Nimmt der Anteil älterer Menschen an der Gesamtbevölkerung zu, spricht man von einer alternden Gesell-schaft. Auch die Schweiz altert. Dies hat mehrere Gründe. Einerseits steigt die Lebenserwartung stetig. Anderseits gibt es eine Umschichtung in der Alterspyramide. Während die geburtenstarken Jahrgänge der Babyboomer ins Pensionsalter übergehen, werden kaum Kinder geboren. 

Eine solche Alterung ist in allen vergleichbaren westlichen Ländern zu beobachten und meist eine Folge von günstigen gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und technologischen Entwicklungen. In einer alternden Gesellschaft sollten die Gesundheitskosten steigen. Denn in der Regel gilt, je älter eine Person ist, desto höher sind ihre Gesundheitsausgaben. Und erhöht sich der Anteil älterer Personen, steigen somit die Durchschnittskosten pro Kopf. An einer solchen Entwicklung ist per se nichts falsch, da es sich um eine natürliche Entwicklung einer Gesellschaft handelt.

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Patrick Walter ist Projektleiter Medikamente bei santésuisse, dem Branchenverband der schweizerischen Krankenversicherer.

Für eine möglichst realitätsnahe Beurteilung der Kostenentwicklung im Gesundheitswesen ist es nun wichtig, den Alterungseffekt zu quantifizieren. Santésuisse hat dies getan, basierend auf der Statistik zum Risikoausgleich, geführt von der Gemeinsamen Einrichtung KVG. Verglichen wurde die tatsächliche Kostenentwicklung mit einer hypothetischen Kostenentwicklung ohne Veränderung der Altersstruktur. Wobei das Bevölkerungswachstum bei der hier getätigten Betrachtung keine Rolle spielt, weil die Kosten jeweils pro Kopf berechnet worden sind*.

22 Prozent altersbedingte Kosten

Das Ergebnis ist bemerkenswert. Die Gesundheitskosten in der Schweiz sind zwischen 2012 und 2019 pro Kopf um 676 Franken angestiegen, von 3138 Franken auf 3814 Franken. Jedoch können nur gerade 22 Prozent dieser Mehrkosten mit der Alterung der Gesellschaft erklärt werden. Die restlichen 78 Prozent sind auf andere Faktoren – um nicht zu sagen Fehlentwicklungen – zurückzuführen. Zu nennen sind beispielsweise die Mengenausweitung bei den ambulanten Spital- und Arztleistungen, die exorbitant hohen Preise neuer Medikamente und die nur unregelmässig durchgeführte Preisüberprüfung bestehender Arzneimittel.

Alterung 22 Prozent, Fehlentwicklungen 78 Prozent!

Die Alterung der Schweizer Bevölkerung erklärt zwischen den Jahren 2012 und 2019 nur 22 Prozent des Kostenwachstums im Gesundheitswesen.

Die Alterung der Schweizer Bevölkerung erklärt zwischen den Jahren 2012 und 2019 nur 22 Prozent des Kostenwachstums im Gesundheitswesen.

Quelle: santésuisse

Die Grafik zeigt, dass das «natürliche» Kostenwachstum, nämlich die Alterung der Gesellschaft, nur einen Fünftel des Kostenanstiegs der letzten fünf Jahre erklärt. Was im Sinne der langfristigen Finanzierbarkeit unseres Gesundheitssystems die Dringlichkeit vor Augen führt, die Fehlentwicklungen zu identifizieren und zu bekämpfen.