In den Bergen oder am Meer: Nicht nur in den eigenen vier Wänden wird seit der Pandemie gearbeitet. Immer mehr Menschen wollen Remote Work und Ferien verbinden – oder sie planen sogar für längere Zeit eine «Workation» im Ausland.

Auszeit mit Arbeit

«Workation» ist ein neues Phänomen der Arbeitswelt und bezeichnet die Verschmelzung von Arbeit (Work) und Ferien (Vacation). Mitarbeitende reisen dafür an einen schönen Ort und kombinieren dort Arbeit mit Ferien.

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Jüngere erwarten die freie Wahl des Arbeitsortes

Den Arbeitsort frei wählen zu können, ist mittlerweile für viele Talente ein wichtiges Kriterium bei der Entscheidung für einen Arbeitgeber. Diesen Trend belegen internationale Studien, zum Beispiel der «Digital Worker Experience Survey» des Marktforschungsunternehmens Gartner. Demnach antworteten 59 Prozent der befragten 10’000 «Digital Workers» aus den USA, Europa und dem asiatisch-pazifischen Raum, dass sie einen neuen Job nur berücksichtigen, wenn dieser die freie Wahl des Arbeitsortes erlaubt. Und für immerhin 64 Prozent ist die flexible Arbeitszeit eine wichtige Voraussetzung, einen neuen Job überhaupt in Betracht zu ziehen. 

Trend zu Homeoffice bleibt

Auch in der Schweiz nimmt der Anteil an Menschen, die mehr Flexibilität und Freiheit im Arbeitsumfeld beanspruchen, stetig zu. Die Möglichkeit zu Homeoffice hatten laut Bundesamt für Statistik im Jahr 2001 lediglich 6 Prozent der Arbeitnehmenden. Bis 2021 stieg deren Anteil auf 40 Prozent.

Dass sich der Trend wieder umkehrt, gilt unter Arbeitsmarktexpertinnen als wenig wahrscheinlich – zumindest, solange es an Fachkräften fehlt und Toptalente tendenziell Zugeständnisse von Arbeitgebern erwarten können. Laut einer Studie der Hochschule St. Gallen könnte etwa die Hälfte aller Arbeitnehmenden in der Schweiz zumindest teilweise im Homeoffice arbeiten.

Minderheit bewilligt Remote Work im Ausland

Wie gehen Versicherer mit der Thematik um? Eine Umfrage von HZ Insurance bei Unternehmen der Schweizer Assekuranz zeigt: Hybride Arbeitsmodelle mit der Möglichkeit zu Homeoffice lassen die meisten Arbeitgeber zu; dabei nehmen der Einfallsreichtum der Unternehmen und die Möglichkeiten der Flexibilisierung für die Mitarbeitenden immer mehr zu. Doch nur eine Minderheit der Arbeitgeber bewilligt zeitweise auch Homeoffice im Ausland.

Die Gründe für die Zurückhaltung sind vielfältig. Auf der einen Seite wollen die Arbeitgeber der Assekuranz eine Kultur des Miteinanders fördern und legen daher auch Wert auf Präsenz im Büro, wie es auf Nachfrage heisst. Auf der anderen Seite soll auch der gute Kontakt zu den Kundinnen und Kunden nicht vernachlässigt werden, denn er ist ein wichtiger Bestandteil, um Vertrauen aufzubauen und so letztlich zu Vertragsabschlüssen zu kommen.

Risiken und rechtliche Hürden

Auch die geschäftlichen und rechtlichen Risiken einer Homeoffice-Tätigkeit im Ausland seien nicht zu unterschätzen, wird betont. Je nach Zielland ist eine sichere Internetverbindung mit Zugriff auf sensible Unternehmens- und Personendaten nicht einfach zu managen. Arbeiten Mitarbeitende grenzüberschreitend, entstehen zudem oft Probleme im Zusammenhang mit Steuer- und Sozialversicherungsfragen.

