Die Arbeitswelt unterliegt seit einigen Jahren einem rasanten Wandel, das betrifft auch die Versicherer und kommt unter anderem in flexibleren Arbeitsmodellen zum Ausdruck. Es gilt deshalb, die berufliche Vorsorge auf die neue Situation abzustimmen. Die Sammelstiftung Vita hat sich in Zusammenarbeit mit der Avenir Group, der Hochschule für Wirtschaft (FHNW) und mit Innosuisse im Rahmen eines Forschungsprojekts mit dieser Problematik auseinandergesetzt.

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In dem von Innosuisse geförderten Projekt wurde ein Flex-Consulting-Ansatz entwickelt, der Unternehmen darin unterstützt, Flexibilisierungspotenziale und -risiken von Personaleinsatz und Beschäftigung zu analysieren, zu bewerten sowie Strategien und Lösungsansätze für ein integratives Management der «Flexible Workforce» unter Berücksichtigung der BVG-Thematik (Berufliche Vorsorge) zu entwickeln. Ausgewählte Aspekte werden im Folgenden vorgestellt.

Die Autoren

Professor Martina Zölch leitet seit 2012 das Institut für Personalmanagement und Organisation an der Hochschule für Wirtschaft FHNW. Sie leitet Forschungs- und Beratungsprojekte unter anderem zur Flexibilisierung von Arbeit und Beschäftigung, zu Retention-Management und zu demografieorientiertem Personalmanagement.

Marcel Oertig ist VR-Präsident und Partner der Avenir Group. Zuvor war er lange Jahre als HR-Leiter und Mitglied der Geschäftsleitung in verschiedenen Unternehmen tätig. Als Präsident des Stiftungsrates der Sammelstiftung Vita sowie von Pro Senectute Kanton Zürich engagiert er sich für die Themen Vorsorge und Alter. 

Christian Scherff ist seit 2021 als Head Underwriting & Actuarial Services bei der Sammelstiftung Vita tätig. In 20 Jahren Berufslaufbahn hat er bei namhaften Kranken- und Lebensversicherungen national wie international in verschiedenen Fach- und Führungspositionen gearbeitet. 

Flexibel arbeiten wird wichtiger

Die Flexibilisierung von Personalressourcen, Personaleinsatz und Beschäftigung hat in den letzten Jahren an Bedeutung gewonnen. Empirische Erkenntnisse darüber, welche relevanten Erfolgs- und Risikoindikatoren der Flexibilisierungspraxis für Unternehmen und Beschäftigte es gibt, liegen bislang nur eingeschränkt vor. Vor diesem Hintergrund untersuchte das Projekt die bestehende Situation in ausgewählten Branchen und Beschäftigtengruppen und entwickelte gemeinsam mit den Projektunternehmen Lösungsansätze für ein professionelles Management von flexiblen Arbeitseinsätzen (Flexible Workforce).

Komplexe Vertragsverhältnisse

Das Management von Flexible Workforce ist ein hochkomplexes Feld. Dies zum einen aufgrund der unterschiedlichen Vertragsverhältnisse von Flexworkern, die unter dem Begriff der «Flexible Workforce» subsumiert werden. Zum anderen infolge der unterschiedlichen Stakeholder wie HR, Einkauf, Linie, Pensionskassen sowie Legal, die in das Management flexibler Beschäftigung involviert sind. 

Sowohl die Organisation des Flex-Managements innerhalb eines Unternehmens als auch das damit verbundene Management unterschiedlicher Prozesse des HR-Life-Cycles für Flexworker ist in der Folge häufig auf bestimmte Gruppen von Flexworkern ausgerichtet. Entsprechend fragmentiert und unvollständig sind auch Daten zu Flexworkern und deren Einsätze in Unternehmen. Dies erschwert eine integrale Steuerung und Bewirtschaftung der gesamten Flexible Workforce und infolgedessen auch eine gesamtheitliche Planung der internen und externen Belegschaft, was unter anderem zu Kosten-, Effizienz- und Qualitätsrisiken führen kann. Zudem werden Synergieeffekte nicht genutzt.

