Mit kostenlosem Mittagessen und Eiscreme locken die Finanzhäuser in London ihre Banker in die Büros zurück. Und es scheint zu funktionieren: So geschäftig wie in den vergangenen Tagen ging es schon lange nicht mehr zu in der City. Im Finanzdistrikt Canary Wharf wuseln Menschen aus der U-Bahn in die Hochhäuser, Scharen von Büroangestellten drängen sich auf öffentlichen Plätzen und geniessen die Septembersonne.

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«Es fühlt sich an, als ob sich die Lage nach den Sommerferien normalisiert», sagt Ian Williams von der Investmentbank Peel Hunt. Er arbeitet zum ersten Mal seit Ausbruch der Pandemie Anfang 2020 wieder vom Büro aus. Die britische Regierung hatte im Juli in England nahezu alle Corona-Beschränkungen aufgehoben.

Verkehrsreichster Tag seit dem Ausbruch der Pandemie

Londons Verkehrsverbund gab letzte Woche bekannt, dass es seinen verkehrsreichsten Tag seit dem Ausbruch der Pandemie im März 2020 verzeichnete. Der Betreiber des Finanzdistrikts Canary Wharf teilte mit, derzeit sei so viel los wie seit eineinhalb Jahren nicht mehr. Die Zahlen sprechen für sich: Bei der Bank Standard Chartered waren letzte Woche rund 33 Prozent der Angestellten im Büro nach 20 Prozent in der Woche davor und ein paar wenigen während der Lockdowns. Dass der Vorstand den Bankern Essen ausgab, mag dabei geholfen haben.

Bei Goldman Sachs konnten sich die rund 3000 Investmentbanker in den Büros am Plumtree Court immerhin ein paar kostenlose Kugeln Eis gönnen. Damit kam die US-Bank auf eine Auslastung von 50 Prozent - viel mehr als zu den Hochzeiten der Pandemie und den Lockdowns, als an manchen Tagen gerade einmal ein paar Hundert Banker den Weg in die Innenstadt fanden. Bei Europas grösster Bank HSBC arbeiteten am Hauptsitz in Canary Wharf rund 1800 Mitarbeiter statt der 1000 bis 1500 Banker in den letzten Monaten.

Hybrides Arbeitsmodell bei der Deutschen Bank

Belohnungen gebe es für die HSBC-Banker nicht, weil es dies für die 10'000 Angestellten in den Filialen, die während der Lockdowns immer vor Ort sein mussten, auch nicht gegeben habe, sagt Grossbritannien-Chef Ian Stuart. «Wir versuchen effektiv zu kommunizieren, dass die Büros sicher sind. Die erste Hürde besteht darin, Leute dazu zu bringen, hereinzukommen und es auszuprobieren, und dann kommen immer mehr.»

In Deutschland ist die Zurückhaltung noch grösser als in Grossbritannien, auch weil viele Beschränkungen im Alltagsleben noch in Kraft sind. Obwohl die Homeoffice-Regelung seit dem 1. Juli nicht mehr gilt, arbeiten viele Menschen noch von zu Hause aus. Bei der Deutschen Bank sind es in Deutschland rund 75 Prozent, global zwischen 65 und 70 Prozent der weltweit 85'000 Mitarbeiter.

Deutsche-Bank-Chef Christian Sewing hat mehrfach betont, nach der Pandemie ein hybrides Arbeitsmodell anzustreben. Auch andere Institute stellen sich auf die neuen Bedingungen ein. Die Bethmann Bank baut etwa einem Bloomberg-Bericht zufolge ein eigenes Fernsehstudio, damit Mitarbeiter und Kunden nach der Pandemie verstärkt zu Hause bleiben können.

«Es fühlt sich ein bisschen verrückt an»

So ganz geheuer ist den Londoner Bankern die Rückkehr in die Büros aber nicht. «Es fühlt sich ein bisschen verrückt an, sich plötzlich wieder in die vollen Züge zu quetschen und nicht alle tragen eine Maske», sagt Banker Rob zu einem Reuters-Reporter in der U-Bahn in Richtung London City. «Aber ich hatte ehrlich gesagt genug davon, zu Hause zu sitzen.» Vor allem Händler und Investmentbanker werden vermehrt aus dem Homeoffice geholt. Das Geschäft im Aktien-, Anleihe und Rohstoffhandel lebt von lauten und schnellen Zurufen, Absprachen über Chat und Telefon sind zu langsam und umständlich.

Neben kostenlosem Lunch und Eiscreme lassen sich die Finanzunternehmen auch andere Dinge für ihre zurückkehrenden Mitarbeiter einfallen. Der Versicherer Phoenix veranstaltet etwa sichere «social events» und verteilt bunte Schlüsselanhänger mit Aufdrucken wie «Ich halte Abstand» und «Ich bin mit High-fives einverstanden».

(reuters/hzi/gku)