Bis 1995 musste sich jeder Arbeitnehmer damit abfinden, dass er bei einem Stellenwechsel einen Teil seines Pensionskassenkapitals verlor. Diesem Vorgehen, das oft zu erheblichen Mutationsgewinnen der Vorsorgeträger führte, hat das Freizügigkeitsgesetz schliesslich einen Riegel vorgeschoben. Dagegen befinden sich heute die Arbeitgeber in einer vergleichbaren Situation: Wechseln sie den Vorsorgeträger, verlieren sie respektive ihr Personal oft beträchtliche Summen an Pensionskassengeldern.

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290 000 Firmen mit insgesamt 1,7 Millionen Versicherten sind in so genannten Sammelstiftungen versichert. Mit durchschnittlich sechs Mitarbeitenden fehlt ihnen das erforderliche Volumen für eine eigene Pensionskasse. Seit sich die Konditionen bei vielen Sammelstiftungen wegen des veränderten wirtschaftlichen Umfeldes stark verschlechtert haben, möchten viele dieser kleinen und mittleren Unternehmen (KMUs) den Vorsorgeträger wechseln. Die meisten Anbieter gewähren ihren Kunden sogar ein ausserordentliches Kündigungsrecht der gewöhnlich langfristigen, meistens zehn Jahre dauernden Verträge. Dies scheint auf den ersten Blick den raschen Wechsel des Vorsorgeträgers zu ermöglichen und demonstriert guten Willen. In Tat und Wahrheit erweist sich der Wechsel zu einem attraktiveren Anbieter oftmals als Kostenfalle und wird somit zur goldenen Fessel für KMUs.

Dazu ein Beispiel aus der Beratungspraxis: Einem Unternehmen mit fünf Angestellten sowie einem Altersrentner liegt ein vorteilhafteres Angebot einer alternativen Sammelstiftung vor, die Firma möchte wechseln. Die bisherige Sammelstiftung weist hin auf den Verlust von Vorsorgegeldern auf Grund der Differenzen beim Deckungskapital für den Altersrentner. Sie schreibt: «Da diese Differenz im Normalfall mehr als 20 Prozent des Deckungskapitals der laufenden Altersrente beträgt, kann sich dadurch ein Wechsel der Vorsorgeeinrichtung bekanntlich erheblich erschweren oder verunmöglichen.» Für dieses Unternehmen würde die Differenz für einen einzigen Altersrentner rund 70 000 Franken betragen; damit bleibt es an die bisherige Sammelstiftung gefesselt.

Wie kann es zu solchen Deckungslücken kommen? Die Kollektivversicherer geben die Rentenbezüger an den neuen Vorsorgeträger mit jenem Kapital weiter, das auf ihren technischen Grundlagen beruht. Diese Beträge basieren aber auf einem Umwandlungssatz von 5,4 Prozent für Frauen und 5,8 Prozent für Männer. Das so genannte Differenzdeckungskapital zwischen 5,4 und 5,8 Prozent zum gesetzlich vorgeschriebenen Umwandlungssatz von 7,2 Prozent wird nicht bereitgestellt, ja ist in den meisten Fällen auch nicht gebildet worden. Entgegen gängigen Annahmen ist dies sogar ausdrücklich im Gesetz erlaubt. Art. 14 Abs. 2 BVG sagt: «Mit der Zustimmung des Bundesrates können Vorsorgeeinrichtungen einen tieferen Umwandlungssatz anwenden, wenn sie die sich daraus ergebenden Überschüsse zur Leistungsverbesserung verwenden.»

Das bedeutet, dass viele Sammelstiftungen zu wenig Reserven für ihre laufenden Renten gebildet haben und deshalb auch zu wenig Deckungskapital an die neue Sammelstiftung mitgeben können. Der neue Vorsorgeträger hingegen verlangt das volle versicherungstechnisch erforderliche Deckungskapital zur
Finanzierung dieser Renten. Diese Problematik ist nicht neu und hat auch bisher schon bestanden, nur haben die Sammelstiftungen diese Differenzen bis anhin stillschweigend aus diversen Kriegskassen gedeckt. Infolge der Börsenbaisse sind diese Töpfe inzwischen geleert. Die entstehenden Differenzen werden also nicht mehr ausgeglichen, sondern einfach den Vorsorgewerken dieser KMUs belastet.

Der freie Wettbewerb unter den Vorsorgeträgern wird zur Illusion, die Auswahlmöglichkeit der Versicherten zur Farce. Die bisher freiheitliche zweite Säule ist echt bedroht. Selbst als liberaler Denker muss man hier staatliche Regeln fordern: Das Bundesamt für Sozialversicherung soll einheitliche Tarifgrundlagen für die gesamte berufliche Vorsorge schaffen, damit diese goldenen Fesseln für die Unternehmer gesprengt werden!