In einer losen Serie von Beiträgen blickt HZ Insurance hinter die Kulissen von Cybercrime und Betrugsszenarien, die Versicherern zu schaffen machen. Bisher erschienen: 

Die digitale Kriminalität ist weiter auf dem Vormarsch. Im Jahr 2022 wurden gemäss der Polizeilichen Kriminalstatistik 75.6 Prozent aller erfassten Betrugsdelikte mit einem Modus Operandi der digitalen Kriminalität verübt. Um der Täterschaft das Handwerk zu legen, setzt die Polizei auf neue digitale Ermittlungsansätze und alternative Formen der Zusammenarbeit.

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Kriminelle nutzen Technologien wie Internetdienste, soziale Medien oder Verschlüsselungen immer häufiger, um ihre Ziele zu erreichen. Ob Betrugsfälle oder andere Formen der Wirtschaftskriminalität: Die digitale Komponente ist bei Delikten zum fixen Bestandteil geworden. Die Kriminalstatistik 2022 bestätigt dies: Bei insgesamt 24’195 Betrugsdelikten gab es 18’338 Fälle mit einem digitalen Bezug.

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Ermittlerinnen und Ermittler der Polizei stehen bei der Untersuchung digitaler Betrugsdelikte vor verschiedenen Herausforderungen. Im Unterschied zu früher finden die Handlungen online statt und die Täterschaft bleibt unbekannt. Der Bezug zur Schweiz wird zunehmend schwächer. Oftmals unterstehen nur noch die Geschädigten dem schweizerischen Recht. 

Organisierte Kriminalität nimmt zu

Bei der Täterschaft handelt es sich um sehr professionell organisierte Tätergruppierungen, die arbeitsteilig funktionieren und einen hohen finanziellen, organisatorischen und personellen Aufwand bezüglich der digitalen Strukturen betreiben. Sie agiert bewusst aus Drittstaaten heraus, die sich durch eine schwache Strafverfolgung und Korruption auszeichnen. 

Eine zusätzliche Herausforderung ist die digitale Spurenlage aufgrund ihrer Volatilität und Datenmenge. Strafverfolgerinnen und Strafverfolger benötigen spezialisiertes Know-how, unter anderem in der Sicherstellung, Auswertung und Analyse der erhobenen Daten.

Neue Konzepte der Ermittlung

Um digitale Betrugsdelikte effizienter zu verfolgen, setzt Polizeiarbeit auf neuartige Ermittlungskonzepte. Zum Beispiel wird strukturelle Ermittlung, also das systematische Sammeln, Visualisieren und zentralisierte Auswerten von Daten, kombiniert mit operativen Ermittlungsverfahren, bei denen gezielt geheime Überwachungsmassnahmen durchgeführt werden. 

Neben digitalen beziehungsweise technischen Ermittlungen, wie beispielsweise IP-Auswertungen, Quellcode-Analysen oder Open Source Intelligence (OSINT), werden auch klassische Ermittlungsansätze weiterverfolgt, wie beispielsweise «Follow the Money» oder Registerabklärungen. Die Methoden ergänzen sich gegenseitig. 

Der Autor:

Reto Manser hat seine Masterarbeit im Rahmen des MAS Economic Crime Investigation zum Thema «Von der analogen zur digitalen polizeilichen Wirtschaftsermittlung – Aktuelle Herausforderungen in der Ermittlung von Betrugsfällen vor dem Hintergrund der Digitalisierung» verfasst. Er ist Ermittler im Dienst Cyber- und Wirtschaftsdelikte bei der Kriminalpolizei der Zuger Polizei. Bei seiner täglichen Arbeit beschäftigt er sich mit verschiedenen Arten von Wirtschaftskriminalität. Reto Manser verfügt über einen Master in Rechtswissenschaften (MLaw) sowie einen MAS in Economic Crime Investigation.

Methodenpluralismus erhöht Druck auf Täter

Dieser angewandte Methodenpluralismus bezweckt die Lokalisierung und Identifikation der unbekannten Täterschaft und weniger den Nachweis der Tatbestandsmässigkeit, also die Zuordnung der Betrugshandlungen zu den einzelnen Straftatbeständen. Ein Patentrezept für einen garantierten Erfolg in der Ermittlung von digitalen Betrugsdelikten gibt es nicht. Jeder Fall ist anders und muss individuell angegangen werden. In der Praxis lassen sich dennoch eindeutige Schlüsselfaktoren für eine erfolgreiche Ermittlung beziehungsweise Fallbearbeitung von digitalen Betrugsdelikten ableiten:

  • Ressourcen- und Know-how-Aufbau: Hier sind die Polizeikorps insbesondere bei der Rekrutierung und Weiterbildung von Spezialisten gefordert. Die Verlagerung der Kriminalität in den digitalen Raum ist Realität. Dementsprechend braucht es genügend spezialisierte Fachkräfte. Gut ausgebildetes und motiviertes Personal ist die Grundlage für den Ermittlungserfolg.
  • Intensivierte Zusammenarbeit: Eine enge, interdisziplinäre Zusammenarbeit zwischen den Spezialisten der Polizei, also die sogenannte «Verbundsarbeit» zwischen der Wirtschafts- und Cyberermittlung sowie der IT-Forensik, ist das «A und O» für eine effiziente Ermittlung von digitalen Betrugsdelikten. Bekanntlich handelt es sich bei den digitalen Betrugsdelikten um überregionale Phänomene serieller Kriminalität. Seriendelikte sind Straftaten, die in gleicher Art und Weise wiederholt verübt werden. Oft handelt es sich um die gleiche Täterschaft beziehungsweise Tätergruppierung – das muss aber nicht sein. Die nationale und internationale Zusammenarbeit der Strafverfolgungsbehörden ist daher von grösster Bedeutung.
  • Agile Ermittlung mittels Methodenpluralismus: Das Zusammenspiel von strukturellen Ermittlungsmethoden mit operativen Verfahren oder das mehrspurige Verfolgen von digitalen sowie klassischen Ermittlungsansätzen macht eine gute Fallbearbeitung aus und ist der Schlüssel zum Erfolg.
  • Zielorientierte Erhebung von Beweismitteln: Mit Blick auf die Verschlüsselung und Volatilität der Daten und der digitalen Vermögenswerte ist das taktische Vorgehen der Polizei bei Zwangsmassnahmen, wie zum Beispiel bei Hausdurchsuchungen, von Fall zu Fall auf die jeweiligen konkreten Umstände auszurichten. Darüber hinaus ist der frühzeitige Einbezug der IT-Forensik in die Ermittlungen ein wesentlicher Erfolgsfaktor, um die immer grösser werdende Datenmenge bewältigen zu können

Erfolgreiche Ermittlung digitaler Betrugsdelikte 

Die erfolgreiche Ermittlung digitaler Betrugsdelikte misst sich nicht ausschliesslich daran, ob die Täterschaft verhaftet und überführt werden kann. Vielmehr sind neue Erkenntnisse, die Sicherstellung und Rückführung von Vermögenswerten oder die Erkennung von Serien, was unter Umständen für laufende oder nachfolgende Verfahren hilfreich sein kann, bereits als Erfolg zu werten.

 

Der Beitrag erschien erstmals im Blog Economic Crime des Instituts für Finanzdienstleistungen Zug (IFZ) der Hochschule Luzern (HSLU) , am 22. Mai 2023.