Auf den ersten Blick sah alles wie ein alltäglicher Autounfall aus, berichtete die «New York Times». In voller Fahrt war im Juli 2020 an einem sonnigen Nachmittag eine Tesla-Fahrerin mit ihrem Model S von einem anderen Fahrzeug von hinten gerammt worden. Die Fahrerin sagte den Verkehrspolizisten, ihr Auto, das gerade vom Tesla-Driver-Assistenz-System gesteuert worden war, hätte plötzlich die Fahrt verlangsamt und stark abgebremst. Sie hätte noch vergeblich versucht, die Kontrolle zurückzugewinnen. 

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Kameras sehen mehr und besser als Zeugen

In den Tesla-Fahrzeugen werden, wie auch bei anderen modernen Fahrzeugen, ständig unzählige Daten über Sensoren und Kameras erfasst. Das geht sogar so weit, dass die Kameras – zur Abschreckung von Autodieben – auch dann noch die Umgebung erfassen, wenn sie abgestellt sind, wie vor vier Jahren berichtet worden war. 

Warum Elektroautos mehr Unfälle verursachen als Verbrenner

Die E-Mobilität boomt. Doch die Statistik der Axa zeigt, dass Lenkerinnen und Lenker von Elektroautos massiv mehr Kollisionen verursachen. Warum?

Hier die Analyse.

Im konkreten Fall liess sich der Unfall minutiös nachvollziehen: Etwa zehn Sekunden vor dem Unfall leitete die Automobilistin einen Spurwechsel ein. Eine halbe Sekunde nach dem Spurwechsel-Befehl leitete das System dieses Manöver tatsächlich ein und verlangsamte die Geschwindigkeit. Wenige Sekunden später – die Spur war schon halb gewechselt – hatte irgendwas die Sensoren des Tesla irritiert. Eventuell war das ein Lastwagen auf der anderen, entgegenkommenden Spur des Highways gewesen. Das Fahrzeug brach das Manöver automatisch ab und verlangsamte weiter. Die rückwärts ausgerichteten Kameras zeigten ein rasch näherkommendes anderes Auto, das dann wenige Sekunden später mit der Tesla kollidierte. 

Der Unfall liess sich präzise rekonstruieren, auch weil die Autohersteller ihre Systeme ständig verbessern müssen und möchten. Es soll jeweils auch ermittelt werden, ob und wie weit die Lenkerinnen bzw. Lenker Unfälle auslösen – oder ob die Automatik das Problem darstellt. Im Gegensatz zu den Blackboxes, die jeweils nur einige Parameter in den wenigen Sekunden vor und nach einem Unfall aufzeichnen, sammeln die Tesla-Fahrzeuge einen kontinuierlichen Datenstrom – und Ereignisse, die ihre Vorgeschichte und Ausgangspunkt Minuten vor einem Unfall haben, lassen sich nachvollziehen. 

Daten statt Meinungen von Sachverständigen

Wie beispielsweise bei einem anderen Unfall in den USA, bei dem ein anderes Tesla-Fahrzeug involviert war. Hier fuhr ein Motorradfahrer von hinten auf und kam ums Leben. Der Fahrer des Tesla hatte den Vorfall erst bemerkt, als es knallte – es gab von ihm keine Vorgeschichte. Auch hier brachte eine rückwärtsgerichtete Kamera die wichtigen Details. Der Unfall passierte, weil das Motorrad kurz davor ein Rad verloren und der Lenker keine Kontrolle über sein Gefährt mehr hatte. Auch hier erwiesen sich die Kameradaten als ungleich wichtiger als die Augenzeugen und die Aussagen der am Unfall Beteiligten. 

Daten bedingungslos ausliefern 

In den USA hat die Diskussion bereits eine Eigendynamik entwickelt. Matthew Wansley, Rechtswissenschaftler an der Cardozo School of Law in New York, argumentierte in einem akademischen Artikel, dass die Autohersteller konsequent alle Daten sammeln sollten – und die dann bei Unfällen der Polizei und den Autoversicherern zur Verfügung stellen. Die Daten sollten nicht nur dafür verwendet werden, die Fahrzeuge immer sicherer zu machen. Auch die Strassensysteme selber sollten verbessert und den Anforderungen der automatischen Fahrzeuge besser angepasst werden. 

Es sind auch schon erste Startups entstanden, die mit solchen Daten arbeiten und handeln. Verkäufer sind die Besitzer von automatischen Fahrzeugen, die ihre noch unverarbeiteten Daten zur Verfügung stellen. Kritiker weisen jedoch auf die eingeschränkte Aussagekraft solcher Daten hin. Es würden jeweils nur wenige Sekunden abgedeckt – und auch hier gebe es noch einigen Spielraum für Interpretationen.