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Die Arbeitsmodelle der Versicherer

  • Wefox: Das Zürcher Insurtech Wefox hat bei seinen Mitarbeitenden drei unterschiedliche Arbeitsmodelle eingeführt: Office First, Hybrid und Remote First. Vorbehaltlich steuerlicher Restriktionen können Mitarbeitende bei Remote First komplett alleine entscheiden, von wo aus sie arbeiten. Bei der Hybrid-Variante lässt sich mit den Vorgesetzten vereinbaren, für eine gewisse Zeit vom Ausland aus zu arbeiten. Bei Office First besteht diese Möglichkeit nicht – dies betrifft aber weniger als 10 Prozent der Mitarbeitenden von Wefox.
  • Helvetia: «Auf den Malediven leben und fest angestellt in der Schweiz arbeiten geht leider aus regulatorischen Gründen nicht», informiert Eric Zeller, Pressesprecher Corporate Affairs bei der Helvetia. Immerhin: Beim Versicherer wird zu jeder offenen Stellenvakanz prozentual dargestellt, wie gross der Anteil Flex Office und wie gross der Anteil der Arbeit vor Ort sein wird. Rund 20 Prozent der Belegschaft sind Grenzgänger, die im Rahmen der gesetzlichen Vorgaben in beschränktem Mass von Remote Work profitieren können. Das Thema Remote Work in Nachbarländern sei derzeit in Klärung und Bearbeitung.
  • Zurich: Für alle Mitarbeitenden der Gruppe bietet Zurich Insurance ein hybrides Arbeitsmodell, »welches jeweils lokalen Arbeitsregelungen angepasst wird. Das Flexwork@Zurich-Konzept basiert auf den Fragen danach, wann, wo und wie unterschiedliche Aufgaben und Arbeiten für optimale Ergebnisse ausgeführt werden. «Dazu gehört auch die Möglichkeit, eine bestimmte Anzahl Tage pro Jahr virtuell vom Ausland aus zu arbeiten, sofern die notwendigen Voraussetzungen erfüllt sind», sagt Mediensprecherin Anina Jäger. 
  • Allianz Suisse: Mitarbeitenden der Allianz Suisse steht die Möglichkeit offen, im Ausland zu arbeiten. Das gilt allerdings nicht uneingeschränkt, sondern folgt Spielregeln, damit alle rechtlichen Vorgaben eingehalten werden. «Unser Angebot, vom Ausland aus zu arbeiten, beschränkt sich auf 25 Tage pro Jahr und ist in den meisten EU-Ländern möglich», erläutert Théo Kaeser, Leiter HR der Allianz Suisse, das Angebot. Komplett remote vom Ausland aus für die Allianz Suisse zu arbeiten, sei nicht vorgesehen. «Als Schweizer Arbeitgeber würden wir sonst zum Arbeitgeber im Ausland und müssten uns unter anderem auch der Sozialversicherung des entsprechenden Landes anschliessen.»
  • Die Mobiliar: Grundsätzlich besteht bei der Mobiliar die Möglichkeit, die Hälfte der Arbeitszeit ortsunabhängig zu arbeiten. An den Direktionsstandorten gilt eine 50/50-Regelung. Remote Work im Ausland ist nicht vorgesehen bei der Mobiliar, die als Unternehmen einzig in der Schweiz tätig ist. «Hier befinden sich auch unseren Kundinnen und Kunden. Der persönliche Kontakt und die Nähe zu ihnen ist uns wichtig. Deshalb macht es für die Mobiliar wenig Sinn, wenn ihre Mitarbeitenden permanent vom Ausland aus arbeiten», sagt Nicole Ritschard, Leiterin Gewinnung & Berufseinstieg im HR. Chancen auf einen Auslandseinsatz gibt es bei Studienaufenthalten oder einer Weiterbildung bei einem Eurapco-Partnernunternehmen der Mobiliar.
  • Groupe Mutuel: Ähnliches gilt für die ausschliesslich in der Schweiz ansässige Groupe Mutuel. «Arbeiten im Ausland ist keine Option für unsere Mitarbeitenden», sagt Mediensprecher Serkan Isik. Gleichwohl sei das Unternehmen bestrebt, dynamisches und flexibles Arbeiten zu ermöglichen und das Wohlbefinden seiner Mitarbeitenden zu fördern. In diesem Sinne bietet der Versicherer den Angestellten bis zu zwei Homeoffice-Tage pro Woche sowie flexible Arbeitsorte an. Dasselbe gilt für grenznah wohnende Mitarbeitende im Ausland.
  • Baloise: Flexible Arbeitsmodelle, unter anderem Remote Work mit maximal 60 Prozent Homeoffice, sind Bestandteil der Stellenausschreibungen der Baloise. Mobiles Arbeiten bezieht sich hier auf das Arbeiten in der Schweiz beziehungsweise im Wohnsitzland. «Das Arbeiten im Ausland beziehungsweise standortübergreifende Einsätze sind in Ausnahmefällen möglich und müssen im Einzelfall abgeklärt werden», informiert Mediensprecherin Céline Kuttler. Generell gelten bei der Baloise gemeinsame Kreativität, persönlicher Austausch und spontane Treffen als wesentliche Elemente der Unternehmenskultur, welche eine regelmässige physische Präsenz erfordern. Daher bleibt das Büro für Baloise ein wichtiger Begegnungs- und Arbeitsort, kombiniert mit den Vorteilen des zeitweisen mobilen Arbeitens.

