Es war absurd, was sich vor vier Wochen an den US-Märkten abspielte: Am 24. Mai meldete der amerikanische Mietwagen-Gigant Hertz kurz nach Handelsschluss Konkurs an. Die Corona-Krise hatte dem schon länger strauchelnden Unternehmen den letzten Stoss versetzt. Und der Aktien-Kurs? Der stand rund zwei Wochen später 100 Prozent höher als am Tag der Insolvenz-Meldung. 

Was war da los?

Nachdem die Aktie am ersten Handelstag nach der Insolvenz folgerichtig in den Keller rauschte und von knapp 3 Dollar auf 56 Cent zum «Penny Stock» verkam, starteten die Titel des Pleite-Unternehmens eine beispiellose Wochenrally. Am Ende der Woche landete die Aktie bei 5,53 Dollar. Damit hatte sie nach der Bankrottmeldung knapp 900 Prozent an Wert zugelegt.

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Diese absurde Hertz-Rally ist nur ein Beispiel von Zocker-Aktien, die in den letzten Wochen für Aufsehen sorgten. Dass Pleite-Unternehmen ohne Wertschöpfung an den Börsen gehypt werden, hat mit einer neuen Generation von jungen Investoren zu tun, die sich - auf der Jagd nach schnellem Geld – in grossen Heerscharen auf die Aktien stürzen und die Kurse in schwindelerregende Höhen treiben.

Angriff der «Robinhood-Community»

Diesen Trend befeuert hat unter anderem der Gratis-Online-Broker Robinhood aus den USA. Dessen Claim: «Investing for Everyone». Robinhood lockt Kunden mit einer kinderleicht zu bedienenden App und kostenlosen Trades. Ausserdem ist auf der App der Kauf von Aktien-Teilen möglich, was bei einem geringen Budget vor allem bei teuren Aktien wie etwa Amazon nützlich sein kann.
 

Robinhood Website

Website von Robinhood

Quelle: Screenshot

Dies lockt insbesondere junge Trader an, die an der Börse zocken wollen und bei denen Stichworte wie «Risikostreuung» oder «Diversifizierung des Portfolios» nicht im Vokabular enthalten sind. Die alte Wall-Street-Gilde schaut derzeit mit Staunen, teilweise mit Entsetzen, auf diese junge «Robinhood-Community».

Die Website Robintrack zeigt, bei welchen Aktien die «Robinhooders» ihre Bestände zuletzt erhöht haben – und dies wie stark. Mit anderen Worten: Die Seite zeigt an, was derzeit im Trend liegt. Am Beispiel der Hertz-Aktie lässt sich gut ablesen, wie stark Kleinanleger dieser Tage die Märkte und einzelne Aktien bewegen können.

«Grosse Investoren halten sich am Markt zurück. Weil dadurch das allgemeine Handelsvolumen kleiner wird, können Privatanleger mehr bewegen.»

Denn: Seit dem Corona-Schock ist zu beobachten, dass sich grosse institutionelle Investoren am Markt zurückhalten. Weil dadurch das allgemeine Handelsvolumen kleiner wird, können kaufende Privatanleger mehr bewegen.

Folgende Grafik zeigt die Entwicklung des Hertz-Aktien-Bestandes bei Robinhood-Kunden (grüne Linie) seit Frühjahr 2018 sowie die gleichzeitige Preisentwicklung der Aktie (pink).

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Robintrack-Grafik – Hertz-Aktie.

Quelle: Robintrack.net

Hier ist gut ersichtlich, wie die grüne Linie (also Hertz-Aktienkäufe von Robinhood-Hood-Kunden) Ende Mai nach der Insolvenz-Meldung geradewegs nach oben schiesst. Gleichzeitig zieht auch die Aktie wieder an, wie der Ausreisser nach oben der pinken Linie zeigt. Hier zeigt sich der Hype um die Pleite-Aktie, der viele junge Trader reich gemacht haben dürfte – wenn sie denn rechtzeitig wieder ausgestiegen sind.

Solche Trends lassen sich aber nicht nur bei Aktien von Pleite-Firmen und Penny-Stocks beobachten. Laut der Robintrack-Homepage ist der US-Autohersteller Ford derzeit die beliebteste Aktie unter den Kunden (gefolgt von General ElectricAmerican Airlines und Disney). Bei der Ford-Aktie lässt sich Ähnliches wie bei der Hertz-Aktie beobachten – mit etwas weniger massiven Kursauschlägen.

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Robintrack-Grafik – Ford-Aktie.

Quelle: Robintrack.net

Hier stiegen die Bestände von Ford-Aktien bei den Robinhood-Kunden bereits seit März massiv an, also noch während sich die Aktie im Corona-Sturz befand. Doch ab Anfang April sollte es sich für die «Robinhood-Contrarians» schliesslich auszahlen. Der Kurs stieg wieder und schoss im Juni sogar kurzzeitig «Hertz-ähnlich» in die Höhe.

Bei der Disney-Aktie ist der Gleichschritt zwischen steigenden Beständen bei Robin-Hood-Kunden und steigendem Aktienkurs übrigens noch klarer ersichtlich.

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Robintrack-Grafik – Disney-Aktie.

Quelle: Robintrack.net

Für kurzfristige Trader können die Daten von Robintrack ein interessanter Indikator für die nächste Hype-Aktie sein. Bei General Electric etwa, der zweitbeliebtesten Aktie der «Robinhooder», ist der Spread zwischen Aktienbestand unter Robinhood-Kunden und der Entwicklung des Aktienkurses noch recht gross, was Zocker aufhorchen lassen könnte.

Der Erfolg scheint den «Robinhoodern» zumindest vorläufig recht zu geben. Laut dem Finanzportal Axios hat ein Top-Stratege einer grossen Wall-Street-Bank jüngst Aktienkörbe von Hedge-Fund-Managern, institutionellen Vermögensverwaltern und kleinen Privatanlegern verglichen. 

Das Ergebnis: Die Aktien-Depots von Privatanlegern haben massiv überperformt. Sie griffen während des Corona-Schocks massenweise in fallende Messer, was sich bisher auszahlte. Dabei folgen Robinhood und Co nur jenen Prinzipien, welche die Wall-Street-Gilde seit Urzeiten gepredigt, zuletzt aber selber nicht mehr verfolgt hat: «Don't Fight the Fed» sowie «Buy the Dip». Also immer dann kaufen, wenn die Kurse fallen und die amerikanische Notenbank Fed massiv interveniert.

Kritik wird lauter

Robinhood selbst geriet zuletzt zunehmend in Kritik wegen seines Geschäftsmodells. So finanziert sich der Broker unter anderem mit der Vergabe von Lombardkrediten. Nutzer können sich etwa gegen eine Gebühr von fünf Dollar um bis zu 1’000 Dollar verschulden, um in die Märkte zu investieren.

Laut Robinhood sind die Hälfte aller Neukunden im Jahr 2020 junge Menschen, die das erste Mal an der Börse handeln. Das bedeutet, sie erkennen oft das Risiko nicht, vor allem wenn es um Optionen und Hebelprodukte geht.

Zuletzt wurde der tragische Fall eines 20-jährigen Robinhood-Nutzers bekannt, der in seinem Aktiendepot einen scheinbaren Verlust von 700'000 Dollar herauslas und sich anschliessend das Leben nahm. Es kursieren Vermutungen, dass der Nutzer seinen Depotstand falsch interpretiert haben könnte und die 700'000 Dollar nicht den realisierten Verlust, sondern den maximal möglichen Verlust anzeigten, der sich aus seinen eingegangenen Optionen ergab.

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