Sie sind seit über 20 Jahren im Rückversicherungsgeschäft tätig, Herr Eugster. Glauben Sie, dass wir durch die Pandemie einen echten harten Markt haben mit langfristig hohen Preisen, und das nicht nur für ein paar Monate?
Covid-19 hat zu lokalen Preiserhöhungen geführt, aber nicht zu einem generell harten Markt auf einem nachhaltig auskömmlichen Niveau in allen Versicherungssparten. Die Massnahmen der Notenbanken zur Bekämpfung der wirtschaftlichen Folgen von Covid-19 sowie der voranschreitende Klimawandel mit den verbundenen Schäden werden auch zukünftig den Preisdruck verstärken. Demgegenüber stehen grosse Summen von verfügbarem Kapital, welche bei Preiserhöhungen schnell in die Rückversicherung fliessen.

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Die Rückversicherer sind sehr unterschiedlich von der Pandemie betroffen, die einen empfindlich, die anderen kaum. Wie stark ist Korean Re bei pandemiebedingten Schäden exponiert und wie viel kommt da noch auf den Markt zu?
Die Korean Re zeichnet einen Grossteil ihres Geschäfts in Südkorea und Asien. Diese Länder haben im Vergleich zu Europa andere Massnahmen zur Bekämpfung der Pandemie ergriffen und insbesondere auf gesamtwirtschaftliche Lockdowns verzichtet. Die Auswirkung der Pandemie auf die Schadenquote der Gruppe liegt daher weit unter 1 Prozent. Noch sind viele Fragen zu Pandemieschäden, insbesondere Betriebsschliessungen, offen und es ist anzunehmen, dass sich die Schadensummen in nächster Zeit noch verändern werden.

«Korean Re ist seit fast 20 Jahren in Europa aktiv als Rückversicherer.»

Sie leiten seit 2018 die Schweizer Tochterfirma der Korean Re, Korean Re Switzerland. Was sind Ihre Ziele und wie wollen Sie die erreichen?
Korean Re ist seit fast 20 Jahren in Europa aktiv als Rückversicherer. Die lokale Präsenz soll auf der einen Seite unseren bestehenden und neuen Kunden einen besseren Service bieten, auf der anderen Seite geniesst Korean Re Switzerland als Finma-regulierter Rückversicherer mit eigenem Kapital die volle EU-Solvency-II-Äquivalenz. 

Unser Ziel ist es, Korean Re in den nächsten Jahren zu einem relevanten und kundenorientierten Rückversicherer im europäischen Markt zu entwickeln, der unsere europäischen Versicherungskunden in allen Kernzweigen begleiten kann. Ein unternehmerisch denkendes Team mit exzellentem technischem Know-how, eine strategisch langfristig ausgerichtete Muttergesellschaft und eine optimale Zusammenarbeit mit unseren Kollegen in Seoul sind die Grundpfeiler für die erfolgreiche Umsetzung unserer Ziele. 

Sie berichten über eine erfolgreiche Erneuerungsrunde zum Jahreswechsel. Wie haben sich das Geschäft und die Preise entwickelt? Können Sie das in Zahlen fassen? Mit wie viel Prämie rechnen Sie im Geschäftsjahr 2021? An wie vielen Programmen sind Sie beteiligt?
Unser Prämienvolumen ist im Vergleich zum Vorjahr bei verbesserten Preisen und Bedingungen deutlich gestiegen. Wir haben unser Geschäft sowohl geografisch und als auch nach Sparten weiter ausgebaut. Deutschland, die Schweiz und Frankreich machen rund 60 Prozent unseres Portfolios aus. Das Sachgeschäft steht bei über 60 Prozent der Prämien, gefolgt von Kfz mit 20, Engineering mit 10 und Marine mit 7 Prozent. Für 2021 rechnen wir mit einem Prämienvolumen von rund 90 Millionen Euro.

«Wir konzentrierten uns bei Korean Re Switzerland zunächst auf die grösseren Kfz-Versicherungsmärkte.»

Neben dem klassischen Natcat-Geschäft bauen Sie jetzt auch das Motor-Geschäft auf. Wie gehen Sie da vor? Zeichnen Sie Kfz-Quoten? Wie sehen Sie die Kfz-Märkte? Welche sind Ihrer Meinung nach die profitabelsten und welche die problematischsten Märkte?
Wir konzentrierten uns bei Korean Re Switzerland zunächst auf die grösseren Kfz-Versicherungsmärkte. In diesen konnten wir Expertenwissen aufbauen und bieten proportionale und nichtproportionale Rückversicherungslösungen an. Im proportionalen Geschäft liegt der Schwerpunkt bei Verträgen mit verlaufsabhängigen Konditionen, welche ein gleiches ökonomisches Interesse zwischen Zedenten und Rückversicherer fördern. 

Problematisch sind sicherlich die Märkte, die Wettbewerb und Marktanteilsüberlegungen vor Rentabilitätsüberlegungen stellen. Hier haben die nationalen Versicherungsaufsichten auch schon mal in den Markt eingegriffen. Solche Entwicklungen verfolgen wir natürlich sehr genau.

In der nichtproportionalen Rückversicherung legen wir grosses Augenmerk auf die Parametrisierung des Pricing von lang abwickelnden Schäden und investieren in die Weiterentwicklung unseres Know-hows. Insbesondere im Bereich der nichtproportionalen Rückversicherung sind hier langfristig denkende und technisch solide Anbieter wie Korean Re gefragt.

