Womit beschäftigen Sie sich heute: Was steht auf Ihrem Tagesprogramm? 
Ich hatte gerade einen längeren Call mit unseren Niederlassungsleitern und habe auf dieser Basis einen Lagebericht zur Situation bei den Mitarbeitenden und den Kunden erhalten. Es geht uns zum Glück allen gut und wir haben nur wenige Krankheitsfälle.

Funk betreut in der Schweiz über 1300 Unternehmen. Können Sie uns einen Überblick darüber geben, wo der Schuh bei diesen versicherungstechnisch drückt?
In diesem Jahr war es so, dass die Kunden nebst Corona erstmals seit längerer Zeit mit einer Verschlechterung der Konditionen konfrontiert waren. In der kollektiven Krankentaggeldversicherung kennen wir das schon – jetzt gibt es aber auch in anderen Bereichen Prämienerhöhungen. Insbesondere bei international tätigen Firmen sehen wir ausserdem zum ersten Mal seit den 1980er Jahren gewisse Kapazitätsengpässe aufseiten der Versicherer. Wir erleben, dass man nicht mehr alles ohne weiteres versichern kann, sondern zum Teil nur mit Einschränkungen.

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Warum haben die Versicherer weniger Kapazitäten?
Das hat mit der Risikofähigkeit der Versicherer zu tun, wobei die Corona-Krise sicher hineinspielt. Die Gesellschaften wurden unterschiedlich hart getroffen. Wir haben nun 15 Jahre lang den gegenteiligen Trend beobachtet: Die Versicherer haben die Prämien immer weiter gesenkt, bis sie dem Risiko eigentlich nicht mehr entsprochen haben. Das Ausmass war enorm: Bei Funk haben wir unser Prämienvolumen in einem Jahrzehnt praktisch halbiert. Mit Gewinnen am Finanz- und Immobilienmarkt konnten die Versicherer die Defizite bei den Prämien teilweise kompensieren. Ein Ende war absehbar, da sich seit Jahren auch die tiefen, teilweise negativen Zinsen auf die Anlageperformance auswirken.

Inwiefern verstärkt Corona diese Tendenz zu weniger Risikobereitschaft vonseiten der Versicherungsgesellschaften?
Der Versicherungsmarkt wurde von Corona zweifellos aufgeschreckt und überrascht. Mittlerweile gibt es ja keine Möglichkeit mehr, sich gegen eine Pandemie abzusichern, und die Erkenntnis, dass ein solches weltweites Risiko nicht versicherbar ist, wächst. Damit einher geht der Ruf nach anderen Lösungen, wie wir sie beispielsweise bei Elementarschäden mit einem gemeinsamen Pool kennen. Nichtsdestotrotz erwarten wir, dass sich der Umgang mit Risiken noch weiter verändern wird. Wir werden wahrscheinlich erleben, dass in einigen Bereichen die Versicherung erst am Schluss zum Zug kommt, wenn der Versicherte alles in seiner Macht Stehende zur Schadenminimierung bzw. Schadenverhinderung gemacht hat. Solche Entwicklungen beginnen sich aktuell bei der Deckung von Cyber-Risiken zu etablieren.

«Ich denke, dass Viren in unserer vernetzten Welt auch in Zukunft eine Rolle spielen dürften.»

Wie viel Verständnis haben Ihre Kunden, wenn Sie sie mit Deckungseinschränkungen und Prämienanpassungen konfrontieren müssen?
Natürlich sind manche frustriert und es wirkt ja auch unfair, wenn man beispielsweise jahrelang Prämien bezahlt hat und es am Schluss trotzdem heisst: Genau dieses Ereignis ist nicht versichert. Bei manchen Unternehmen aus der Eventbranche oder aus dem Tourismus geht es ja effektiv um «Sein oder Nichtsein», während bei anderen nur Teilbereiche betroffen sind. Im Grossen und Ganzen können wir die Vielschichtigkeit der Probleme aber schon erklären und damit steigt auch das Verständnis.

Ich werde oft gefragt: Was sind die Auswirkungen der Pandemie? Ich antworte dann: Der Grad der kollektiven menschlichen Intelligenz wird sich in ein paar Monaten oder Jahren zeigen. Erinnert sich der Mensch? Oder vergisst man doch schnell? Ich befürchte, dass wir schneller vergessen, als wir glauben. Persönlich denke ich aber, dass Viren in unserer vernetzten Welt auch in Zukunft eine Rolle spielen dürften. Wir tun gut daran, aus dieser Erfahrung zu lernen.