Führung von «Blended Teams»

Führungskräfte von «Blended Teams» sind speziell gefordert, sei es bei der Einarbeitung der Flexworker, der Gestaltung von Informationsprozessen, bei der Koordination des Personaleinsatzes oder dem Erwartungsmanagement dem Team gegenüber, wesentlich zu einer guten Integration der Flexworker beizutragen. 

Sowohl bei der Personalauswahl und Führungskräfteentwicklung als auch bei der Teamentwicklung ist dies zu berücksichtigen. Schliesslich ist auch die Kenntnis der spezifischen Bedürfnisse und Motive der höchst diversen Community an Flexworkern eine wichtige Voraussetzung für deren Anziehung und Bindung.

Flex-Pools als mögliche Lösung

Erfolgversprechende Lösungsansätze bestehen unter anderem im Aufbau von internen Flex-Pools, welche die Flexibilität in der Personaleinsatzplanung erhöhen und die Abhängigkeit von Personaldienstleistern verringern. Ein Single Point of Contact kann die Abstimmungsprozesse zwischen unterschiedlichen Stakeholdern unterstützen und die Grundlage für eine einheitliche Datenbasis bilden.

Die Fokussierung auf ausgewählte strategische Partnerschaften mit Personaldienstleistern und deren intensive Pflege sorgt für ein besseres Matching von Job- und Qualifikationsprofilen sowie eine gute Passung zum Team. Die Definition von verschiedenen Integrationslevels der Flexible Workforce hilft, die HR-Prozesse an unterschiedliche Gruppen von Flexworker anzupassen. 

Vollzeitarbeit hat als Arbeitsmodell ausgedient

Den Pensionskassen kommt bei Lösungsansätzen zur sozialen Absicherung von Flexworkern eine Schlüsselrolle zu. Das BVG ist historisch bedingt auf ein Arbeitspensum von 100 Prozent ausgerichtet. Doch individuelle Erwerbsbiografien nehmen zu, und immer mehr Firmen beschäftigen Flexworker. Dieser Trend wird sich künftig noch deutlich verstärken, denn das herkömmliche Arbeitsmodell der Vollzeittätigkeit und Beschäftigung bei einem einzigen Arbeitgebenden hat ausgedient.

Dummerweise ist jedoch genau dieses Modell die Grundlage für die gesetzlichen Minimalbestimmungen: Eintrittshürde, Mindest- und Maximallohn sowie Koordinationsabzug beruhen auf der Prämisse einer Vollzeittätigkeit. Dies kann bei vielen Personen zu grossen Lücken in der beruflichen Vorsorge führen, sofern die Vorsorgelösung nicht an die Bedürfnisse der Mitarbeitenden angepasst wird. 

BVG-Rating für Vorsorgelösungen 

Um die bestehende firmeneigene Vorsorgelösung zu analysieren und ihre Kompatibilität für Flexworker zu überprüfen, hat die Sammelstiftung Vita ein BVG-Rating-Modell entwickelt. Ziel ist es, den Unternehmensverantwortlichen ein einfaches Bewertungsinstrument zur Verfügung zu stellen, damit sie ihre Vorsorgelösung auf die Arbeitgeberattraktivität hin überprüfen und wenn nötig anpassen können, damit alle Arbeitnehmenden adäquat abgesichert sind.

Flex-Audit zur Standortbestimmung

Auf Basis der empirischen Ergebnisse wurde ein Flex-Consulting-Ansatz sowie ein IT-gestütztes Flex-Audit entwickelt. Letzteres unterstützt Unternehmen dabei, vor dem Hintergrund des jeweiligen Businessszenarios und der im Fokus stehenden Zielgruppe(n) eine Standortbestimmung zum Management von Flexible Workforce vorzunehmen. Eine Reihe von ergänzenden Tools hilft, für die identifizierten Handlungsfelder konkrete Massnahmen abzuleiten und zu implementieren, um das Management von Flexible Workforce zu professionalisieren.

Mehr lesen:

Zum Innosuisse-Projekt «Management von Flexible Workforce» – Strategien und Instrumente für HRM, Führung und BVG haben die Autoren ein Dossier veröffentlicht, das inklusive weiterer Informationen unter folgenden Link abgerufen werden kann.