E-Commerce-Unternehmen sind die grossen Gewinner der Corona-Krise. Während Geschäfte in den Innenstädten aufgrund der Lockdown-Regelungen ganz oder teilweise schliessen müssen, verlagert sich der Konsum der Menschen zwangsläufig auf das Online-Angebot.

Christos Maloussis ist Market Analyst und Premium Client Manager bei der IG Bank.

Die Schweizer Online-Händler profitieren genau wie ihre ausländische Konkurrenz deutlich von den Folgen der Coronakrise. So vermeldete die Competec-Gruppe, die unter anderem den Onlinehändler Brack.ch betreibt, dass der Jahresumsatz in 2020 erstmals über eine Milliarde Franken gestiegen ist.

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Digitec Galaxus gibt für den gleichen Zeitraum an, ein Umsatzwachstum von 59 Prozent auf 1,8 Milliarden Schweizer Franken erzielt zu haben. Und auch die zur Coop Gruppe gehörenden Onlinehändler wie Microspot, Fust und Interdiscount verzeichneten ein Umsatzplus von über 30 Prozent.

Dieser Trend ist nicht nur in der Schweiz wahrzunehmen, sondern stellt ein globales Phänomen dar. So verdoppelte sich letztes Jahr der Aktienkurs des Branchenprimus Amazon und liess den Marktwert auf unglaubliche 1,6 Billionen Dollar steigen.

Damit schafft es der Online-Riese auf Platz vier der wertvollsten Unternehmen der Welt. Auch wenn sich die Wachstumszahlen nach überstandener Coronakrise wieder normalisieren werden, dürfte das Onlinegeschäft eine rosige Zukunft haben.

Es verwundert daher kaum, dass sich neue Anbieter daran machen, den Markt mit neuen Ideen aufzumischen. Mit ContextLogic, dem Betreiber der Wish-App, hat im Dezember ein neuer Player den Schritt an die Börse gewagt, verfolgt aber ein komplett unterschiedliches Konzept.

Schnäppchenjäger als Zielgruppe

Die Wish-App richtet sich primär an Schnäppchenjäger mit viel Geduld. Es kommt nämlich durchaus vor, dass die Ware erst nach 30 Tagen oder später geliefert wird. Aber das Warten kann sich lohnen. Durch den Direktvertrieb der Kleinunternehmer über die App entfallen zum einen teure Marketingkosten.

Da zudem die Produkte überwiegend keine Markenprodukte sind, werden die Artikel sehr günstig angeboten, was für die Zielgruppe der entscheidende Kauffaktor ist. Denn mehr als die Hälfte der aktiven App Nutzer haben gemäss Wish ein Jahreseinkommen von weniger als 50'000 Dollar und sind jünger als 34 Jahre.

Nicht unbedingt das Kundensegment, das die oben erwähnten Anbieter anvisieren, aber durchaus eine ernst zu nehmende Kundengruppe, was der Erfolg von DollarTree zeigt. Der Dollarshop Anbieter führt in den USA und Kanada mehr als 6000 Geschäfte, in denen Waren für nur wenige Dollar angeboten werden und wird aktuell mit 25 Milliarden Dollar bewertet.

Ein Neues Shopping Erlebnis

Zudem schafft die Wish-App ein komplett neues Shoppingerlebnis. Während bei anderen Onlinehändlern die Kunden primär gezielt nach den gewünschten Produkten suchen, vermittelt die Wish App das Gefühl, auf einem Flohmarkt zu sein.

Käufer stöbern durch die unterschiedlichsten Produkte, bis sie auf ein passendes Schnäppchen stossen. Natürlich hilft der Algorithmus hierbei nach und personalisiert die angezeigten Produkte nach den eigenen Interessen. Aber auch das spielerische Element kommt nicht zu kurz.

So bietet zum Beispiel das «Blitz Buy» Feature dem Nutzer jeden Tag die Möglichkeit, sich über ein Glücksrad eine gewisse Anzahl an Produkten zu erspielen, die für kurze Zeit besonders günstig angeboten werden. Das Konzept scheint zunächst befremdlich, die Zahlen sprechen aber für sich.

Eine Erfolgsstory steckt in den Kinderschuhen

Die Wish-App verbindet mittlerweile eine halbe Millionen Händler mit 100 Millionen aktiven Nutzern in über 100 Ländern. Mit mehr als 150 Millionen angebotenen Produkten ist die Auswahl zudem so breit, dass bislang bereits 680 Millionen Aufträge abgeschlossen werden konnten.

Lag der erzielte Umsatz vor 5 Jahren noch bei 144 Millionen Dollar, stieg dieser in den vergangenen Jahren rasant an und dürfte in 2020 bereits bei 2,5 Milliarden Dollar gelegen haben.

Vergleicht man dies mit dem Jahresumsatz von DollarTree für 2020 von 23,6 Milliarden Dollar, welcher ausschliesslich in den USA und Kanada erzielt wurde, lässt sich das Wachstumspotenzial erahnen. Zudem dürfte die Anzahl der aktiven Nutzer in den kommenden Jahren ebenso exponentiell ansteigen.

Doch trotz der Wachstumsaussichten, die durch die aktuell sehr hohen Marketingausgaben weiter befeuert werden, ist auch Vorsicht geboten. Aufgrund des gewählten Geschäftsmodells ist der entscheidende Faktor der Preis der Ware.

Da der grösste Anteil der Händler in China sitzt, ist die weitere Entwicklung vom Geschäft stark vom Handelsstreit der USA und China abhängig. Zum einen würden Zölle die Waren teurer und somit für die derzeitige Kundengruppe unattraktiv machen.

Zum anderen stellen Fracht- und Transportkosten einen grossen Anteil der Gesamtkosten dar und sind somit ein entscheidender Kauffaktor für die Kunden. Mit der aktuellen Marktkapitalisierung von knapp 15 Milliarden Dollar wird das Unternehmen aktuell sechsmal höher bewertet als der für 2020 erwartete Umsatz.

Dies entspricht ungefähr dem Verhältnis der Amazon-Bewertung. Wenn ContextLogic seine Wachstumsziele in den kommenden Jahren erreicht und sich das Verhältnis zwischen den USA und China wieder entspannt, hat die Aktie durchaus weiteres Potenzial.