Haben sich die Themen, mit welchen sich Ihre Kunden auseinandersetzen, in den letzten Jahren verändert?
Die Digitalisierung ist natürlich vorangeschritten, Industrie 4.0 ist ein Thema und auch die ganze Supply Chain, auf die sich das Risikomanagement auswirkt, ist durch die Globalisierung komplexer geworden. Die Firmen haben gerade auch in der aktuellen Krise eine neue Sensibilität für Cybergefahren entwickelt. Eine weitere Veränderung, der ich immer wieder begegne, ist der «War for Talents». Die Unternehmen kämpfen um die besten Leute.

«Ich spreche mit dem Praktikanten gleich wie mit einem GL-Mitglied und wir haben flache Hierarchien.»

Ein Thema, das auch Sie zu beschäftigen scheint. Beim Swiss Arbeitgeber Award haben Sie Platz zwei der Unternehmen mit 50–99 Mitarbeitenden erreicht. Bereits 2019 landeten Sie in einer Bewertung von Kununu unter den zehn besten Arbeitgebern in der Stadt Zürich. Was machen Sie anders als Ihre Konkurrenz?
Ich kann nicht sagen, ob wir es anders machen; aber selbstverständlich kann ich einen Einblick geben, wie wir es machen. Für mich beginnt es beim Menschenbild: Jeder, der bei uns arbeitet, ist wichtig. Ich spreche mit dem Praktikanten gleich wie mit einem GL-Mitglied und wir haben flache Hierarchien. Wir leben zudem eine hohe Transparenz und teilen auch wichtige Zahlen und Fakten mit unserer Belegschaft. Die Pflege unserer Kultur liegt mir ganz besonders am Herzen.

Das klingt alles sehr schön und gut. Aber Hand aufs Herz: Sie müssen ja auch wirtschaftlich erfolgreich und nicht bloss ein netter Arbeitgeber sein, oder?
Klar! Ich bin der festen Überzeugung, dass es eine gute Investition ist. Es holt mich später ein, wenn ich einen schlechten Zustand korrigieren muss. Bin ich aber nah bei den Leuten, kann ich auch früh eingreifen. Von daher steht für mich Mitarbeiterfreundlichkeit in keinem Widerspruch zum Erfolg, im Gegenteil. 

Gesellige Anlässe sind im Moment nicht möglich. Was fehlt dadurch?
Die spontanen Interaktionen sind nicht die gleichen, wenn wir solche Meetings virtuell abhalten. Wer weiss: Vielleicht lernen wir das ja noch.

«Wir haben eine hohe Kontinuität bei unseren Mandatsleiterinnen und Mandatsleitern, wodurch langjährige Kundenbeziehungen entstehen.»

Noch eine Bewertung: ValueQuest hat für Sie 2020 eine repräsentative Kundenbefragung durchgeführt, wo Sie eine Wiederempfehlungsrate (NPS) von 68 erreicht haben. Wie ist dieser Wert zu verstehen? 
68 Prozent der Befragten würden uns weiterempfehlen. Es ist nicht ganz einfach, das selbst einzuschätzen, da wir zu unseren direkten Mitbewerbern keine Aussagen machen können. Wenn ich es aber mit den Versicherern vergleiche, dann ist der Wert sehr hoch: Aufgrund einer Studie aus dem Jahr 2018 setzt die Mobiliar mit einem NPS von 45 den Benchmark unter den Versicherungsgesellschaften. Die Mehrheit der Versicherer weist einen NPS um 20 aus.

Wie erklären Sie sich dieses Ergebnis?
Wir haben eine hohe Kontinuität bei unseren Mandatsleiterinnen und Mandatsleitern, wodurch langjährige Kundenbeziehungen entstehen. Das ist aus meiner Sicht der wichtigste Grund.

