In jedem Jahrzehnt seit 1950 erhöhte sich unsere Lebenserwartung um durchschnittlich ein Jahr. Je älter wir werden, umso länger beziehen wir unsere Rente. So resultiert aus dem gleich hohen Kapital eine entsprechend geringere Jahresrente. Das ist jedem Versicherten klar, und so stiess die Reduktion des Umwandlungssatzes im Rahmen der ersten BVG-Revision auf breites Verständnis. Innert acht Jahren erfolgt eine Absenkung von 7,2 Prozent auf 6,8 Prozent. Bei einem Alterskapital von einer Million Franken und dem Umwandlungssatz von 7,2 Prozent beträgt die Jahresrente 72 000 Franken. Sinkt nun der Satz auf 6,8 Prozent, bleiben vom selben Kapital jährlich noch 68 000 Franken.

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Den Lebensversicherungsgesellschaften ging die vom Gesetzgeber vorgesehene stufenweise Absenkung des Umwandlungssatzes zu langsam. Schon im Jahr 2004 haben sie mit dem so genannten Winterthur-Modell ihre Umwandlungssätze im Überobligatorium auf 5,4 Prozent für Frauen und 5,8 Prozent für Männer reduziert. Ein rapider, aber durchaus legitimer Schritt, denn das Bundesgesetz über die berufliche Vorsorge (BVG) regelt eben nur den obligatorischen Teil der Altersvorsorge.

Die Folgen für die Versicherten sind gravierend, weil mehr als die Hälfte aller Vorsorgegelder zum Überobligatorium zählen. Die Spargutschriften auf den Lohnteilen über 77 400 Franken gehören ebenso dazu wie die Einzahlungen vor 1985 (so genanntes Vorobligatorium) sowie sämtliche versicherten Lohnteile unter dem BVG-Minimum. Besonders einschneidend: Auch alle Sparpläne, die besser sind, als das BVG es vorsieht, gelten als Überobligatorium. So beträgt der durchschnittliche Umwandlungssatz für das gesamte Vorsorgekapital bei den Lebensversicherungen etwa 6,3 Prozent für Männer und 6,1 Prozent für Frauen. Realistisch wären 6,4 Prozent.

Der Bundesrat will nun den BVG-Umwandlungssatz im Obligatorium noch stärker und schneller absenken. Die Vernehmlassung wurde im April 2006 beendet, die Vorlage soll in diesem Jahr ins Parlament. Man will schon 2008 mit der schnelleren Absenkung beginnen. Bis 2011 – und nicht wie ursprünglich vorgesehen bis 2013 – soll der BVG-Umwandlungssatz auf 6,4 statt auf 6,8 Prozent sinken. Diese Reduktion erfolgt auf Druck der Lebensversicherer, die noch lieber einen Umwandlungssatz von 6 Prozent im BVG hätten. Ihre Begründung: Beim Umwandlungssatz zähle eben nicht nur die Lebenserwartung. Auch der zu Grunde gelegte Zinssatz für die Verzinsung des Kapitals sei zu berücksichtigen. Und hier spricht man plötzlich nicht mehr von der erzielbaren Rendite, sondern vom risikolosen Zinssatz.

Was bedeutet das konkret? Einen risikolosen Zinssatz erzielt man nur mit risikoarmen Anlagen, sprich Staatsobligationen. Man will also zusätzlich den technischen Zinssatz senken, der dem Umwandlungssatz für die Berechnung der Rente zu Grunde gelegt wird. Senkt man diesen Zinssatz um ein Prozent, so reduziert sich der Umwandlungssatz um zehn Prozent, das heisst in unserem Beispiel von 6,8 Prozent auf 6,1 Prozent.

Das Konzept des risikolosen Zinssatzes ist realitätsfern. Niemand legt sein Kapital nur in Staatsobligationen an, auch nicht die Lebensversicherer. Man stelle sich vor: Die gesamten 600 Milliarden Franken der beruflichen Vorsorge seien in einheimische Staatspapiere investiert. Das würde den Finanzplatz Schweiz erheblich schwächen und zudem eine erhöhte Staatsverschuldung begünstigen. Tatsache ist, dass auch Lebensversicherer ihre Gelder nicht nur in Obligationen, sondern beträchtliche Anteile in Immobilien, Hypotheken und teilweise auch in Aktien anlegen.

Bekanntlich rentieren Anlagen in Obligationen bedeutend schlechter als in gemischten Portefeuilles. Ein Performancevergleich der letzten 20 Jahre (1985–2005) zeigt: Die Bundesobligationen haben durchschnittlich 3,9 Prozent Rendite erzielt, der Pensionskassenindex Pictet mit 25 Prozent Aktienanteilen hingegen 6,4 Prozent! Wer möchte schon angesichts dieser Differenzen, dass sein Vorsorgekapital ausschliesslich in Staatsobligationen angelegt wird?

In dieser Diskussion wird eine Frage elegant ausgeklammert: Warum soll der Umwandlungssatz im BVG nur für das Obligatorium und nicht auch für das Überobligatorium gelten? Erstaunlicherweise gelten im BVG sämtliche Regelungen für beide Bereiche. Nur dort, wo es die Versicherten am meisten betrifft, nämlich bei Umwandlungssatz und Mindestzins, gelten die BVG-Bestimmungen für das Überobligatorium ausdrücklich nicht. Es sollte doch für den Gesetzgeber vorrangig sein, diese wichtigen Masszahlen für die gesamte berufliche Vorsorge einheitlich zu regeln. Schliesslich ist das BVG eine Sozialversicherung, und der Schutz der Versicherten sollte an erster Stelle stehen.