wie viel ihr Chef verdient. Weil es die meisten Menschen nicht gerne haben, wenn ihre Einkommens- und Vermögensverhältnisse öffentlich gemacht werden. Das kann sonst zu Vergleichen führen, die leicht Gereiztheiten heraufbeschwören. Ob eine in diesem Bereich transparentere Welt nicht am Ende eine bessere wäre, darüber lässt sich streiten.

Meist Kleinfirmen. Die Verschwiegenheit ist jedenfalls ein Grund dafür, dass die Öffentlichkeit wenig von der Bedeutung dieser Branche weiss. Ein anderer ist, dass die unabhängigen Vermögensverwalter zwar insgesamt über riesige Summen disponieren, die einzelnen Gesellschaften aber meist klein sind, mit durchschnittlich 3,5 Angestellten und verwalteten Vermögen von rund 200 Millionen Franken (siehe «Branchenübersicht» unter 'Weitere Artikel'). «Diese Grösse ermöglicht keine grossen Werbekampagnen, wie sie Banken fahren», sagt Patrick Zoller, Portfolio Manager bei der Arabella Vermögensverwaltung in Chur und Zweitbester im BILANZ-Test der unabhängigen Vermögensverwalter (siehe «Rangliste» im Anhang).

Zum ersten Mal in der Schweiz ist mit dem Test ein Blick hinter den Vorhang der Verschwiegenheit möglich, eine unverstellte Einsicht in die Kompetenzen der unabhängigen Vermögensverwalter. Dazu bedurfte es reichlicher Überzeugungsarbeit, eines langwierigen Vertrauensaufbaus und einiger Zugeständnisse: zum Beispiel, dass diejenigen unabhängigen Vermögensverwalter anonym bleiben, die im Test nicht gut abschneiden (Details dazu: «Der Test» unter 'Weitere Artikel').

Kundenkenntnis. Zunächst zum Positiven: «Die besten unabhängigen Vermögensverwalter sind besser als Banken», sagt Thorsten Hens, Leiter des Instituts für schweizerisches Bankwesen der Universität Zürich und Architekt des Tests. Die Besten zeichnen sich dadurch aus, dass sie fachlich top sind und zudem unabhängig. Das heisst, sie müssen nicht die Produkte einer bestimmten Bank verkaufen. «Es scheint zudem einen Verhaltenskodex unter den unabhängigen Vermögensverwaltern zu geben, weniger teure Produkte zu verkaufen», diagnostiziert Hens. «Wir verzichten vollständig auf Rückvergütungen von Banken (fachsprachlich Retros), um Interessenkonflikte mit Kunden zu vermeiden», sagt Patrick Erb von Palomar Asset Management dazu, der Drittbeste im Test.

Beeindruckt war Hens davon, dass die unabhängigen Vermögensverwalter ein sehr gutes Gefühl für die Kunden haben, sie in ihrer Emotionalität erfassen und auf sie eingehen können. «Die unabhängigen Vermögensverwalter wissen sehr genau, in welcher emotionalen Verfassung ihre Kunden in einer Baisse oder Hausse zu ihnen kommen», sagt er. Auch können sie den Wissensstand ihrer Kunden gut einschätzen und folgerichtig beraten. «Die meisten haben die Testfragen zu diesem Themenkreis sehr gut beantwortet», sagt Hens.

Brillant bis peinlich. Viele unabhängige Vermögensverwalter haben dagegen Mühe mit der Konstruktion von Anlageportfolios. Teilweise sind einzelne Anlageklassen im Kundendepot so stark gewichtet worden, dass es schlicht nicht mehr als ausgewogenes, gut diversifiziertes Portfolio durchgeht. «Viele haben zudem Portfolios zusammengestellt, mit denen die bescheidenen Renditeziele (drei Prozent) des sehr sicherheitsorientierten Testkunden nicht erreicht werden konnten», sagt Hens. Seltener kam es vor, dass die unabhängigen Vermögensverwalter die Risiken des Portfolios unterschätzten, das sie für den Kunden zusammenstellten. Erwähnenswert ist auch, dass einige Vermögensverwalter unbrauchbare oder zu anspruchsvolle, verwirrende Informationen an die Kunden abgaben. Unbrauchbar ist etwa der Performanceausweis eines bestehenden Kunden – dabei wird ohnehin nur das beste Kundenportfolio offengelegt.