Funk nimmt sich neuen Risiken, insbesondere Cyberrisiken, an. Auch andere Broker und Versicherungsgesellschaften haben dieses Thema auf dem Radar. Was machen Sie besser?
Ich glaube, das hat eine historische Relevanz. Seit über zehn Jahren sind wir intensiv am Thema dran, waren mitunter die ersten in der Schweiz. Ich erinnere mich an einen Kollegen, der aus Amerika zurückkam und erzählte: In diesem Bereich geht etwas. Ich erinnere mich aber auch an die vielen belächelnden Stimmen, die uns in den darauffolgenden Jahren signalisierten, wir sollen doch mal Pause machen. Wir haben immer weitergemacht und konnten auch von unserem Mutterhaus profitieren, da das Cyberthema bekanntlich keine Grenzen kennt. Wir haben ein Ökosystem mit einem Verteidigungsdispositiv auf drei Linien geschaffen – mit meinem militärischen Hintergrund darf ich das wohl so nennen. Das beinhaltet für uns: IT-sicherheitstechnische Kooperationen, Ausbildung und laufende Sensibilisierung der Mitarbeitenden. Erst als dritte Linie folgt der Risikotransfer. Wir berechnen mit unserem Funk Cyber Risk Calculator das finanzielle Restrisiko. Für den Fall, dass der Transfer des Cyberrisikos vom Kunden gewünscht wird, haben wir unser eigenes Versicherungsprodukt Funk CyberSecure entwickelt, für welches wir Provider gefunden haben.

Sie empfanden das Thema als so notwendig, dass Sie als Broker ein Versicherungsprodukt entwickelten? Das entspricht ja nicht ganz der gängigen Aufgabenteilung …
Das ist so. Vor rund sieben Jahren haben wir mit einem ethischen Hacker in der Schweiz eine Tournee gemacht, in der er live vorführte, wie raffiniert Cyberkriminelle vorgehen können. Der Wow-Effekt war riesig, verpuffte aber auch schnell. Da der Markt zu dieser Zeit keine intelligenten und kundenfreundlichen Produkte hergab, haben sich unsere besten Leute darangemacht und ein Cyber-Wording entworfen. Bis heute hat das Produkt im Markt klare Leistungsvorteile gegenüber konventionellen Lösungen.

Unter dem Begriff Beyond Insurance gehen Sie über die Vermittlung von Versicherungen hinaus. Können Sie uns ein Beispiel nennen?
Auch dann, wenn das klassische Brokerhandwerk nicht mehr ausreicht, um ein Problem zu lösen, wollen wir Hand bieten. Nehmen wir das Beispiel einer Fertigungsmaschine. Diese fällt aus, es entsteht ein Betriebsunterbruch. Um das zu verhindern, installieren wir mit einem Technologiepartner Sensoren, die bei der Maschine Spannungsunterschiede im feinsten Rahmen messen und Warnungen abgeben, bevor es zu einem Ausfall kommt. Ein anderes Beispiel: Durch die Installation von Bots bei IT-Systemumgebungen können Anomalien beim Traffic detektiert werden, welche auf eine Cyberattacke hinweisen könnten.

«Das Solidaritätsprinzip der Versicherung ist brüchig geworden.»

Warum macht das der Broker und nicht der Hersteller?
Böse gesagt verkauft der Hersteller vielleicht lieber eine neue Maschine oder schickt einen Servicemitarbeitenden. Wir hingegen wollen das Risiko für den Kunden reduzieren, was sich in der Prämie niederschlagen muss.

Spricht man von der nahen Zukunft, kommt immer wieder das Wort «Ökosystem» zur Sprache, wobei die Grenzen der Versicherung ausgeweitet werden. Sie haben es vorhin auch benutzt. Funktioniert Versicherung in ihrem ursprünglichen Rahmen nicht mehr?
Das Solidaritätsprinzip der Versicherung ist brüchig geworden, ja. Ich glaube, die klassische Versicherung ist auf dem Prüfstand, weshalb auch Innovation immer wichtiger wird. Zudem lassen sich die heutigen zunehmend komplexeren Herausforderungen nicht mehr mit einer Versicherungslösung alleine bewältigen.

Nicht immer hat man im täglichen Hamsterrad Zeit für die strategische Ausrichtung und Innovation. Wie finden Sie im Geschäftsalltag die Balance zwischen Weitsicht und Daily Business? 
Mit einer höchst konsequenten Zeitplanung. Mein Motto lautet: Plane das, was du planen kannst, damit du genügend Zeit hast, das Unplanbare bewältigen.