«Sogenannte Ransom-Schäden stellen mittlerweile den Grossteil der Schäden im grossgewerblich-industriellen Geschäft dar.»

Sie bauen auch Kompetenzen für das Cybergeschäft auf. Das ist eine Sparte mit Wachstumspotenzial, aber auch mit vielen offenen Fragen. Hier wird viel über Kumulkontrolle gesprochen. Wie schätzen Sie diese Sparte ein?
Die Cybersparte wuchs die letzten Jahre rasant und wird dies auch weiterhin tun. Gerade während der Corona-Krise haben wir auch bei der Schadenseite einen sprunghaften Trend in der Änderung der Schadenursachen gesehen. Sogenannte Ransom-Schäden stellen mittlerweile den Grossteil der Schäden im grossgewerblich-industriellen Geschäft dar. 

Wir investieren in der Korean-Re-Gruppe gerade in den Aufbau eines Kumulkapazitätsmanagements und üben aus taktischen Überlegungen momentan Zurückhaltung im Grosskundengeschäft. Im Privat- und kleineren Gewerbegeschäft sind die benötigten Kapazitäten, aber auch die Prämienvolumina momentan noch niedriger. Hier ist ein intensiver Austausch im Rahmen gemeinsamer Produktentwicklungen zwischen Risikoträgern und Dienstleistern gefragt. 

Angesichts des global korrelierenden Kumulpotenzials und des enormen ökonomischen Schadenpotenzials, welches die Dimensionen schwerer Naturereignisse überschreiten kann, erwarten wir mittelfristig auch die Bildung von Partnerschaften zwischen der öffentlichen Hand und der Versicherungswirtschaft.

Kann man angesichts der starken Häufung von Schadenfällen noch klar zwischen Cyberkrieg und den klassischen Erpressungsversuchen unterscheiden? Zieht die Kriegsausschlussklausel auch bei Cyber?
Mit dieser Frage beschäftigen sich gerade Gerichte in verschiedenen Ländern und wir verfolgen deren Entscheide und Einschätzungen aufmerksam. 

In der D&O-Versicherung ist es zu einer Marktverhärtung gekommen. Ist die Sparte jetzt auch für Sie interessant geworden? Rechnen Sie mit einem Rattenschwanz an weiteren Schäden durch die pandemiebedingt verschleppten Insolvenzen?
Nach Jahren massiven Preisverfalls und Anstiegs der Exposure haben wir die letzten zwölf Monate eine zum Teil deutliche Marktverhärtung mit Ratenerhöhungen gesehen. Die Frage ist, ob diese bereits ausreicht, um beachtliches Schadenpotenzial abzusichern, welches stark mit der allgemeinen Wirtschaftslage und den Kapitalmärkten korreliert. 

Wir üben daher in diesem Bereich Zurückhaltung und konzentrieren uns mit einem selektiven Ansatz auf weniger von der Pandemie und den resultierenden Veränderungen betroffene Portfolios, haben aber bis dato noch kein nennenswertes Geschäft gezeichnet.

Zeichnen Sie auch fakultatives Geschäft? Wie schätzen Sie hier die Marktlage ein?
Wir konzentrieren uns auf das europäische Vertragsgeschäft, fakultatives Geschäft wird zentral und global von unseren Kollegen in Seoul gezeichnet. Insbesondere im internationalen Engineering-Geschäft und anderen Specialty-Lines pflegen wir hier eine enge Kooperation.

«Europa ist einer der wichtigsten Rückversicherungsmärkte und generiert mehr als 40 Prozent der weltweiten Marktprämie.»

Korean Re hat das Zürcher Tochterunternehmen auch deshalb aufgebaut, um nach dem Brexit kontinentaleuropäische Versicherer besser bedienen zu können. Wie viel Geschäft wird denn Ihrer Einschätzung nach von London in die Schweiz wandern? Wie sind Ihre Erwartungen bei Korean Re?
Die Folgen des Brexit wurden sowohl von den Kunden wie auch dem Londoner Markt antizipiert und zukünftige grössere Bewegungen sind zurzeit nicht zu erwarten. 

Was macht Europa so interessant für Korean Re? Die Wachstumsmärkte befinden sich doch in Asien?
Europa ist einer der wichtigsten Rückversicherungsmärkte und generiert mehr als 40 Prozent der weltweiten Marktprämie. Korean Re Switzerland kann neue Kunden und Märkte erschliessen, welche zur Diversifizierung des Gruppenportfolios beitragen. Die Schweiz hat ein ausgezeichnetes, international anerkanntes regulatorisches Umfeld und ist einer der wichtigsten globalen Rückversicherungs-Hubs mit einem entsprechenden Talentpool.

Digitalisierung ist auch ein wichtiges Thema für Rückversicherer geworden. Wie wirkt sich das auf den Rückversicherungsmarkt aus? Sehen Sie das als ein wichtiges Investitionsfeld für Korean Re an? Wie sind Sie hier aufgestellt?
Wir arbeiten eng mit unserem Mutterhaus zusammen und erwarten, dass wir in Zukunft vom südkoreanischen technologischen Know-how profitieren können, von der Risikozeichnung und aktuariellen Analyse bis hin zu effizienten Operations- und Finanzprozessen.