«Es waren einige schwierige Aufgaben zu lösen, aber nur so wird ein Test selektiv», sagt Hens. Die Testergebnisse der über 100 unabhängigen Vermögensverwalter decken die enorme Spannweite innerhalb der Branche auf (siehe Grafik unten): Es gibt brillante unabhängige Vermögensverwalter, aber auch solche, denen erstaunliche Fehler unterlaufen. Zum Beispiel bei folgender Frage: «Der Kunde ist mit 3,6 Millionen Franken Vermögen gestartet. Im vergangenen Jahr hat er ein Drittel verloren. Wie hoch ist sein Anlagevermögen heute?» – Jeder zehnte Testteilnehmer kam nicht auf die richtige Lösung: 2,4 Millionen Franken.

Gütezeichen SRO. Unabhängiger Vermögensverwalter zu werden, ist nicht allzu schwierig: Es braucht einen Eintrag im Handelsregister und einen Revisor. Bevor es losgehen kann, muss sich der Vermögensverwalter noch einer Selbstregulierungsorganisation (SRO) anschliessen, was viele als grösste Hürde bezeichnen. Für die Aufnahme in die SRO müssen Leumundszeugnisse, Empfehlungsschreiben und oft ein Businessplan eingereicht sowie relevante Berufserfahrung und ein adäquater Ausbildungsstand nachgewiesen werden. Die SRO wacht darüber, dass die Standesregeln sowie die gesetzlichen Sorgfalts- und Verhaltenspflichten im Bereich der Prävention und Bekämpfung von Geldwäscherei und Terrorismusfinanzierung erfüllt werden. Zudem obliegt ihr die Aufgabe, die Mitglieder nötigenfalls zu sanktionieren. Darum sollten Kunden auf jeden Fall darauf achten, dass ihr unabhängiger Vermögensverwalter Mitglied in einer SRO ist. Zusätzlich sind aber noch weitere Kriterien zu beachten (siehe «Tipps» unter 'Weitere Artikel'). Beim BILANZ-Test waren nur Teilnehmer mit SRO-Anschluss zugelassen, dennoch gab es einige, die sehr schlecht abschnitten.

Es ist nicht einfach, aus dem Schwarm von rund 2000 unabhängigen Vermögensverwaltern die guten zu angeln. Und es wird immer schwieriger, denn ihre Anzahl steigt weiter. «Unsere Mitgliederbasis wächst konstant», sagt Andreas Brügger vom Verband Schweizerischer Vermögensverwalter (VSV), dem rund die Hälfte aller unabhängigen Vermögensverwalter in der Schweiz angeschlossen sind.

Start mit Polster. Der typische Vertreter dieses Berufsstandes war vor seiner Selbständigkeit bei einer Bank als Kundenberater tätig. Ihren Weg in die Selbständigkeit begründen die meisten mit dem Zugewinn an Freiheiten, etwa bei der Gestaltung der Vermögensstruktur oder bei der Produktauswahl für die Kunden. Es dürfte aber auch solche geben, die sich als Angestellte unterbezahlt fühlten oder sich mit ihrem Chef verkrachten, weshalb sie schliesslich den Schritt in die Selbständigkeit wagten.

Wobei «wagen» ein grosses Wort ist, denn die meisten starten mit einem finanziellen Polster in die Unabhängigkeit. «Ich habe einige gute Jahre bei der Bank gehabt», sagt Erwin Röösli, der Sieger im BILANZ-Test, der sich erst Anfang dieses Jahres selbständig gemacht hat. Zudem arbeiten eigentlich alle mit Kunden weiter, die sie vorher als Angestellte bei einer Bank betreuten. Einige werden gar von Grosskunden zur Selbständigkeit motiviert.

Auf der anderen Seite kann auch eine Bank Vorteile aufweisen, etwa bei der grenzüberschreitenden Betreuung von Kundengeldern. Diese ist in den vergangenen Jahren immer komplexer geworden. Die steuerliche Behandlung einzelner Anlageprodukte variiert von Land zu Land, und es wird zunehmend schwieriger zu beurteilen, was für welche Kunden gekauft werden darf und wie es steuerlich abzurechnen ist. Hier finden Steuerberater und Juristen einen wachsenden Markt für Dienstleistungen, die sie den Vermögensverwaltern teuer verrechnen.

Am Hungertuch nagen deswegen die wenigsten unabhängigen Vermögensverwalter. Im Gegenteil, sie beschäftigen sich direkt mit Geld und verdienen meist gut. Das mag mancher anstössig finden, aber wahrscheinlich ist es nur logisch. Der Gärtner hat oft selber einen grossen, schönen Garten, der Tischler einen ansehnlichen Tisch, und der Geldmanager – eben, das muss man nicht verschweigen.