Flexible Arbeitsmodelle bieten Chancen im Recruiting

Was bringt die Zukunft? Fakt ist: Vor allem jüngere Bewerberinnen, Bewerber und Mitarbeitende erwarten vermehrt, dass Unternehmen flexible, alternative Arbeitsmodelle ermöglichen. In der «Flexible Working»-Studie 2022 von Deloitte bestätigen 93 Prozent der Befragten, dass die Erwartung, ortsunabhängig arbeiten zu können, gestiegen ist. Das kann auch eine Chance im Recruiting sein, wie Michelle Hug-Fahrni, Partnerin von Global Employer Service bei Deloitte Schweiz, erläutert: «Flexibilität hilft Organisationen dabei, gute Mitarbeitende zu finden und ans Unternehmen zu binden.» 

Flexible Working Studie 2022 - Deloitte

Die freie Wahl des Arbeitsortes ist für Bewerbende ein wichtiges Kriterium, ob sie sich für einen Arbeitgeber entscheiden oder nicht.

Quelle: Grafik: Deloitte

Neue gesetzliche Rahmenbedingungen 

Tatsache ist auch: Workation ist mehr als Homeoffice im Ferienparadies und will gut geplant sein. Aktuell herrscht ein intensiver Regulierungsdrang bezüglich Remote Working, und auch zwischen den Staaten werden neue Rahmenbedingungen geschaffen. 

Zum Beispiel wurden Ende 2022 Änderungen am Doppelbesteuerungsabkommen zwischen der Schweiz und Frankreich angekündigt, seit Anfang Januar 2023 sind diese für Grenzgängerinnen und Grenzgänger anwendbar: Neu besteht die Möglichkeit, dass Mitarbeitende mit Wohnsitz in Deutschland oder Frankreich bis zu 40 Prozent des jeweiligen Arbeitspensums im Homeoffice arbeiten, ohne die Besteuerungsregeln zu verändern. Es sind aber noch Fragen offen wegen neuer Bescheinigungspflichten bezüglich Arbeitsort der Mitarbeitenden oder wegen Geschäftsreisen. Grenzgängerinnen und Grenzgänger aus Italien können aufgrund der aktuell geltenden gesetzlichen Bestimmungen nicht im Homeoffice arbeiten.

Céline Wehrle, Direktorin von Global Employer Services bei Deloitte Schweiz, ermutigt Unternehmen mit Blick auf die Arbeitgeberattraktivität zu mehr Flexibilität: «In den Bereichen Steuern, Sozialversicherung, Arbeitsrecht und Immigration gibt es verschiedene Stolpersteine, die aber zumeist umgangen werden können.»